Wir holen die Vergangenheit ein

Kaiser, Kanäle Konfuzius, 04. bis 25.05.2019

Unterwegs in Qingdao, zu Fuß und mit dem Bus. Heiter bis wolkig.

Ende des 19. Jahrhunderts nutzten einige europäische Nationen den schwachen Stand des wirtschaftlich und innenpolitisch zerrütteten chinesischen Staates aus, um sich gewaltsam neue Märkte zu erschließen. Auch unsere Vorfahren wollten sich da nicht lumpen lassen: Den Mord an zwei deutschen Missionaren zum Anlass nehmend, tauchten deutsche Kanonenboote vor der chinesischen Küste auf und erzwangen die Unterzeichnung eines Pachtvertrages und somit die Öffnung Qingdaos als deutschen Handels- und Militärstützpunkt in China. Von 1898 bis 1914 siedelten, handelten und bauten die Deutschen hier was das Zeug hielt, bis sie dann nach Beginn des ersten Weltkrieges von den Japanern verdrängt wurden.

16 Jahre hatten sie also Zeit, ihre Spuren hier zu hinterlassen, und genau auf diesen Spuren wandeln wir heute. Wir streifen an einigen steinernen und fachwerkenen Wohn- und Geschäftshäusern aus dem frühen 20. Jahrhunderts vorbei und gelangen zu einer evangelischen Kirche. Der massive Bau aus dem Jahre 1908 ist auch gut besucht als wir ankommen: Gerade ist die zweite Sonntagsmesse vorüber und die chinesische Gemeinde strömt uns entgegen. Etwa 800 Leute fasst die Kirche, und sie scheint voll gewesen zu sein. Es hat also nicht nur das Bauwerk, sondern auch der Glaube die Jahre überdauert. Auf dem Uhrwerk der Turmuhr steht „Bockenem am Harz“ – schon komisch, so etwas hier in China zu lesen. Das gesamte Bauwerk mit seinen dicken Mauern macht einen recht vertrauten Eindruck – ob es wohl ein konkretes Vorbild aus Deutschland dafür gab?

Nachmittags machen wir uns dann auf zum eigentlichen Vermächtnis der Vorväter: Wir besuchen die Tsingtao-Brauerei. Die anno 1903 als „Germania“-Brauerei gegründete Bierfabrik ist heute noch am selben Platz zu finden. Die alten und neuen Fabrikanlagen lassen sich besichtigen und wir bekommen am Ende auch eine Kostprobe des Qingdao Yuanjiang, ein leckeres naturtrübes Weizenbier, geschenkt. Die Brauerei ging mit Machtübernahme der Kommunisten in China in den Chinesischen Staatsbesitz über und hat sich bis heute – mittlerweile als florierendes Aktienunternehmen mit vielen verschiedenen Biermarken – erhalten. Ein Beispiel für gelungenen Kulturaustausch? Prost!

In der Nähe der Brauerei setzen wir uns noch in ein kleines Restaurant, um uns von den Strapazen der Besichtigung bei einem Bier zu erholen… Kurz vor‘m Abendessen wird es dann etwas stürmisch, aber nachdem wir gegessen haben, hat es sich schon wieder etwas beruhigt und wir beenden unseren zweiten Tag der Reise mit einem Verdauungsspaziergang um die Blöcke.

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