Bereit für eine andere Welt?

Entlang der Teestraße, 24.09. bis 16.11.2017

Von Sanchache nach Jinghong, 42 km, schwül-warm und Regen

Ich wache auf und es regnet. Nein, es schüttet, und weil die dicken Tropfen unaufhörlich auf das Zierdach aus Wellblech am Eingang prasseln, hört sich das Ganze noch viel viel stärker an. Ein Regenguss unterwegs wäre schon ok, aber bei diesem Wetter zu starten, das wollen wir dann doch nicht. Abwarten und Tee trinken, heißt sie Devise, und eine Stunde später als geplant reißt der Himmel auf und wir können starten.

„Es gibt gute Nachrichten“, meint Xiao Ding, „die Autobahn von Kunming nach Mohan ist im September endlich fertig gebaut worden, deswegen sollte es auf unserer Straße ruhiger sein.“ Das trifft zu, und so macht einigen von uns nur noch die steigende Luftfeuchtigkeit, nach dem Regen ist es besonders dampfig, zu schaffen. Unser Zielort der Teestraßen-Tour, Jinghong, liegt etwa auf 21° nördlicher Breite und damit, zumindest nach einer der Definitionen (alles innerhalb der Wendekreise, also 23° nördlicher und südlicher Breite), schon in der Tropen. Der Regenwald macht seinem Namen alle Ehre, und wir bekommen immer wieder eine warme Dusche ab.

In der 500.000 Einwohner zählenden kleinen Stadt sind wir in Gaozhuang untergekommen. Am Ufer des Mekongs wurde innerhalb von knapp sechs Jahren ein kompletter Stadtteil aus der schlammigen Erde gestampft: hübsche Wolkenkratzer, dazwischen kleine Dörfer mit Nachtmarkt, am Ufer ein riesiges Hotel, daneben Apartments zum Kauf oder zur Miete. Von den fünf Zonen, mit deren Bau 2012 begonnen wurde, sind vier schon fertig, der fünfte soll Ende 2018 ebenfalls abgeschlossen sein. Es ist ein beeindruckendes Projekt, das wir uns erst im Modell und danach bei einem Rundgang bei Nacht ansehen. Nicht nur ich habe das Gefühl, China verlassen und in Thailand oder einer ganz eigenen Welt gelandet zu sein. Ein erstaunlich leiser Nachtmarkt mit zahlreichen Ständen, viel Gegrilltem, Obst und sonstigen Leckereien… wir snacken uns fröhlich durch.


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Kolonialzeit

Kaiser, Kanäle, Konfuzius, 11.10. bis 02.11.2017

Exkursion durch das koloniale Qingdao bei etwa 18°C und teils bewölktem, teils sonnigem Himmel.

Vergesst Tsingtao nicht! Mahnte einst der deutsche Gouverneur der deutschen Schutzzone „Kiautschou“ deren Hauptstadt Qingdao war, als Qingdao 1914 von den Japanern belagert wurde. Wir haben es nicht vergessen und haben heute gleich einmal die noch verbliebenen historischen Bauten besichtigt. Bevor die deutschen Kolonialherren nach Qingdao kamen, war die Region nur ein Sammelsurium von kleinen Fischerdörfern. Erst die deutschen Marinesoldaten errichteten hier zwischen 1898 und 1919 die eigentliche Stadt Qingdao. Eigentlich nur bis 1914, denn da wurde ihnen Qingdao wieder von den Japanern abgenommen.

Durch den Laoshe Park schlenderten wir zur katholischen Kathedrale St. Michael. Sie ist die größere von den beiden noch erhaltenen Kirchen in Qingdao. Und wie es sich für eine Kirche gehört, wurde hier ordentlich geheiratet. Naja, zumindest Hochzeitsfotos gemacht. Das ist in China so üblich, dass man schon vor der Hochzeit ein Photoalbum zusammenstellt mit Motiven jeglicher Art. Je romantischer, desto besser. Die Kathedrale darf da nicht fehlen. Von der katholischen Kirche pilgerten wir zur evangelischen. Auf dem Weg dort hin begegneten uns immer wieder alten Häuser aus der Kolonialzeit, mal mehr, mal weniger verfallen. Die evangelische Kirche ähnelte etwas einer Burg und auch hier wurden wieder eifrig Hochzeitsfotos gemacht. Ganz schön heiratswütig die Chinesen. Besonders beeindruckend an der Kirche war die noch intakte Turmuhr von 1908, deren Uhrwerk man hinter einem Glaskasten genauestens studieren konnte.

Weil man dort angeblich einen tollen Blick rund über das alte Qingdao hat, spazierten wir zum Xinhaoshan-Park, der auf einem der höchsten Hügel von Qingdao liegt. Dort konnte man in einem sich drehenden Turm sitzen und sich quasi einmal rund um Qingdao fahren lassen.

Als nächstes besichtigten wir die ehemalige Gouverneurs Villa. Die war so beeindruckend gestaltet, dass sämtliche politischen Größen Chinas hier logierten. Mao Zedong hielt hier sogar eine Sitzung des Zentralkommitees ab.

Wenn man schon in Qingdao ist, dann darf ein Besuch der von den Deutschen gegründeten Tsingdao Brauerei und des dortigen Biermuseums nicht fehlen. Dort bekommt man nicht nur die Geschichte der Brauerei vermittelt, sondern bekommt auch eine Menge Einblicke in die Entwicklungsgeschichte der Stadt. Beim Umtrunk, der beim Besuch des Museums inkludiert ist, hatten wir noch ein besonderes Erlebnis. Es traf dort zeitgleich eine kleine deutsche Delegation ein, die von etlichen Journalisten und Fotografen begleitet wurde. Da man uns als Deutsche identifizierte, wurden wir gleich an den Tisch dort gebeten. Bei der Delegation handelte es sich um den Urenkel von Kaiser Wilhelm dem I., einem Prinzen aus dem Hause Hohenzollern, einen Bundestagsabgeordneten sowie einen Schweizer Unternehmer. Die drei haben zusammen in Berlin die „Königlich Preußische Biermanufaktur“ gegründet und waren hier wahrscheinlich auf Fortbildungslehrgang. Nun, einen Hohenzollern Prinzen trifft man auch nicht jeden Tag, dazu muss man erst nach Qingdao reisen.