R 402

Tag 71, 131 km vom Zavodoukovsk nach Golyshmanovo, flach und windiges Westsibirien. Von Oliver Schmidt.

Ein weiterer Tag auf der topfebenen R 402 Richtung Omsk. Lichte Wälder und frisch bestellte Felder wechseln sich in regelmäßigen Abständen ab und Siedlungen sind oft nur am Horizont zu erahnen. Die Gerüche verraten wie die Menschen hier ihr Einkommen erwirtschaften. Erdige schwere und angenehme Düfte verraten die Landwirte die hier vorrangig in Weizen, Mais und Raps investieren und die beißenden Gerüche verraten die Viehzüchter. Die feinen Nuancen lassen problemlos erkennen ob Hühner, Schweine oder Rinder in den riesigen Hallenkomplexen eingepfercht sind.

Nicht selten wartet Viktor in unserem Versorgungsfahrzeug für einige Stunden ehe auch der letzte Radler eingetroffen ist. Heute hat er über sein Funkgerät die lokalen Trucker abgehört und sich gar in ihre Gespräche eingemischt. Die Radreisenden waren das Thema im Äther, und während die Fernfahrerkollegen auf die Radler hinwiesen und um Rücksicht baten, berichtete unser Fahrer nicht ohne Stolz über das Fahrradfernreiseprojekt. Die Meinung der LKW-Fahrer ist einhellig: „Respekt, ihr Prachtkerle! Allzeit gute Fahrt und ebene Pfade …“


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Auf nach Omsk

70. Reisetag, von Tjumen nach Zawodoukowsk, 101 km. Von Gerhard Leiser.

Bei sonnigem Wetter starteten wir um 8:30 Uhr mit dem Ziel die nächste Großstadt Omsk in 6 Radtagen ohne Ruhetag zu erreichen.

Die Stadtausfahrt aus Tjumen gestaltete sich für uns Radfahrer angenehm, da wir uns an den im Stau stehenden Autos vorbeischleichen konnten. Als wir dann die „Straße der Autohäuser“ hinter uns gelassen hatten, lichtete sich die Bebauung. Noch ein paar Ortschaften dicht hintereinander und bald hatten wir die „sibirische Weite“ erreicht, in die wir auf unserer Straße in unterschiedlichen Ausbaustufen vordringen.

Die Weite ist unbeschreiblich, nahe der Straße teilweise noch von Stromleitungen unterbrochen, aber sonst nur grün, soweit das Auge sehen kann. Kein Hinweis auf menschliche Besiedlung, nichts. Nicht so wie bei uns, wo irgendwo immer wieder ein Kirchturm herausschaut. Eine Weite, die wir im dicht besiedelten Mitteleuropa nicht mehr finden können.

Aus den neben der Straße befindlichen Wäldern, Sümpfen, Grünflächen klingt ein vielstimmiger Vogelchor zu uns, sofern er nicht vom Straßenlärm übertönt wird. Über uns kreisen Raubvögel unterschiedlicher Größe – heute meine ich auch einen Adler erkannt zu haben – teilweise angegriffen von kleineren Vögeln, die Sorge um ihre gerade geschlüpften Jungen haben.
Größe Tiere haben wir lebend noch nicht gesehen, da sie genügend Natur haben um sich darin zu verbergen, ganz selten liegt am Straßenrad ein überfahrenes Tier. Hier haben wir bisher – ohne Katzen und Igel in der Nähe von Ortschaften – „gesammelt“: Fuchs, Greifvogel (könnte eine Eule gewesen sein), Feldhase, Biber, Rehkitz, Hunde (in einem Fall wird auch die Meinung vertreten, dass es ein Wolf war).

Unterwegs wird der Reisende vor Zecken gewarnt und ihm eine Impfung per Werbeplakat ans Herz gelegt. Nicht gewarnt wird vor 6-beinigen Fluginsekten mit Saugrüssel. Sofort bei jedem Halt wird man zahlreich umschwärmt. Menschenerfahrung haben sie allerdings nicht, wenn sie auf einem sitzen und noch überlegen wie man am besten zusticht, kann man sie leicht zerdrücken. Die Stiche jucken nicht und vergehen sehr schnell, wenn man doch erwischt wurde.

Die Flora hier hat immer noch ihr Frühlingsgewand an. Es blüht der Löwenzahn, der Flieder in der Stadt wird es bald schaffen, Obstbäume, Traubenkirsche strahlen in weißer Blütenpracht. Ein Frühjahr von Mitte April in Deutschland bis Mitte Juni und darüber hinaus, wer hat das schon und kann es genießen? Der Langstreckenradler in Russland! Auch Maikäfer sind wieder aufgetaucht, ob die hier auch dem Mai zugeordnet wurden?


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Schiffbau in Sibirien, ein Doschtschanik im Wappen und riesige Ölvorräte

Bilderbuch vom 69. Reisetag in Tjumen, sommerlich sonnig und windig. Von Peter Frenzel.

Tjumen (Тюмень; Betonung auf dem e !) ist die Hauptstadt der gleichnamigen russischen Oblast in Westsibirien. Sie hat etwa 700.000 Einwohner, ist also ungefähr so groß wie Frankfurt am Main, liegt aber am Fluss Tura. Bis Moskau sind es von hier ca. 1700 km Luftlinie.
Geradelt sind wir bis hierher rund 2300 km.

In der Oblast leben vor allem Russen (80 %), aber auch eine Vielzahl anderer Ethnien, wie Tataren, Ukrainer, Russlanddeutsche, Tschuwaschen, Weißrussen, Baschkiren, Kirgisen und Inguschen.
Übrigens, eine Oblast (ja, ist wirklich weiblich) bedeutet wörtlich „Gebiet“ und ist die Bezeichnung für einen größeren Verwaltungsbezirk, von denen es viele gibt. Noch öfter wechseln wir die Rajons. Diese sind kleinere Verwaltungsbezirke innerhalb der Oblaste und entsprechen in etwa den deutschen Landkreisen bzw. den österreichischen Bezirken. Machmal radeln wir an einem Tag durch 3-5 Rajons.
Tjumen selbst ist heute in 4 Stadtrajons gegliedert und zählt zu den ältesten russischen Ansiedlungen Sibiriens.

Wikipedia schreibt: „Es wurde bereits 1586 als Fort der Kosaken an der Mündung der Flüsse Tjumenka und Tura zum Schutz gegen die Steppennomaden gegründet. Seit dem 17. Jahrhundert war Tjumen ein wichtiger Transitpunkt auf dem Handelsweg von Sibirien nach China. Tjumen wurde Handelszentrum und bedeutendes Handwerkerzentrum mit Schmieden, Glockengießereien, Lederverarbeitung und Seifenproduktion. Seit 1709 gehörte Tjumen zum Sibirischen Gouvernement. 1782 erhielt Tjumen das Stadtrecht und wurde 1796 Kreisstadt im Gouvernement Tobolsk. Mit dem Bau des ersten Schiffes in Sibirien 1838 begann in Tjumen die Flussschifffahrt, auch wurde eine Bahnlinie nach Jekaterinburg gebaut. Tjumen wurde zum Zentrum für Schiffbau, Holzverarbeitung und Fischfang, auch die Teppichproduktion war stark entwickelt.“

Um erste eigene Entdeckungen zu machen, bummeln wir nach Ausschlafen und spätem Frühstück der Nase nach durch die Stadt und am Flußufer entlang. Am Nachmittag treffen wir uns dann mit Andrej zu einem weiteren Stadtrundgang. Er hat in Tjumen Germanistik studiert und spricht perfekt deutsch. Unterwegs erfahren wir viel interessantes über die Stadt und die Oblast.

Tjumen liegt an der Hauptstrecke der Transsibirischen Eisenbahn, aber wirtschaftlich noch wichtiger ist: 80-85% der russischen Erdölvorräte „lagern“ in der Oblast. Also ist die petrochemische Industrie mit allen großen russischen Firmen (Rosneft, LukOil, BashNeft …) hier repräsentativ vertreten und bestimmt auch das Studienangebot der Bildungseinrichtungen.
Aufgrund des Reichtums an Erdöl und Erdgas zählen Stadt und Gebiet zu den reichsten Russlands, fordern aber auch deutlich höhere Preise für’s Wohnen etc.

In Tjumen gibt es mehrere Universitäten und Hochschulen, natürlich viele Kultureinrichtungen und selbstverständlich einen ständigen Zirkus.

In der Stadt stehen noch viele ältere Häuser, meist aus Holz, neben neu gebauten oder in den letzten Jahren restaurierten und renovierten Wohnblocks.
In einem dieser Holzhäuser ist seit 2008 das „Haus der russisch-deutschen Freundschaft“, in Zusammenarbeit mit Celle, einer Partnerstadt Tjumens, untergebracht.

Andrej nimmt uns mit in das „Stadtuma“-Museum. Hier bestaunen wir unter anderem das Gerippe eines fossilen Mammuts. Das Museumsgebäude selbst ist auch ein außergewöhnliches architektonisches Denkmal. Hier tagte zur Zarenzeit die Duma der Stadt.

1942, also während des 2. Weltkrieges, wurde der Sarg mit Lenins Leichnam aus dem Mausoleum in Moskau nach Tjumen in ein Fakultätsgebäude evakuiert. Die Ehrenwache zog jedoch weiterhin vor dem Moskauer Mausoleum auf, so daß die Auslagerung von den Einwohnern kaum bemerkt wurde.

Georg Wilhelm Steller (1709–1746, er studierte u.a. in Wittenberg, lebte eine Zeit lang auch in Kamtschatka), ein legendärer deutscher Arzt und Naturforscher, starb hier auf seiner Rückreise von Sibirien nach Sankt Petersburg. An ihn erinnert heute eine Gedenktafel.

Bilderbuch auf:


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Nach Tjumen!

Tag 68, 155 km von Pyschma nach Tjumen, Rückenwind, Platzregen, viel Verkehr aber trotzdem schön.. Text: Karin Becker, Photos: Oliver Schmidt

Bei Oliver liegen die beiden verspielten Hofhunde vor der Tür. Kein Wunder, sie wollen wieder gestreichelt werden, so wie gestern Abend.
Frühstück gibt’s vorne an der Kaffeebude, und es ist ausgesprochen lecker. Überall sind Pfützen auf dem Hof, nachts hat es geregnet. Doch bei unserer Abfahrt scheint die Sonne und die Temperaturen steigen.

Wie gestern folgen wir auch heute wieder der E22. Die Gegend ist flach, die Felder bestellt, Kreuze gibt’s reichlich, keine Dörfer, keine Bushaltestellen, nichts als Gegend. Was denken? Warum ist eigentlich noch keiner auf die Idee gekommen, mit einem Magneten die Standstreifen nach Altmetall abzusammeln. Man könnte bestimmt ein nettes Taschengeld damit zusammen kriegen.

Bei der heutigen langen Strecke wartet Viktor alle 30 Kilometer auf uns.

Der freundlich winkende Polizist meint dieses Mal tatsächlich mich! Als ich seine Frage auf deutsch beantworte, amüsieren sich alle umstehenden Kollegen. Er beäugt mein Rad, mich und ist zufrieden als ich „Tjumen“ sage, wo wir heute übernachten. Ein freundliches Doswidanja, also auf Wiedersehen, und winkt mich weiter.

Rechterhand liegt ein toter Wolf am Standstreifen, den die anderen aber nicht mitkriegen. Kein Wunder, bei dem Höllentempo, das sie fahren. Dabei hätten sie ihn wenigstens riechen müssen.

Picknick auf einer mückenverseuchten Wiese. Der Himmel ist rabenschwarz. Kurz darauf bricht ein Gewitter über uns herein. Ratzfatz ist alles im Auto. Als es heller wird bleibe ich bei Viktor, denn 155 Kilometer wollte ich mir nicht antun, zumal der Verkehr immer mehr wird.

Wir verabreden noch einen Boxenstopp vor Tjumen. Als die drei Radler ankommen schnarchen Viktor und ich lautstark im Auto.

Es ist unbefriedigend im Auto eine Radreise zu machen, aber als ich die anderen von ausgefräster Straße und kilometerlangen Baustellen reden höre, war’s o.k.

Unser Hotel ist chic und modern. Wir finden ein nettes Lokal gleich um die Ecke.


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Westsibirien

Tag 67, 90 km von Bogdanowitsch nach Pyschma , strammer Rückenwind und brennende Sonne. Von Oliver Schmidt.

Tamara, unsere Gastgeberin in Bogdanowitsch, zum Abschied: „Früher reisten die Menschen in die Nachbarorte und auch weiter um sich kennenzulernen und um miteinander zu kommunizieren. Das ist selten geworden und das bedaure ich sehr … Ich bewundere Euch, das ihr genau dies tut. Ihr zieht durch Russland und die Welt um andere Menschen und Nationen und ihre regionalen Besonderheiten kennenzulernen. Das ist der beste Weg um Vorurteile abzubauen. Bitte erzählt den Menschen in den nächsten Ländern und zu Hause in Deutschland was ihr hier erlebt habt … Wir wünschen uns nichts sehnlicher als zusammen in Frieden zu leben … bitte erzählt das Zuhause! Ihr seid Prachtkerle…“

Knapp einhundert Tageskilometer erschrecken niemand der Mitradler mehr, wenn strammer Rückenwind uns schon morgens vom Hof bläst, er anhält und uns durch weite Landschaften, ausgedehnte Mischwälder und entlang einer abermals dichtbefahrenen Magistrale schiebt.

Schon am frühen Nachmittag sind wir in Pyschma, einem beschaulichen großen Dorf an der Transsibirischen Eisenbahn, und unseren heutigen Tagesziel. Alsbald sitzen wir in der brennenden Sonne vor dem lokalen Getränkefachgeschäft. Das lokale schmackhafte Bier wird hier in anderthalb Literflaschen abgefüllt und ist zum sofortigen Verzehr bestimmt, behauptet die resolute Verkäuferin mit Nachdruck. Wir beugen uns den russischen Gepflogenheiten … Reisen ist schön.


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Sibirski Trakt

Tag 66, 90 km von Ekaterinburg nach Bogdanowitsch, mit Sonne und Rückenwind nach Sibirien. Von Oliver Schmidt.

Der erste Radeltag im Westsibirischen Tiefland. Mit dem Uralgebirge haben wir nicht nur die hügeligen Landschaften hinter uns gelassen, sondern scheinbar auch eine Wetterscheide überwunden. Endlich wieder annehmbare Temperaturen und weite, unendlich wirkende Ebenen, durchzogen von lockeren Mischwäldern. Alternativlos bewegen wir uns wieder auf einer großen, viel befahrenen Magistrale, der E 22 – dem sogenannten Sibirski Trakt.

Die Reparaturstatistik musste heute mehrfach aktualisiert werden. Drei neue Platten (einer für Gerhard, zwei für Oliver) lassen das Reiseleitergefährt unangefochten in Führung gehen … doch strammer Rückenwind entschädigte für alles … mit über dreißig Stundenkilometer flogen wir unseren heutigen Tagesziel Bogdanowitsch entgegen.


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Von der Eisenhütte zur prosperierenden Metropole mit Zarenschicksal

Bilderbuch vom Ruhetag am 65. Reisetag in Ekaterinburg. Von Peter Frenzel.

Jekaterinburg oder auch Ekaterinburg, früher auch Katharinenburg (Екатеринбу́рг, 1924–1991 Swerdlowsk / Свердло́вск) ist die erste große Stadt Russlands, die wir erreicht haben, die in Asien liegt.
Gerhard hatte gestern vom „Grenzübertritt“ Europa – Asien berichtet.

Ekaterinburg hat fast 1.4 Mio. Einwohner. Nur Moskau, Sankt Petersburg und Nowosibirsk sind noch größer.
Der Name der Stadt geht auf Kaiserin Katharina I. (1684–1727, die Ehefrau Peter I.) sowie auf die Heilige Katharina, die Schutzpatronin der Bergarbeiter, zurück. Durch die Stadt fließt die Isset (Исеть). Sie hat uns schon beim Reinradeln sehr beeindruckt. Hier könnte man(n) garantiert auch mehrere interessante Tage verbringen.
Wir haben leider nur einen, unseren heutigen Ruhetag, den unsere Radelbeine nach den 525 km in den 4 Tagen mit bis zu 1500 Höhenmetern pro Tag seit Tschaikowsky redlich verdient haben.
Ganz ohne Bewegung können wir aber auch nicht sein und wir machen 4 Stunden einen Stadtrundgang in Begleitung von Aljona.

Ekaterinburg wurde 1723 gegründet. Den Siedlungskern bildeten eine Eisenhütte und im Quadrat darum angeordnete Wohngebäude.
Die reichen Bodenschätze des Ural waren und sind ideal für den Standort.
Zar Peter I. lud damals u.a. Bergbaufachleute aus Sachsen ein und noch heute besteht enger Kontakt zur Stadt Freiberg.

Eine von zwei gesprengten orthodoxen Kirchen wurde nach 1991 wieder aufgebaut. Am Ort der anderen steht heute eine kleine Kapelle.
Wir besuchen die neu renovierte Kirche des Nonnenklosters gleich hinter dem Hotel. Ihr Glockenspiel hatte uns morgens schon geweckt.
Eine Besonderheit: Die Nonnen malen meisterhaft Ikonen, die man(n) sogar kaufen kann.

Aljona erzählt von der Sportbegeisterung der Einwohner, für die ca. 2000 Einrichtungen zur Verfügung stehen.
Alles fiebert natürlich dem Beginn der FIFA-Fußball-WM hier im „östlichsten“ Austragungsort entgegen.
Ekaterinburg ist eine sehr wichtige Universitätsstadt für Russland mit über 80 Bildungseinrichtungen.
Kultur und Kunst haben einen hohen Stellenwert. Es gibt mehrere Theater (Oper, Ballett, Komödien), sogar eine Philharmonie für Kinder und eine für die Erwachsenen, einen ständigen Zirkus, in dem u.a. jährlich internationale Wettbewerbe für Clowns organisiert werden, einen Zoo, eine Kunstgalerie und eine Vielzahl von Museen.

Interessant: Es gibt einige Häuser im Bauhaus-Stil! Nachdem die Nazis in Deutschland das verboten hatten, siedelten viele Künstler der Szene nach dem damaligen Swerdlowsk um und arbeiteten hier weiter. Der Stil wurde später hier als Konstruktivismus bezeichnet.

In den letzten Jahren wurde viel restauriert und neu gebaut, u.a. das neue Boris-Jelzin-Center mit Archiv u.v.a.m., denn er wurde in einem nahegelegenen Dorf geboren und arbeitete einige Jahre in der Stadt, bevor er mit der Familie nach Moskau zog. Wichtiger „Unterstützer“ vieler Bauvorhaben ist auch hier „Gazprom“, sogar bei neuen Null-Energie-Häusern!

Aljona zeigt uns das erste (11-geschossige) Wohnhaus mit einem eingebauten Fahrstuhl. Davor hatten Wohnungsbauprogramme mit „Chruschtschowkas“ (5 Stockwerke) und „Breshnewkas“ (9 Stockwerke) mit kostenlosen Wohnungen für Unterkünfte gesorgt.
Einige der traditionellen alten Holzhäuser gibt es auch noch und sie sollen nach und nach saniert werden.

Im Luxushotel Hyatt (dem teuersten außerhalb Moskaus) wurde 2009 die Vereinigung der BRICS-Staaten geründet.

Bei unserem Rundgang bummeln wir auch am Ufer der Isset entlang und sehen viel Grün in den Parks und Anlagen.
Der Flieder müht sich hier immer noch mit den ersten Knospen ab. So einen kalten Junianfang mit 2-5°C tagsüber wie dieses Jahr gibt es hier auch nicht oft.

1991 wurde hier die kürzeste Metro Russlands mit einer Linie von 12,7 km Länge und mit (seit 2012) neun Stationen in Betrieb genommen.

Zum Abschluß zeigt uns Aljona die Blutskirche, eine neu gebaute orthodoxe Kathedrale. Sie wurde 2002/2003 am Platz der Ermordung der Zarenfamilie errichtet. Hier wurde 1918 von den damaligen Bolschewiki im Umkreis von Jakow Michailowitsch Swerdlow (Яков Михайлович Свердлов, 1885-1919, damals ein führender Politiker der Partei der Bolschewiki sowie etwas mehr als ein Jahr lang Staatsoberhaupt Sowjetrusslands) im Verlauf des Russischen Bürgerkrieges die Zarenfamilie ermordet und in einem alten Bergwerksschacht verscharrt.
Insgesamt wurden 18 Angehörige der Dynastie und viele weitere Personen aus ihrem Umfeld von den Bolschewiki umgebracht.
1998 wurden die sterblichen Überreste der Zarenfamilie in St. Petersburg in der Peter-und-Paul-Kathedrale beigesetzt. Die Familie wurde von der orthodoxen Kirche in Russland 2000 als Märtyrer heiliggesprochen. Im Waldgebiet beim Bergwerksschacht ist ein Kloster in Holzblockbauweise errichtet worden.

Karin und Gerhard „besteigen“ noch den höchsten Büroturm der Stadt, so daß wir auch den Blick von hoch Oben auf die Stadt im Foto zeigen können.

Zurück im Hotel waren wir dann immerhin auch 8 km unterwegs.

Bilderbuch auf:

Von Kontinenten und Bloglesern

Sonntag, 03.06.2018, von Nischni Sergi nach Jekaterinburg – 102 km. Von Gerhard Leiser.

Der Sonntag begann im postsozialistischen Sanatorium – es gab ein üppiges Frühstücksbuffet – überraschend. Weniger überraschend war das Wetter. Die Temperaturen hatten sich zwar verdreifacht, von 2° auf 6°, aber es nieselte bei der Abfahrt doch ordentlich vor sich hin. Also wieder mal Regenkleidung, auch als Wärmeschutz, der bereits am Ortsende nicht mehr ganz so dringend erforderlich war: wir starteten dort gleich mit einem ordentlichen Anstieg. Effektiv waren es 1,5 km bergauf gleich nach dem Frühstück, unbestätigte Gerüchte sprechen von 5 km, die eine Rampe (norddeutsch) hochzutreten waren. Wir Bayern reden da eher von einem ordentlichen Hügel.

Bis Mittag wurde das Wetter besser, es kam auch die Sonne heraus und wir freuten uns auf den Wechsel in einen anderen Kontinent, von Europa nach Asien. Nur kam dieser neue Kontinent einfach nicht. Wir spulten Kilometer um Kilometer ab, erst 17 km vor unserem Ziel Jekaterinburg sahen wir die Stele, die den 60. Längengrad und somit die Grenze zwischen den beiden Kontinenten anzeigt. Auf der anderen Straßenseite stand sie, getrennt von insgesamt 4 Fahrspuren einer autobahnähnlichen Straße und 2 hohen Leitplanken im Mittelstreifen.

2 Radler trauten sich die erste Straßenseite zu überqueren, wuchteten die Räder und sich selbst über die Leitplanken, querten die zweite Straßenseite und standen vor der Stele, die enttäuschend klein und zudem wegen Bauarbeiten nicht zugänglich war und scheinbar nur für die Reisenden von Asien nach Europa gilt – die haben einen kleinen Parkplatz mit Kaffeeausschank bekommen. Die 2 anderen Radler befanden, dass sich der Wechsel auf die andere Seite nicht lohnt und knipsten aus der Ferne ihre Fotos. Karin wartete mit Viktor auf dem Parkplatz auf uns.

Auf den Kontinent Asien stießen wir dann beim Abendessen in einem russischen Restaurant an. Traditionell nach Landessitte mit Wodka. Hier probierten wir verschiedene Sorten: Wodka mit Birkensaft, oder einen Wodka, den man 2 x schmeckt: Wodka mit Honig und Meerrettich. Erst kommt der Meerrettich im Kopf an, dann der Alkohol in der Kehle.

Die Leser der Blogs bitten wir um Verständnis, dass es zwar für jeden Tag einen Blog geben wird, aber nicht tagesgenau. Manchmal steht uns kein Internet zur Verfügung, bisher eher selten, an anderen – vor allem langen Radtagen – sind wir einfach zu geschafft oder anderweitig zu beschäftigt (Abendessen = Energiezufuhr), um uns noch am selben Abend hinzusetzen und einen Blog zu schreiben und mit den Bildern und dem Track hochzuladen. Es ist immerhin ein Zeitaufwand von 1 – 2 h pro Blog.


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Nudelsuppe und Teekultur

Durch das wilde Osttibet, 12.05. bis 03.06.2018

Letzter Tag in Lanzhou mit Nudelsuppe, Teeprobe und einem Besuch im Provinzmuseum

Heute ist also Abreisetag. Bevor wir uns aber zur letzten Nudelsuppe treffen, gönnen wir uns etwas Kultur. Zuerst ist eine Teeverkostung im Geschäft von Frau Wang angesagt. Wir probieren einen Grüntee aus Gansu, einen Longjing Tee vom Westsee bei Hangzhou und einen Weißen Tee, der aus den Höhenlagen bei Anji ebenfalls an der Ostküstenprovinz Zhejiang stammt.

„Der Tee aus Gansu ist etwas bitterer, man kann ihn aber häufiger aufgießen,“ erklärt uns Frau Wang, „beim Longjing aus Hangzhou werden alle Aufgüsse nach dem vierten etwas fade im Geschmack“. Der allererste Aufguss dient nur zum Waschen der Teeblätter und zum Anwärmen der Tassen und zählt nicht mit. So trinken wir ein Tässchen nach dem anderen, der Zimmerbrunnen plätschert und ein Zierfisch dreht im Aquarium seine Runden. Zu guter Letzt lässt uns Frau Wang noch einen Jasmintee probieren. „Die meisten Leute hier trinken eigentlich am liebsten Blumentees, deswegen wollte ich Euch den nicht vorenthalten. Für die Grüntees nimmt man am besten Glastässchen, darin kommt die Farbe besser zur Geltung, bei Blumentees kann man eher welche aus Porzellan nehmen“. Es geht langsam und entspannt zu, man kann hier drinnen die Großstadt ganz gut vergessen und wir erfahren noch viel über den Tee, seine Lagerung und wie man die kleinen Tässchen richtig hält.

Zuviel Tee macht duselig, und wir wollen ja noch weiter. Also begeben wir uns wieder in die Stadt und in die Obhut der Taxifahrer, die es irgendwie schaffen, sich ohne Schrammen doch noch durch den dichten und chaotischen Lanzhouer Straßenverkehr zu schlängeln. Im Provinzmuseum von Gansu verbringen wir gute zwei Stunden, es gibt einiges zu sehen über die Seidenstraße, Keramikherstellung und buddhistische Kunst. Es ist Samstag Nachmittag, das Museum kostet keinen Eintritt, es strömen immer mehr Familien in die Ausstellungen. 

Dann müssen wir uns wirklich aufmachen zum Flughafen und zur langen Heimreise. Wie so oft ist es schießlich die Deutsche Bahn, die zumindest mir einen Strich durch die frühe Ankunft gemacht hat. Na ja, wenn man zum Ferienende genau dann morgens, wenn die ersten Flieger landen, in Frankfurt Flughafen nur einen winzigen ICE bereitstellt, kommt eben maximal die Hälfte der Reisenden mit. Ich nehm`s gelassen und hoffe, dass alle anderen gut und etwas schneller zu Hause angekommen sind.

Und hier ein wenig Statistik: Wir sind in Osttibet in Höhen zwischen etwa 1.500 und 3.900 Metern geradelt und haben dabei drei platte Reifen gehabt, 967 Kilometer zurückgelegt und 11.386 Höhenmeter überwunden. Die Temperaturen lagen zwischen kühlem 1 Grad und hübsch-heißen 33 Grad. Vom höchsten Punkt gibt es kein Foto, weil uns der Graupelschauer vorwärts getrieben hat. Ansonsten: Kaum Verkehr, nur eine längere Schotterpiste und immer wieder großartige Landschaften… eine tolle Tour.

 

Durch den westlichen Ural

Tag 63, 131 km von Krasnoufimsk nach Nischne Sergi, Regen und Berge

Text: Karin Becker, Photos: Oliver Schmidt

Sprungfedern massieren in der Nacht meinen Rücken. Morgens um 7 Uhr sitze ich bei Oliver auf der Bettkante und löffel Tüten-Kascha in mich rein. Im Hotel gibt’s kein Frühstück und im Ort hat noch kein Laden geöffnet. Also schnell die Vorräte reinholen, Wasser kochen und Vorräte muffeln. Peter, Gerhard und Viktor finden auf dem Bett auch noch Platz. Draußen schneit es. Sieht lustig aus, bei den blühenden Obstbäumen vor dem Fenster.

Schnee, Regen und Hagel begleiten uns den ganzen Tag. Die Straße ist gut und zum Glück ohne Killer-Rampen wie gestern. Dörfer machen wach. Mir ist schleierhaft wo hier in diesen Wäldern Leute wohnen, denn ab und an stehen Bushaltestellenhäuschen an der Strecke. Allerdings aus Wellblech und seitlich frei. Offensichtlich werden sie auch gerne abgebaut.

Glücklicherweise gibt’s nach 65 Kilometern eine Kaffeebude an einer Kreuzung! Tee trinken wir 30 Kilometer später bei Viktor im muggeligen Wagen. Einfach sitzen bleiben, das wär’s!!

Die Sonne blinzelt ab und zu mal durch die Wolken. Bei der nächsten Pause zieh ich eine Schicht aus, nehme ich mir vor. Bergauf sehe ich noch die letzten Himmelsschlüsselchen und Buschwindröschen, sie verblühen gerade. Es wird immer schwerer. Runter geht’s blitzschnell. Stunde um Stunde. Wie lange noch? Wir müssen bis spätestens 19 Uhr in unserem heutigen Sanatorium sein, denn dann wird die Schranke geschlossen. Noch mal drei Kilometer ins Zentrum des Ortes, der heute als Schwefel-Heilbad in ganz Russland bekannt ist. Die Heilwässer werden seit 1830 genutzt.

Endlich, um 18.30 Uhr bin ich Zimmer, pünktlich um 19 Uhr steht das Essen im tristen Speisesaal auf dem Tisch. Zum Glück gibt’s ausreichend Brot, denn eine Diät müssen wir nicht machen. Um 19.45 Uhr ist Schluss mit sitzen, wir werden etwas unfreundlich raus gebeten. Ein Bier aus dem Wagen trinken wir gemütlich auf der Etage.

Drei Tage ungefähr 1.500 Höhenmeter rauf und ca. 1.400 Meter runter bei diesen langen Strecken reichen eigentlich.

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