Nepalesische Spaziergänge

An den Hängen des Himalayas, 18.10. bis 11.11.2013

Strecke: ca. 70km, Wetter: Sonne, später etwas eingetrübt

Text von Monika, die heute im Zimmer neben Prachanda, dem Maoisten-Führer, nächtigen durfte. Eine schräge Figur der nepalesischen Geschichte, verantwortlich für den Sturz des Königs – siehe dazu das Interview mit ihm, geführt von Christian Kracht und Eckhart Nickel, in ihrer „Gebrauchsanweisung für Nepal“.

Morgenspaziergang oder Ausschlafen. Wir haben die Wahl. Eigentlich.
Um 6:30 läuft der persönliche Wake-Up-Call Officer durch die Pavillon-Anlage. Höflich aber sorgfältig klopft er an jeder Zimmertür – Good Morning Sir. Er klopft so lange bis sich etwas im Zimmer regt und antwortet. Jan schießt im Bett hoch und versucht noch einzugreifen. Nicht doch – Verwechslung – das war gestern. Zu spät – der pflichtbewusste Angestellte hat bereits alle abgearbeitet. Dementsprechend ist unsere Sonnenaufgangsgruppe deutlich größer als geplant.

Unser Guide hat sich ein großes Fernglas umgehängt und eine Vogelbuch in der Hand. Zuerst sieht es ein bisschen so aus, als ob er uns die Hühner in einem Hinterhof zeigen möchte. Wir laufen an sauberen Lehmhäuschen und Betelnußbäumen vorbei, mit seinen scharfen Augen sieht er jede Bewegung – hier ein Priol, dort eine schwarze Krähe. Im Morgennebel taucht ein Elefantencamp auf. Es sind Arbeitselefanten, die mit den Wächtern im Nationalpark arbeiten. Auch hier ist gerade Wake-Up Call. Die Elefanten werden liebevoll abgestaubt und abgeklopft. Ein vier Monate altes Elefantenbaby betrachtet uns neugierig. Erstaunlich behände klettert es über eine Absperrung und tupft uns interessiert mit dem kleinen Rüssel an. Die Elefanten-Mutter verfällt in einen besorgten Wiegeschritt und zieht an der dicken Fußkette. Albin furcht sorgenvoll die Stirn: Wie kriegen wir das kleine, freilaufende Tier zurück. Martin hat gerade einen Vogel im Sucher als das Baby mit einer schnellen Rüsselbewegung seine Fototasche klaut und damit losflitzt. Unser Guide lässt das Vogelbuch fallen, rennt hinterher und jagt ihm die Beute wieder ab. Versteckt hinter Mamas Bauch lugt der kecke Elefantenwinzling hervor, er weiß genau dass er unartig war.
Eine alte Elefantenkuh läuft frei herum, sie ist in Rente, lebt im Dschungel und schaut gelegentlich im Dorf vorbei. Zwei Arbeitselefanten mit mächtigen Stoßzähnen kommen beladen mit Grasbündeln und ihren Reitern durch den Fluss.

Blaue Eisvögel sitzen auf den Bäumen. Wir beobachten eine ganze Gruppe wilder Pfaue. Direkt daneben steigt ein mächtiges Krokodil aus dem Fluss und legt sich in die Sonne. Ein weiteres Krokodil ruht auf einer Sandbank neben sibirischen Gänsen. Wir könnten ewig so weiterlaufen aber der Porridge wartet.

Die ersten 15 Radlkilometer sind holperig und unsere Augen sind fest auf die Straße geheftet, fast schade. Die schöne Strecke führt durch hübsche Dörfer, Gemüsegärten und Ackerland. Aus den geernteten Reisbündeln werden Strohhäuser geformt. Die Rüttelstrecke zerstört die Flaschenhalterung von Frank. Die Wasserflasche muss wieder ans Rad. Fünf Männer, acht Werkzeuge, elf technische Meinungen. Dreißig Minuten später ist das Ding wieder dran.

Nach 70 Kilometer rollen wir über eine Brücke in unserem Unterkunftsort. Unspektakulär hat ihn Jan angekündigt. Nix los. Gut gemeintes Erwartungshaltungsmanagement. Stimmt nicht ganz. Es wird ein weiteres Fest gefeiert. Die Stadt brodelt. Unter uns sind hunderte von schön gekleideten Menschen mit Opfergaben wie Obst, Gemüse und Brot beschäftigt. Sie verharren mitten im Fluss zum Gebet. Musik erklingt, überall Kerzen und der Geruch der Räucherstäbchen dringt bis auf die Brücke hoch. Das möchten wir genauer erleben. Wir stellen die Räder am Hotel ab und stürzen uns kurz vor Sonnenuntergang ins Gewimmel. Albin ist vom Menschengewühl an einer Brücke verschluckt. Jan pflügt auf Sandalen durch den Fluss. Die ganze Stadt ist auf den Beinen. Lichterketten blinken, Rikschas bimmeln im Dunkeln vorbei. Dieser Spaziergang ist komplett anders als heute Morgen.

Zurück im Hotel fahren dreißig Motorräder und mehrere große Autos vor. Dann ein Parteiwagen mit Fahnen und Megaphon, jubelnde Anhänger, Polizei überall. Der Vorsitzende der stärksten Partei ist auf Wahlkampftour in unserem Hotel untergebracht. Morgen hält er hier eine Rede. Auf dem Hotelflur stehen die Bodyguards. Sie sind von der nepalesischen Polizei, ausgebildet in Europa, freundlich aber sehr wachsam. Jens prüft die Parteifahnen – keine neue Beute – die hat er alle schon in seiner Sammlung. Ansage beim Abendessen: Morgen zweitausend Höhenmeter.

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