An den Hängen des Himalayas, 18.10. bis 11.11.2013
Strecke: ca. 50km, Wetter: Morgennebel, dann sonnig und dunstig
Berganstiege sind ganz nach Monikas Geschmack, klar dass sie die Streckenprofile derzeit sehr schätzt:
Berganstiege zum Schluss der Tagesetappe sind etwas Großartiges: Man kann genussvoll im verschwitzten Hemd ein wohlverdientes Bier trinken, hat von der Unterkunft aus eine tolle Sicht und darf am anderen Morgen erst mal bequem bergab rollen.
Inzwischen haben wir uns auf die morgendlichen Fixpunkte eingestellt: 6:30 Uhr Aufstehen: Ein bisschen in den Rucksäcken stöbern und hoffen, dass die ausgewaschene Radlkleidung getrocknet ist.
7:30 Uhr Frühstück: Mal sehen was es gibt. Bhasker kommt mit einer Obsttüte vom Markt zurück und arrangiert liebevoll Äpfel, Mandarinen und Bananen auf den Tellern. 8:30 Uhr Abfahrt: alle (nicht nur Albin) suchen etwas: Wasserflasche, Helm, Handschuhe. 8:31 Uhr Ansage: wann ist der erste Treffpunkt.
Die Optimisten unter uns starten die lange Talfahrt hoffnungsfroh im Kurzarmshirt, andere haben sich bereits warm eingepackt und Lutz überlegt ob er Mütze und Handschuhe aus der Tasche holt. Wenig später haben alle eine Jacke an. Es wird frisch, wir müssen durch die Wolken fahren. Der jeweilige Vorradler ist oft nur schemenhaft zu erkennen. Unten angekommen sind wir von unserer eigenen, gestrigen Leistung beeindruckt. Wow – das sind wir gestern alles hinaufgeradelt?
Wir biegen auf die Straße nach Pokhara ein und radeln die Hügel entlang. Dabei können wir die Menschen bei allen möglichen Beschäftigungen beobachten. Hier wird ein Drahtgeflecht zusammengeschweißt, dort sitzt eine Frau an der Nähmaschine, ein Mann daneben klopft eine Sichel zurecht. Woanders werden Reifen gewechselt. Das Profil wäre in Europa so nie zugelassen. Dann immer wieder Häuser. Kleine Hütten aus Lehm mit Gemüsegarten oder große hohe Häuser. Aus dem obersten Stockwerk ragen Betonsäulen und verbogene Stahlstangen heraus – als ob morgen weitergebaut werden würde. Daneben Wäscheleinen mit Kleidung, die wie Gebetsfahnen im Wind flattert.
Und viele Menschen, die beschäftigt hin und her laufen. In Busse einsteigen oder LKWs entladen. Frauen in roten Saris mit Glitzerstreifen tragen Plastiktaschen und auf dem anderen Arm ein lachendes, winkendes Kleinkind mit Wollmütze. Männer in indischer Tracht, die müßig vor dem Ziegenstall sitzen und gelegentlich ausspucken.
Überall kleine Läden, in denen man fast alles kaufen kann. Von Seife bis Reismehl. Kalte Cola und Sesamkekse. Armbänder aus Glas und Plastikschuhe. In diesem ganzen wogenden Treiben immer wieder die Träger. Sie tragen fast alles. Männer und viele Frauen. Und alle sind klein und zart, oft schmächtig. Manchmal sieht man von weitem nur das große Fass, den Sack oder das riesige Bündel Reisstroh, das sich von selbst durch das Gewühl von Menschen und Fahrzeugen oder über das Reisfeld bewegt. Erst dann entdeckt man den Menschen darunter, fast immer nur in Flip-Flops, tragen sie geschickt ausbalanciert und mit Stirnriemen die riesige Last.Diese Menschen bringen uns immer wieder zum Erstaunen – nahezu mühelos tragen sie zwei unserer Koffer gleichzeitig und lächeln dabei.
Wir biegen nach rechts in die Berge ab. Lutz betrachtet die steile Rampe in der strahlenden Sonne und zieht den Reißverschluss seiner Fleecejacke bis zum Kinn hoch. Ein plötzlicher Kälteeinbruch bei den jetzigen 28° Grad ist ja nicht völlig auszuschließen. Dieter verteilt Kokoskekse, dann kurbeln wir uns die Serpentinen hoch. Kein Kettenabriss, kein Platten, nur Jochen springt die Kette mehrfach ab – mit seinen ölverschmierten Händen sieht er aus wie ein Bergbauarbeiter. Touristenbusse überholen uns. Aus dem Fenster werden große Objektive auf uns gerichtet. Die Steigungen sind manchmal richtig gemein. Keuchend erreichen wir das sauber ausgefegte Städtchen. Hier endet die Straße und es ist schön ruhig. Bei einem Spaziergang am Nachmittag werfen wir einen Blick zurück auf den Startpunkt, weit, weit unten – und sind richtig stolz.
Ein abendlicher Drink, dabei explodiert vor unseren Augen ein Trafokasten und schlagartig ist das Dorf dunkel. Ein beeindruckendes elektrisches Feuerwerk zerlegt die Stromleitungen. Nach einer Stunde ist der Schaden behoben und wir können unsere Kopflampen wieder absetzen und uns ins Erdgeschoß zum Abendessen vortasten.
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