Kolonialzeit

Kaiser, Kanäle, Konfuzius, 11.10. bis 02.11.2017

Exkursion durch das koloniale Qingdao bei etwa 18°C und teils bewölktem, teils sonnigem Himmel.

Vergesst Tsingtao nicht! Mahnte einst der deutsche Gouverneur der deutschen Schutzzone „Kiautschou“ deren Hauptstadt Qingdao war, als Qingdao 1914 von den Japanern belagert wurde. Wir haben es nicht vergessen und haben heute gleich einmal die noch verbliebenen historischen Bauten besichtigt. Bevor die deutschen Kolonialherren nach Qingdao kamen, war die Region nur ein Sammelsurium von kleinen Fischerdörfern. Erst die deutschen Marinesoldaten errichteten hier zwischen 1898 und 1919 die eigentliche Stadt Qingdao. Eigentlich nur bis 1914, denn da wurde ihnen Qingdao wieder von den Japanern abgenommen.

Durch den Laoshe Park schlenderten wir zur katholischen Kathedrale St. Michael. Sie ist die größere von den beiden noch erhaltenen Kirchen in Qingdao. Und wie es sich für eine Kirche gehört, wurde hier ordentlich geheiratet. Naja, zumindest Hochzeitsfotos gemacht. Das ist in China so üblich, dass man schon vor der Hochzeit ein Photoalbum zusammenstellt mit Motiven jeglicher Art. Je romantischer, desto besser. Die Kathedrale darf da nicht fehlen. Von der katholischen Kirche pilgerten wir zur evangelischen. Auf dem Weg dort hin begegneten uns immer wieder alten Häuser aus der Kolonialzeit, mal mehr, mal weniger verfallen. Die evangelische Kirche ähnelte etwas einer Burg und auch hier wurden wieder eifrig Hochzeitsfotos gemacht. Ganz schön heiratswütig die Chinesen. Besonders beeindruckend an der Kirche war die noch intakte Turmuhr von 1908, deren Uhrwerk man hinter einem Glaskasten genauestens studieren konnte.

Weil man dort angeblich einen tollen Blick rund über das alte Qingdao hat, spazierten wir zum Xinhaoshan-Park, der auf einem der höchsten Hügel von Qingdao liegt. Dort konnte man in einem sich drehenden Turm sitzen und sich quasi einmal rund um Qingdao fahren lassen.

Als nächstes besichtigten wir die ehemalige Gouverneurs Villa. Die war so beeindruckend gestaltet, dass sämtliche politischen Größen Chinas hier logierten. Mao Zedong hielt hier sogar eine Sitzung des Zentralkommitees ab.

Wenn man schon in Qingdao ist, dann darf ein Besuch der von den Deutschen gegründeten Tsingdao Brauerei und des dortigen Biermuseums nicht fehlen. Dort bekommt man nicht nur die Geschichte der Brauerei vermittelt, sondern bekommt auch eine Menge Einblicke in die Entwicklungsgeschichte der Stadt. Beim Umtrunk, der beim Besuch des Museums inkludiert ist, hatten wir noch ein besonderes Erlebnis. Es traf dort zeitgleich eine kleine deutsche Delegation ein, die von etlichen Journalisten und Fotografen begleitet wurde. Da man uns als Deutsche identifizierte, wurden wir gleich an den Tisch dort gebeten. Bei der Delegation handelte es sich um den Urenkel von Kaiser Wilhelm dem I., einem Prinzen aus dem Hause Hohenzollern, einen Bundestagsabgeordneten sowie einen Schweizer Unternehmer. Die drei haben zusammen in Berlin die „Königlich Preußische Biermanufaktur“ gegründet und waren hier wahrscheinlich auf Fortbildungslehrgang. Nun, einen Hohenzollern Prinzen trifft man auch nicht jeden Tag, dazu muss man erst nach Qingdao reisen.

Freitag der 13.

Entlang der Teestraße, 24.09. bis 16.11.2017

Aus den Teeplantagen nach Sanchahe

… ist zwar erst morgen, aber dieser Tag hatte es in sich und wir waren froh, als Donnerstag der 12. vorüber war.

Dabei hatte alles so gut begonnen: aus den Teeplantagen heraus führt die kleine Straße direkt durch einen Nationalpark: die Vegetation wird Djungel-ähnlich, die Bäume genauso wie die Luftfeuchtigkeit an den Steilhängen höher, und von den Monokulturen ist nichts mehr zu bemerken. Oben angekommen haben wir wechselweise einen Blick auf das dichte Grün oder die Wolkenfetzen unter uns und genießen die Hefeschnecken, die Xiao Luo heute früh noch aus einer Bäckerei in Pu`er besorgt hat. „Dafür muss man ab sechs Uhr anstehen, und jede Person darf nur zehn Stück mitnehmen“, erzählt Xiao Luo, „so begehrt und selten ist dieses Gebäck.“

In der zweiten Tageshälfte ist uns leider ein Kind ins Rad gelaufen, was hinterher glücklicherweise glimpflich für alle Beteiligten ausgegangen ist. Uns steckten der Schock und die Sorge jedoch noch den ganzen Tag in den Knochen. Schließlich gab es einen tropischen Platzregen und keinen Unterschlupf weit und breit. Nass bis auf die Haut und einige ziemlich durchgefroren (was auch bei den warmen Temperaturen vorkommen kann), wollten wir die letzten 30 km Abfahrt auf glitschiger Straße heute einfach nicht mehr riskieren. Mit einem zusätzlichen Auto ging es also zum Zielort, der mitten im „Wild Elephant Valley“ liegt. Ein rauschender Fluss hinter dem Haus, das Zirpen der Grillen und Zikaden und zahlreiche uns unbekannte Vogelstimmen – eigentlich schönste Urwaldkulisse – das alles nehmen wir nur noch am Rande wahr und fallen ziemlich erledigt in den Schlaf.


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Der Alte an der nördlichen Grenze verliert sein Pferd

Kaiser, Kanäle, Konfuzius, 11.10. bis 02.11.2017

Ankunft in Qingdao, der erste Schwung ist da. Erster Spaziergang am Wasser entlang bei milden Temperaturen und teils sogar sonnigem Wetter.

Ein altes chinesisches Sprichwort lautet: „Der Alte an der nördlichen Grenze verliert sein Pferd“. Und das traf heute auf die Ankunft unseres erstens Teils unserer Gruppe zu. Die Geschichte, die hinter dem Sprichwort steht, handelt von einem alten Mann, der nahe der nördlichen Grenze lebte. Eines nicht so schönen Tages lief ihm sein einziges Pferd weg. Die Leute aus dem naheliegenden Dorf kam an und bedauerten den Alten, doch der sagte nur: “Wer weiß, wozu es gut ist.“

Ein paar Tage später kam das Pferd mit einer Stute wieder zurück. Der Sohn des Alten machte sich gleich daran die Stute zu zähmen und sie zuzureiten. Dabei stürzte er von der Stute und brach sich ein Bein. Wieder kamen die Leute aus dem Dorf und bemitleideten den Alten. Jetzt habe er doch noch ein wenig Glück gehabt und eine Stute bekommen, aber nun habe sich sein einziger Sohn und seine einzige Hilfe das Bein gebrochen. Der Alte sagte wieder nur: “Wer weiß, wozu es gut ist.“

Ein paar Tage später kam ein Herold ins Dorf und verkündete, dass Krieg ausgebrochen sei. Alle wehrfähigen jungen Männer müssten in den Krieg ziehen. Der Sohn des Alten blieb natürlich verschont.

Die Geschichte passt auf die Ankunft unserer Gruppe, denn Wilfried verpasste aufgrund von einem wahnsinns Andrang am Zoll in Beijing seinen Weiterflug nach Qingdao. Er musste seinen Flug umbuchen lassen und wurde auf eine Maschine 3 Stunden später umgebucht. Dies war mit jeder Menge Anstellen an diversen Schaltern verbunden. Schließlich kam er verspätet und müde in Qingdao an. Der Vorteil an der Sache war allerdings, dass er zeitnah mit Nicole, der zweiten im Bunde, ankam und wir so alle zusammen mit dem Bus in die Stadt fahren konnten. Wer weiß wozu es gut ist.

Was ich mich dabei nur gefragt habe, warum musste ich gestern meinen Anschlussflug auch verpassen. Wozu das gut war, will mir nicht in den Sinn. Anscheinend fehlt mir noch das entscheidende Quäntchen chinesischer Weisheit.

Der Nachmittag verlief dann schon wesentlich entspannter als die Anreise verheißen ließ. Wir bummelten an der Strandpromenade entlang, über den Zhanqiao Pier der noch aus der deutschen Kolonialzeit stammt und weiter am Wasser entlang. Anschließend spazierten wir noch ein wenig durch die Stadt am kolonialen Bahnhof vorbei auf der Suche nach einer Bank. Denn so langsam stellte sich der Hunger ein, und um diesen zu beseitigen braucht man Renminbi. Hier in Qingdao bzw. in Shandong befinden wir uns in der Maultaschen-Provinz. An jeder Ecke gibt es Maultaschen und/oder Fisch und Meeresfrüchte. Also aßen wir Maultaschen mit Fisch und schlugen zwei Fliegen mit einer Klappe. Oder waren es Libellen? Von denen fliegen hier nämlich eine Menge herum. Aber jetzt geht’s ab in die Falle, denn der Jetlag lässt grüßen. Morgen ist ja auch noch ein Tag.

Endlich Tee

Entlang der Teestraße, 24.09. bis 16.11.2017

Von Pu`er in die Teeplantagen, 27 km, sehr hügelig

Dieser Tag steht ganz im Zeichen des Tees. Am Vormittag brechen Renate, Werner, Karlheinz und ich zum Teemarkt von Pu`er auf. Pu`er ist die Hauptstadt des gleichnamigen Tees, die diesen Namen allerdings erst 2007 bekam. Das heutige Ning`er, eine etwas chaotische kleinere Stadt, musste diesen Titel an das ehemalige Simao abgeben, was auf alten Karten, Orts- und Entfernungsbeschilderungen noch immer für Verwirrung sorgt.

Der Chayuan Guangchang ist ein Teegroßmarkt mit vielen Hallen und kleinen Läden, in denen alle möglichen Tees, Teezubehör und die dazugehörigen Möbel angeboten werden. Besonders beim Anblick der großen Teetische, die aus ganzen Baumstämmen mit gut zwei Metern Durchmesser und oft mehr als drei Meter Länge bestehen, blutet mir das Herz. Unvorstellbar, welche Urwaldriesen hierfür gefällt wurden. Aber wir sind ja wegen des Tees hier, und der mundet. Wir sind früh dran, und in den Geschäften ist es noch ruhig. So können wir in aller Ruhe Tee verkosten.

Der ungereifte Pu`er Tee ist heller in der Farbe und etwas bitter, auch wenn es sich um den begehrten „first flush“, also die ersten zarten Blätter der Teeernte im März, handelt. Der gereifte Tee hat dann die charakteristische rotbraune Farbe und ist rauchig im Geschmack, mit einer feinen Vanillenote, wie Renate findet. Der Tee, den wir verkosten, hat anscheinend in Guangzhou einen Preis gewonnen. „Diesen Tee kann man auch am Abend trinken“, antwortet eines der drei Mädels, die uns elegant durch die Teezeremonie führen, auf die Frage, ob man nach dem Teegenuss auch schlafen könne. Gut für die Verdauung, fettreduzierend, beruhigend, das sind alles Eigenschaften, die einem gereiften Pu`er Tee zugeschrieben werden. Er wird im Gegensatz zum Grüntee mit kochend heißem Wasser aufgegossen. „In dieser Gegend erreichen wir wegen der größeren Höhe allerdings nur 97 Grad Celsius“… so geht es eine Weile weiter und wir trinken einen Aufguss nach dem anderen (es sind bis zu 20 Aufgüsse möglich), der jeweils etwas anders schmeckt. Schließlich entscheiden wir uns für einen gereiften Tee, der traditionell in Fladen gepresst verkauft wird.

Schnell geht es zurück zum Hotel, und auf die Räder, denn wir wollen heute noch in die Teeplantagen fahren. Auf den knapp 30 km legen wir gut 600 HM zurück, es ist eben hügelig im Lande des Tees. Unterwegs entdecke ich die ersten Mimosen, die auch noch auf den Blog-Bildern zu sehen sind. Unsere Unterkunft liegt in den Teehängen, und wir verbringend den Nachmittag mit Entspannen und Spaziergängen durch den Tee.


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So schön kann Radeln sein

Entlang der Teestraße, 24.09. bis 16.11.2017

Von Zhenyuan über De`an nach Pu`er

Ab Zhenyuan begleitet uns Xiao Ding, weil sich Xiao Luo für ein paar Tage um die kleine Tochter kümmern muss. Es folgen zwei bergige Radtage, die jeweils über 1.000 HM für uns bereithalten. Dazu warmes Wetter, kaum Verkehr und eine tolle Landschaft, was will man mehr.  

Dicht bewaldete, steile Hügel, grün grün und nochmal grün, links von uns meist der Fluss. Am Morgen hängt der Nebel in den Hügeln, was der Szenerie eine mystische Stimmung verleiht. Spätestens zur Mittagspause ist es so warm, dass wir uns über jeden Schatten freuen und dafür auch mal auf der falschen Straßenseite fahren. Den wenigen Fahrzeugen, die hier unterwegs sind, scheint das nichts auszumachen.

Nach De`an sind es 87 km und 1.021 HM. Die erste Tageshälfte vergeht wie im Fluge. Wir halten nur ganz selten zum Fotografieren an, mir haben es beispielsweise die stacheligen Blätter und große schwarze Schmetterlinge angetan. In der Mittagspause sitzt eine kleine chinesische Gesellschaft neben uns, die fröhlich Schnaps trinkt und immer lauter wird. Wir probieren nur den Apfelsaft, der ein wenig nach Essig schmeckt und für unseren Geschmack etwas zu stark gezuckert ist. In der Auslage befinden sich auch Bambuswürmer und Bienenwaben, die wir aber dankend ablehnen und lieber nur gebratenen Reis bestellen.

Die unangefochtene Bergkönigin ist Renate. Das stellt sich auch wieder auf dem letzten Anstieg nach De`an heraus. Werner dagegen meistert die schnellsten Abfahrten, egal wie kurvig die Straße auch sein mag. Karlheinz fährt am liebsten in den großen Gängen. Carola findet heute riesige Schnecken und der andere Werner macht mit seinem orangenen Helm eine gute Figur in der grünen Umgebung.

De`an ist ein kleines Dorf, das noch von einem Lautsprecher mit Parolen beschallt wird. Die beginnen am Morgen kurz nach den Hähnen, ausschlafen kann man hier sicherlich nicht. Also sind auch wir vor acht auf der Straße. Die Strecke ist wegen Erweiterungsarbeiten zeitweise gesperrt, so dass wir am ersten Anstieg nahezu allein unterwegs sind. Oben angekommen zeigt sich kurz die Sonne, die Abfahrt im Nebel ist so kühl, dass man schon fast eine Jacke anziehen muss. Bis nach Pu`er sind es 106 km, und auf drei Anstiegen kommen knapp 1.600 HM zusammen.

Das frühe Aufstehen hat sich gelohnt: wir sind schon um vier Uhr in Pu`er, wo ich einen kleinen Zivilisationsschock bekomme. Die Räder stellen wir in die Tiefgarage des Hotels ab, statt Hühner- und Schweineställen befinden sich jetzt Bars und Restaurants in der unmittelbaren Umgebung, und zwar so viele, dass man sich kaum entscheiden kann. Die Ausgehmeile von Pu`er kommt sehr schick und großstädtisch herüber, es gibt Hochglanzgeschäfte und Musicbars mit stylischen Innenräumen, in denen angesagte Bands spielen. Bis zum Auftritt hat allerdings nur noch Werner durchgehalten. Uns anderen steckten die beiden schönen aber auch anstrengenden Radtage in den Knochen.


Strecke vom 09.10.2017 (Zhenyuan nach De’an)[map style=“width: auto; height:400px; margin:20px 0px 20px 0px; border: 1px solid black;“ gpx=“https://china-by-bike.de/blog/wp-content/uploads/2017-10-09_Cha173.gpx“]
Strecke vom 10.10.2017 (De’an nach Pu’er)[map style=“width: auto; height:400px; margin:20px 0px 20px 0px; border: 1px solid black;“ gpx=“https://china-by-bike.de/blog/wp-content/uploads/2017-10-10_Cha173.gpx“]

Berge, Bambus und Bananen

Entlang der Teestraße, 24.09. bis 16.11.2017

von Weishan über Nanjian nach Jingdong und Zhenyuan

… und vieles mehr. Ich mache einmal den Versuch, drei Radtage zusammenzufassen, was nicht so einfach ist, denn wir haben ziemlich viel erlebt.

In Weishan verbringen wir noch einen Vormittag, besichtigen u.a. das Nanzhao-Museum (über ein Königreich, das etwa von 600 bis 900 n.Chr. in dieser Gegend Yunnans bestand, und auf dessen Spuren man auf der Südlich der Wolken-Tour z.B. am Steinschatzberg stößt) und essen in einer angesagten Nudelbude zu Mittag, in der die Nudeln aus einem einzigen Teigfaden gezogen werden. Auf der kurzen Fahrt nach Nanjian, es geht 40 km tendenziell bergab, stoßen wir dagegen immer wieder auf die Spuren der heutigen Entwicklung: überall werden neue Straßen, Autobahnen und Eisenbahntrassen gebaut. In Nanjian werden wir herzlich von der Hotelchefin empfangen, es gibt Tee und Walnüsse (es ist gerade Erntezeit). Außerdem empfiehlt sie uns ein Restaurant am anderen Ende der Stadt. „Es ist ganz einfach, ihr fahrt bis zur Endstation des Elektrobusses, es gibt nur eine Linie, die immer die Hauptstraße auf- und abfährt“. So haben wir es auch gemacht und viel Freude dabei gehabt. Kleinstädte (Nanjian hat etwa 200.0000 Einwohner) sind immer wieder für eine Überraschung gut.

In Nanjian starten wir früh, eine Nudelbude hat glücklicherweise schon um halb acht geöffnet. Die Fahrt ist 108 km lang und wir überwinden dabei knapp 1.300 Höhenmeter. Die ersten 20 km geht es bis auf gut 2.000 m Höhe stetig bergauf, den Rest des Tages rollen wir an einem kleinen Fluss hinunter auf eine Höhe von 1.200 m. Ok, ein bisschen in die Pedale treten muss man dafür schon. Zwischendurch trifft Xiao Luo an einem Obststand eine alte Freundin, die Welt ist klein. Spätestens heute beginnt der zumindest für mich botanisch interessante Teil der Tour: jetzt tauchen riesige Bambuswälder und die ersten Bananen auf. Nach einer letzten Rast in der üppigen Vegetation landen wir im Hotel von Xiao Luos Schwester und essen mit der Familie zu Abend: Mutter, Sohn und Tochter sind alle dabei, und schließlich kommt auch noch der Ehemann Xiao Ding dazu, der in den letzten Woche eine andere China by Bike Radgruppe begleitet hat. Ein schöner Abend mit Familienanschluss!

70 Kilometer nahezu eben (es sind dann doch noch knapp 700 HM zustande gekommen) laden zu zahlreichen Fotostopps ein. In dieser Gegend, zwischen dem Fluss und den Bergen, wird unglaublich viel angebaut: Zuckerrohr, Taro, Reis und Tabak waren uns schon bekannt. Dass hier auch Maulbeerbäume in großer Anzahl gepflanzt werden, war zumindest mir neu. „Die kleinen Büsche, dessen Blätter an Bambus erinnern, sind übrigens Ingwer“ beantwortet Xiao Luo meine Frage von gestern. Und tatsächlich entdecke ich die Pflanze in fast jedem Gemüsebeet. Aus den Plastikplanen dagegen sprießt meist Chili. Auch die Plantagen der Drachenfrucht, die wir neben den kleinen Bananen in den Obstpausen genießen, sind uns jetzt bekannt. Alles, was ich nicht kenne und häufig auf den Feldern sehe, wird fotografiert und später nachgefragt. Vielleicht können wir es in der nächsten Pause oder am Abend in einer Garküche bestellen (die blau blühenden Wasserhyazinthen sind eher für das Vieh bestimmt)… heute Abend gab es allerdings Fisch-Hotpot, die Wahl war auf einen Stör gefallen. Dafür mussten wir allerdings ein paar Minuten am neu angelegten Parkstreifen am Kanal entlang spazieren. Denn Neu-Zhenyuan ist eine zwar schon gebaute und hübsche saubere Stadt, steht aber zum größten Teil noch leer. Die wenigen Geschäfte bieten meist Tee an, und die großen Bauten lassen ahnen, dass einige Geschäftsleute bereits hier mit Tee gutes Geld verdienen. Die ersten Teebüsche haben wir gestern gesehen, aber eher vereinzelt, das wird noch besser werden. Gegen Ende der Etappe haben wir einem Stück Holperstraße Tribut gezahlt: beim Bruch des Schaltwerks ist glücklicherweise nur dem Fahrrad etwas passiert.
Sämtliche genannte Pflanzen und einige mehr finden sich in den Bildern wieder:


Stecke vom 06.10.2017 (Weishan nach Nanjian)[map style=“width: auto; height:400px; margin:20px 0px 20px 0px; border: 1px solid black;“ gpx=“https://china-by-bike.de/blog/wp-content/uploads/2017-10-06_Cha173.gpx“]
Strecke vom 07.10.2017 (Nanjian nach Jingdong)[map style=“width: auto; height:400px; margin:20px 0px 20px 0px; border: 1px solid black;“ gpx=“https://china-by-bike.de/blog/wp-content/uploads/2017-10-07_Cha173.gpx“]
Strecke vom 08.10.2017 (Jingdong nach Zhenyuan)[map style=“width: auto; height:400px; margin:20px 0px 20px 0px; border: 1px solid black;“ gpx=“https://china-by-bike.de/blog/wp-content/uploads/2017-10-08_Cha173.gpx“]

Pannenstatistik – und Udo war auch dabei!

China Wildside , 16.09. bis bis 08.10.2017

Rückkehr nach Changsha

Nach turbulenten und ereignisreichen Tagen neigt sich nun unserer Reise dem Ende zu. Unsere Drahtesel sind bereits gepackt und gestriegelt auf dem Weg zurück nach Jishou. Nach etwa 830 km Fahrt und 8500 überwundenen Höhenmetern haben sie ihren Dienst getan. Neben unzähligen Plattfüßen ist nur eine Speiche gerissen. Den Sieg in der Pannenstatistik gebührt Michael, der mit der zerstörten Speiche am letzten Tag und einem nachträglichen Platten in letzter Sekunde an Helmut vorbeigezogen ist.

So verlasse wir in aller Frühe Fenghuang, die Stadt des Phönix. Noch ist es dunkel. Zu unsere linken rauscht der Fluß, die Gassen sind menschenleer – ein ungewohntes Bild. An der Brücke zur Straße verfrachten wir uns in vier Taxen und sausen zum Busbahnhof. Kein Stau hier – auch das ungewöhnlich. Am Busbahnhof stehen wir erstmal rum wie bestellt und nicht abgeholt…..Ich habe nur einen zerknüllten rosa Durchschlag einer Quittung. Nach mehrmaligen Nachfragen beruhige ich mich: der Wisch ist tatsächlich ausreichend und gültig als Fahrkarte und zu guter Letzt sitzen wir um 7:30 Uhr im Bus nach Changsha. Außer einem kleinen Stau verläuft alles reibungslos.

In Changsha angekommen, heißt es bereits Abschied nehmen: Änne, Adrienne und Helmut fliegen schon heute zurück. Nach einer letzten gemeinsamen Nudelsuppe trennen wir uns. Die drei Bremer brechen zum Flughafen auf, Angela, Johannes, Monika, Luzy, Paul und ich verbringen den Rest des Tages in einem riesigen Park mit inkludierter „Vergnügungsmeile“. Am besten ist die Geisterbahn. Oben scheint noch alles in bester Ordnung: Wir werden begrüßt von einem lachenden Buddha und einem pinkelnden Manneken Pis. Der Zusammenhang erschließt sich uns nicht wirklich. Egal – wir steigen enge Treppen hinab in den Untergrund und landen direkt in der buddhistischen Hölle. Komplett unbeleuchtet mit ratternden, knatternden, blinkenden, schreienden Dämonen, Tieren und Gequälten. Abgetrennte Köpfe aus Pappmache fliegen durch die Luft. Eine Figur wird zersägt, an einer anderen knabbern wilde Tiere und, und, und. Es ist ein Erlebnis! Geläutert erscheinen wir nach einer gefühlten Ewigkeit an der Oberfläche. In einer Ecke hängt Udo Lindenberg (wie man auf dem Foto sehen kann). Was der mit dem hiesigen Buddhismus zu tun hat, ist uns ebenfalls unklar.

Außerdem haben wir andere Sorgen, denn mittlerweile ist es dunkel geworden und der Limbus hat uns an einer andern Stelle wieder ausgespuckt. Wir stehen also einigermaßen orientierungslos am Höllentor. Gottseidank ist der Park gut ausgeschildert und so finden wir recht reibungslos einen Ausgang und begeben uns im Stechschritt zum Hotel wo wir uns mit Michael und Paul zu unserem letzten Abendmahl treffen, bevor auch wir morgen, zumindest für dieses Mal, von China Abschied nehmen müssen.

Komplette Tour:[map style=“width: auto; height:400px; margin:20px 0px 20px 0px; border: 1px solid black;“ gpx=“https://china-by-bike.de/blog/wp-content/uploads/Xiang171_komplett.gpx“]

Menschen, Lichter, Höhlen

China Wildside , 16.09. bis bis 08.10.2017

Fenghuang und Umgebung

Jetzt sind wir in Fenghuang und hier ist der „Teufel“ los. Denn ganz China ist während der „goldenen Woche“ (Feierwoche um dem 1. Oktober – Gründung der Volksrepublik) unterwegs. In der Stadt geht es zu wie in der japanischen U-Bahn: Eine einzige organische Masse, die durch die Stadt schiebt und drängt, keine andere Chance als sich darin aufzugeben.

Wir wohnen in direkter Nachbarschaft zur Barstraße und hier wird gefeiert was das Zeug hält. Ohrenbetäubender Lärm und der Geruch von Bier, das über Holzplanken fließt. Zudem gab es einen Temperatursturz. Haben wir uns noch vor einigen Tagen bei 35°C im Schatten steile Bergpfade hochgekämpft. klappern uns jetzt bei etwa 14°C die Zähne. Was tun? Der verbliebene Rest unserer gerupften Truppe (Adrienne, Änne, Michael fallen aus gesundheitlichen Gründen aus), der sich noch in einigermaßen körperlicher Verfassung befindet, sattelt die Räder und es geht durch den dichten und lauten Vormittagsverkehr in eine Tropfsteinhöhle in die Nähere Umgebung.

Eine gute Entscheidung: Das Areal erweist sich als durchaus beeindruckend. Die weitläufigen Gänge, Hallen und Flussläufe sind durch farbige Beleuchtung stilvoll in Szene gesetzt. Außerdem ist das Klima in der Höhle angenehm warm und feucht. Ein Segen für meine geschundenen Atemwege.

Auf dem Rückweg stärken wir uns mit einer kleinen Mahlzeit, dann stürzen wir uns in den Verkehr – im wahrsten Sinne des Wortes. Alles ist verstopft. Busse, Autos Menschen Mopeds, Räder – alles gleichzeitig auf der Straße. Jede Ritze, jeder Spalt wird genutzt. Wir zwängen uns irgendwie durch, fahren kreuz und quer, tragen unsere Räder über Absperrungen und haben es irgendwann geschafft.

Strecke 05.10.2017:[map style=“width: auto; height:400px; margin:20px 0px 20px 0px; border: 1px solid black;“ gpx=“https://china-by-bike.de/blog/wp-content/uploads/2017-10-05_Xiang171.gpx“]

Weishan und sein daoistischer Berg

Entlang der Teestraße, 24.09. bis 16.11.2017

Ausflug zum daoistischen Weibaoshan, 13 km, 500 Höhenmeter

Zum Ruhetag in Weishan möchte ich die Bilder sprechen lassen. Ruhetag heißt übrigens, dass Renate, die beiden Werner und ich nur 13 Kilometer zum daoistischen Weibaoshan geradet sind. Weil immer noch Feiertagswoche ist, waren die etwa 400 Jahren alten Tempel gut besucht und eine meditative Hintergrundmusik eingeschaltet. Der Daoismus hat sich mir noch nie so richtig erschlossen, aber vielleicht macht gerade das den Reiz aus.

Nach dem Abendessen schlendern wir wieder durch die Fußgängerzone Weishans und bleiben an dem einen oder anderen Stand mit getrockneten Früchten und kandierten Walnüssen hängen. Gut, dass es ab morgen wieder richtig aufs Rad geht.


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Mondfest

Entlang der Teestraße, 24.09. bis 16.11.2017

Von Xiangyun nach Weishan, 97 km

Heute Abend zirpen die Grillen sehr laut. Die chinesische Familie im Innenhof ist dagegen ziemlich leise, und das will etwas heißen. Es ist Mondfest, also ein bestimmter Vollmond im Herbst, der nach dem Bauernkalender bestimmt wird. An diesem Tag kommt die Familie zusammen, schaut in den Himmel und isst. Dabei geht es eher beschaulich zu.

Apropos Essen: auf die Nudelsuppe haben wir heute früh verzichtet und dafür Leckereien aus der chinesischen Bäckerei und Baozi mit süßer Bohnenpasten- und Pilzfüllung gegessen, die wir am Stand mit den vielen großen silbernen Dampfeinsätzen erstanden haben. Kurz nach der Stadtausfahrt aus Xiangyun lassen wir erst einmal unsere Räder vom Schlamm befreien, von der Dame am Truckstop. Nach 58 Kilometern machen wir eine kleine Obst- und Kekspause in einem kleinen Park. Der Schatten tut gut und außer uns haben sich auch einige Chinesen ins Gras gesetzt, um zu entspannen. Kurz darauf gibt es einen Regenschauer, der die Luft reinigt und uns eine staubfreie Weiterfahrt ermöglicht. Bei unserem heutigen Nudesuppenstopp sehen wir an den ersten Papayabäumen, dass wir uns ein gutes Stück nach Süden bewegt haben. Es ist herrlich warm und wir könnten noch Stunden hier sitzen bleiben…

Die letzten Kilometer nach Weishan sind purer Genuss: leichte Steigung, tolle Landschaft, kaum Verkehr, keine Baustellen.

In Weishan lassen wir die Seele baumeln: im Innenhof des Hotels im Stil einer alten Karawanserei kann man prima sitzen, im nahen Restaurant herrscht reger Feiertagsbetrieb und die hübsch beleuchtete Altstadt lädt zum Schlendern ein. Nur die Bedienung der chinesischen Waschmaschine ist nicht ganz einfach: Wäsche von oben einfüllen und Wasser einlassen bekommen wir gut hin, nur der Abfluss funktioniert nicht. Also muss die Wäsche ganz altmodisch in der großen Schüssel ausgespült werden. Bei der warmen Witterung sollte sie bis morgen getrocknet sein. Yunnan im Herbst ist einfach toll, um denn kurzen europäischen Sommer etwas zu verlängern!


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