Heute mal am anderen Fluss

Die Oberen Schluchten des Mekong, vom 12.09. bis 03.10.2019

Von Tacheng nach Shigu, 108 km, davon über 60 km im Regen, etwa 880 HM

Eigentlich heißt sie ja Mythos Mekong, unsere lange Tour. Heute sind wir aber über 100 km am Jangtse entlang geradelt. Durch kleine Dörfer, einige Schlammlöcher und vor allem an Tabakfeldern vorbei. Immer begleitet von den tief hängenden Wolken, vor denen es irgendwann kein Entkommen gab. Weil wir schon um vier Uhr angekommen sind, und es just in diesem Augenblick zu regnen aufhörte, blieb noch Zeit für einen kleinen Dorfspaziergang. Was sich als sehr gefährlich herausstellte, denn schon im Hof der Unterkunft war es total glitschig. Irgendwo brach dann noch das Holz ein…  trotzdem haben wir es unfallfrei bis zum Fluss herunter geschafft, zu der Stelle, an der der Jangtse seine berühmte erste 180-Grad-Biegung macht, und Mao auf dem langen Marsch übergesetzt ist. Trotz der Berühmtheit ist Shigu ein eher ärmliches Dorf geblieben, vom Tourismusboom vergleichbar mit Dali oder Lijiang ist hier nicht viel hängengeblieben. Gerade klopft es an der Zimmertür, die Polizei braucht doch noch unsere Pässe. Die Feiertagswoche rückt näher, 70 Jahre VR China, da nimmt man es mit den Vorschriften lieber genau.

PS: Bilder von der Radstrecke folgen, weil meine Kamera wegen Regen heute in der Radtasche geblieben ist und ich erst noch Bilder von den anderen sammeln muss.


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Gorillas im Nebel?

Die Oberen Schluchten des Mekong, vom 12.09. bis 03.10.2019

Ruhetag in Tacheng

… nein, es waren keine Gorillas, sondern die wesentlich kleineren Yunnan Goldstumpfnasenaffen (Rhinopithecus Bieti). Und zu dem Nebel kam eine gute Portion Regen dazu. Auf Chinesisch heißen sie Yunnan Goldfellaffen (滇金丝猴), auf Deutsch müßte man wohl korrekterweise Schwarzstumpfnasenaffen sagen. Jedenfalls leben in diesem Schutzgebiet bei Tacheng etwa 70 Tiere, die sich in zehn Familien aufteilen. Das erklärt uns die Nationalparkmitarbeiterin, die nach einer Fahrt im offenen Sightseeingwagen noch eine halbe Stunde mit uns den Berg hinaufsteigt. In einem ziemlichen Tempo, so dass mir zu warm wird, obwohl es hier oben ziemlich kalt ist. Haben wir bisher nicht gefroren, so tun wir das heute. Alle? Nein, Klaus ist gegen Kälte immun und in kurzen Hosen unterwegs.

Auf die Affen müssen wir nicht warten, denn sie werden anscheinend jeden Morgen angefüttert, damit sie zu der Stelle hinunterkommen, an dem die Kameras warten. Was sie bekommen, haben wir nicht gesehen. Jedenfalls halten sich bestimmt 30 Tiere hier auf und fressen Blätter, sitzen ein paar Meter vor uns entfernt oder turnen in den Bäumen herum. Das dünne Seil ist wohl eher für die Besucher als für die Affen gedacht. Nach etwa einer halben Stunde haben wir genügend Fotos geschossen und die feuchte Kälte kriecht in die Knochen. Brrrrr, so stellt man sich einen Nebelwald vor. So richtig warm wird es uns erst wieder nach der recht scharfen Nudelsuppe im Hotel. Danach ist Ausspannen angesagt. Das einzige, was man hier außer einem kleinen Dorfspaziergang bei dem anhaltenen Regenwetter machen kann.

PS: Diese Affenart ist endemisch und kommt in Yunnan und kleinen Teilen Tibets und Myanmars vor. Es gibt anscheinend nur etwa 1.700 Exemplare dieser Art und sie gelten als gefährdet. Dieser Population scheint es ganz gut zu gehen. Und das, obwohl (oder weil?) sie sich ihren Lebensraum mit einigen Dorfbewohnern im Schutzgebiet teilen.


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Chinesische Landpartie

Die Oberen Schluchten des Mekong, vom 12.09. bis 03.10.2019

Von Weixi nach Tacheng, 86 km, 885 Höhenmeter

Mit nur 86 km und unter 1.000 Höhenmetern war es heute ein schön entspannter Radtag. So viel chinesisches Landleben wie heute habe ich selten fotografiert. Ob Reisernte, Holzblockhäuser oder winkende Kinder, diese Strecke an der Straße 215 könnte ganze Fotobücher füllen. Dabei haben wir einfach nur vom Mekong- ins Jangtsetal gequert, hier ist vor allem die Volksgruppe der Lisu ansässig. Nach einem 700m Aufstieg folgen wir einem kleinen Wasserlauf, der sich durch die grünen Hügel windet.

In der Gegend herrscht gerade eine Schweinepest, an allen Ausfahrten und Ortseingängen sind mit Desinfektionsmittel durchtränkte Tücher ausgelegt, über die gefahren werden muss, die Fahrzeuge werden teilweise sogar abgespritzt. Auch wir rollen immer wieder über diese Tücher. Einmal wollen wir eine kleine Brücke überqueren, die aber gesperrt ist, uns bleibt nichts anderes übrig, als die Räder über die Absperrung zu tragen.

Übringens ist Emmerich der unangefochtene Bergkönig, in dem alle anderen ihren Meister gefunden haben. Morgen legen wir aber erst einmal einen Ruhetag ein, um auszuspannnen und uns die Yunnan-Stumpfnasenafffen anzusehen.


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Auf und Ab am Mekong

Die Oberen Schluchten des Mekong, vom 12.09. bis 03.10.2019

Von Cizhong nach Weixi, 138 km, über 1.200 Höhenmeter

Nach der obligatorischen Nudelsuppe und dem Gruppenfoto mit der Familie des Gästehauses geht es auch schon los: Auf und Ab, am Mekong entlang, Auf und Ab und Auf und Ab. Dabei sind auf 138 km gute 1.200 Höhenmter zusammengekommen. So genau weiß ich es nicht, weil sich mein Garmin verabschiedet hat. Es will einfach keine Satelliten mehr finden, obwohl über China genügend Satelliten herumkreisen.

Nach einigen Tunnels ziehen die ersten Reisfelder vorbei. Die Landschaft ist nicht mehr so spektakulär wie gestern, eher lieblich mit vielen Dörfern in den Hängen und noch mehr Landwirtschaft. Der Mais ist geerntet und hängt zum Trocknen an den Balkonen, der Reis wird teils auch schon eingeholt, außerdem ist Walnusszeit. Die ersten Blättter verfärben sich, es wird langsam Herst in Yunnan. Zwei Staustufen passieren wir, danach wird der Mekong wieder zu dem reißenden Fluss, den wir gestern kennengelernt haben. Im letzten Drittel der Fahrt verlassen wir das Mekongtal und biegen in Richtung Jangtse ab. Kurz vor unserem Zielort Weixi, den wir kurz nach sechs erreichen, nimmt der Verkehr dann zu. Es war ein langer Tag und ich bin froh, mal nicht mehr auf dem Sattel zu sitzen, und gleich in mein Kingsize Bett zu fallen, deswegen sollen diese Bilder genügen:

Von Kirchen und Wein am Mekong

Die Oberen Schluchten des Mekong, vom 12.09. bis 03.10.2019

Von Deqin nach Cizhong, 70 km, davon etwa 1.500 m Abstieg und meist am Mekong entlang

Die Grillen zirpen, nebenan rauscht der Bach, und auch die anderen Gäste aus Dali verabschieden sich langsam in ihre Betten. Wir sind angenehm satt und haben ausgiebig vom Rotwein gekostet, den wir den Missionaren aus der 1880er Jahren zu verdanken haben.

Heute früh hingen die Wolken tief, auf der steilen Abfahrt Richtung Mekong hat es noch geregnet. Am Mekong wird es dann besser, ein Panorama jagt das nächste. Was ist die berühmte erste Biegung des Jangste schon gegen jene Wendungen, die der Mekong hier nimmt. Gegen halb drei kommen wir in Cizhong an. Der kleine Ort ist bekannt für seine katholiche Kirche, die während der Tibetmission in den 1880er Jahren von französischen Jesuiten hier aufgebaut wurde. Wir unterhalten uns mit einem der beiden Pfarrer. „Wir halten hier unsere Sonntagsmesse mal auf Chinesisch und mal auf Tibetisch. Denn einer unserer Pfarrer kommt aus Tibet.“ erzählt er. Ein Gehalt bekommen sie nicht. Sie sind von den Spenden der 600-Seelen-Gemeinde abhängig. „Sonnatgs ist die Kirche voll, etwa 100 Gläubige kommen hierher“. Der Rest muss auf dem Feld arbeiten oder ist anderswo beschäftigt. Ein ganz guter Schnitt, wie ich finde. Ganz in der Nähe gibt es noch vier andere Kirchen, die die Pfarrer bedienen müssen. Auch in China herrscht ein Mangel an Nachwuchspriestern. Eine Haushälterin haben sie nicht, Rente gibt es keine, also arbeitet der hiesige Pfarrer so lange es geht. Ich frage nach Messdienern. Die kenne er, habe aber keine. Ich erzähle, dass in Deutschland die Pfarrer oft Freundinnen haben, heimlich natürlich. Er lacht, ja, natürlich sei das in China auch so, genauso heimlich. Aber in der Stadt sei es einfacher, in einem kleinen Dorf eher unüblich.

Nach dem Rundgang durch die Kirche finden wir uns bald wieder in unserer Herberge ein. Wir haben schöne Holzzimmer im Obergeschoss, davor eine kleine Dachterrasse, auf der wir unsere Wäsche trocknen. Das Abendessen stammt wieder aus dem Gemüsegarten hinter dem Haus, der Weinberg ist etwas weiter entfernt. Der Wein schmeckt etwas ungewöhnlich, aber nicht schlecht. Schließlich sitzen wir zu zehnt am Tisch. Zu uns sechst gesellen sich unsere Fahrer Xiao Luo und Xiao Ding, ihre Tochter WenWen und die etwa gleichaltrige Tochter des Hauses, die froh ist, eine Spielkameradin gefunden zu haben. Nebenan sitzen ein paar Gäste aus Dali, die sich ihr Abendessen selbst gekocht haben. Bei Wein und Schnaps wird es gesellig, so lässt es sich leben. Unser Dank gilt hier den Missionaren, die mit der Religion auch den Weinanbau in diese Gegend gebracht haben.

Abendessen bei den katholischen Gastgebern:

Ausspannen mit Aussicht

Die Oberen Schluchten des Mekong, vom 12.09. bis 03.10.2019

Halbtagesausflug zum Feilai Tempel und Ausspannen mit Aussicht

Bilderbuchwetter am Meili Snow Mountain. Deswegen sollen heute auch hauptsächlich die Bilder sprechen. Nur so viel: wir hatten wirklich Glück, die Sonne scheint, es ist warm, und wir haben den Feilai Tempel und die große Aussichtsplattform mit den Stupas wieder einmal fast für uns allein. Bis auf eine Gruppe, die ein Video für den nächsten Vermarktungsfilm dreht. 

„40 Yuan Eintritt zur Plattform? Was gibt es denn da alles zu machen?“ frage ich mal, obwohl der Blick auf die gegenüberliegende Kette der Meili Schneeberge schon umwerfend ist. „Ihr könnt noch 8 Kilometer um den kleinen Hügel fahren, fast flach, mit den Fahrrädern wohl kein Problem“, war die Antwort der Ticketverkäuferin. Das war der Tipp des Tages. Denn die Rundfahrt auf der kleinen Straße gibt nach und nach den Blick in jede Richtung frei. Völlig ohne Verkehr und einfach zum Genießen. Den Rest des Ausflugs verbringen wir damit, auf die Berge zu schauen und abzuschalten. Es war toll, obwohl sich die Spitze des höchsten Gipfels nicht ganz gezeigt hat. 

PS: Der höchste Gipfel der Meili Snow Mountains ist der 6.740 m hohe Karwa Karpo, der noch nie bestiegen wurde. Nachdem eine 17-köpfige Expedition Anfang 1991 an diesem Berg verunglückt ist, wurden weitere Versuche verboten. Wir haben zwar nicht den Karwa Karpo, aber dafür die Spitze des 6.379 m hohen Nairi Dingka Gipfels gesehen.

PPS: Später gab es noch Massage für alle und eines der besten Essen auf dieser Tour.


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Der verlorene Blog vom Dach der Tour

Die Oberen Schluchten des Mekong, vom 12.09. bis 03.10.2019

Von Shusong nach Deqin, zwei irreguläre und ein gesperrter Tunnel, wir knacken die 4.000er Grenze, 62 km, 1.098 HM

Ich war fest überzeugt, diesen Blogbeitrag geschrieben zu haben. Zumindest sind die Bilder schon ausgewählt gewesen und die Gedanken geordnet. Vielleicht liegt es an der Höhe und an dem ungewöhlichen Tagesverlauf, dass ich den Blog vergessen habe, oder er ist einfach irgendwo in den Tiefen des Netzes verschwunden. Aufgefallen ist es mir zu Hause, beim Zusammenstellen der Statistik. Also folgt sie hier im Nachhinein, die offizielle Königsetappe und das Dach der Tour.

Wir frühstücken um sieben, es ist noch dunkel, das erste Licht breitet sich über den Bergen aus. Bei der Abfahrt um acht Uhr ist es schon heller, und angenehm kühl im Vergleich zur extrem intensiven Nachmittagssonne. Durch dichte Wälder mit vielen Flechten geht es Serpentine um Serpentine nach oben. Es ist schon anstrengend, in der Höhe zu fahren, aber unglaublich schön. Ich freue mich auf den Gipfel, denn der Tag verspricht gutes Wetter und entsprechende Sicht – es geht auch anders, eine Gruppen hatte hier wohl Schneegestöber.

Aber dann, kurz vor dem Abzweig zum Gipfel, folgt die Überraschung des Tages: die neue Straße ist fertig, und in ihrem Bergmodus sind Emmerich, Harald und Klaus verständlicherweise dort weitergefahren und haben das Auto und den unscheinbaren Abzweig zum Gipfel natürlich rechts liegen gelassen. So weit so gut. Wären da nicht zwei Tunnels gewesen, jeweils etwa 5 km lang. Der erste war eigentlich noch nicht fertig, es fehlte die Beleuchtung und der Bodenbelag. Die Arbeiten daran wirbeln den Staub auf, die Sicht liegt bei einem halben Meter bis gleich null. Claudia, Ulrike und ich haben es vergleichsweise leicht, weil Xiao Ding direkt mit dem Begeitauto hinter uns herfährt und den Staub anstrahlt. Die drei Jungs vor uns hatten es schwerer. Jeder von ihnen hat sich allein auf den Weg ins ungewisse Dunkel gemacht. Tapfer tapfer. Harald war sich nach dem Tunnel seiner Sache nicht sicher und muss bei der ansteigenden Wartezeit einen so verlassenen Eindruck gemacht haben, dass ihn eine chinesische Reisegruppe erst mit Selfies unterhalten und dann mit Lebensmitteln versogt hat. Wir haben es überstanden und werden noch lange etwas zu erzählen haben.

Den Gipfel haben wir verpasst, die 4.000er Marke aber trotzdem geknackt. Ich muss also wohl oder übel wiederkommen, um das Versäumnis nachzuholen. Unterwegs treffen wir einen chinesischen Radfahrer, der seit 176 Tagen unterwegs ist, über 17.000 km zurückgelegt hat und noch knapp zwei Monate bis nach Kanton vor sich hat. Alle Achtung, er tritt mit seinem schweren Gepäck in die Pedale und ist mühelos den Berg hinauf entschwunden. 

Ein kurzer Tunnel stand heute offiziell auf dem Plan. Den hätten wir auch genommen, wenn er nicht gesperrt gewesen wäre. Manchmal kommt es eben anders. Doch dieser Umweg hat uns außer einigen Höhemetern auch noch eine tolle erste Aussicht auf die Meili Snow Mountains beschert. Ich bin mir nicht sicher, ob die Sicht vom Gipfel so gut gewesen wäre, und bin schon wieder versöhnt. Eigentlich kostet die Plattform Eintritt, aber heute sitzt niemand im Tickethäuschen, diesen Bonus nehmen wir gern an. 

Kurz vor Deqin, auf einer Aussichtsplattform mit Blick auf die Stadt, die sich im Tal entlang zieht, habe ich den zweiten und letzten Platten der Tour. Pffffffffffff, Luft komplett raus. Also noch schnell flicken, während sich die anderen mit dem zweiten Radfahrer, den wir immer wiedertreffen, unterhalten. Er hat sein Zelt als Nachtlager auf der Plattform aufgebaut. Auch nicht schlecht. Etwas später als erwartet treffen wir im Hotel in Deqin ein. Ich freue mich schon auf den morgigen Tagesausflug, und vergesse wohl darüber den Blog.

PS: Der Mingyong Gletscher, den wir heute gesehen haben, erstreckt sich anscheinend von über 6.700 m bis hinab auf 2.700 m Höhe und ist damit der am niedrigsten gelegende Gletscher Chinas und einer der tiefsten Gletscher weltweit. Er speist sich vom Niederschlag der Regenzeit. So etwas war mir Flachlandtiroler neu und ich nehme mir vor, unseren Bergspezialisten Emmerich danach zu befragen.


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Waschtag im Ökohotel

Die Oberen Schluchten des Mekong, vom 12.09. bis 03.10.2019

Von Benzilan nach Shusong, 35 km, über 1.170 Höhenmeter

Heute haben wir Zeit. Es wird Wäsche gewaschen, gelesen und geschrieben. Harald repariert seinen Koffer. Dabei haben wir auf 35 Kilometer schon 1.176 Höhenmeter gemacht, das Kloster Dongzhulin besichtigt und die obligatorische Nudelsuppe gegessen. Trotzdem erreichen wir das „Ökohotel“, wie Volker es während seiner letzten Tour getauft hat, um halb drei. Es gibt einen gut bestückten Gemüsegarten, eine Wäscheleine und kein WLan. Richtig Urlaub also. Die Temperaturunterschiede sind enorm. Bei der Ankunft auf ca. 3.100 m Höhe hat es leicht genieselt und es war kühl. Jetzt ist die Sonne herausgekommen und wir haben uns optimistisch die Stühle vor die Tür gestellt. Schließlich hat es nur noch Emmerich ausgehallten, die Sonne ist einfach intensiv.

Im Kloster Dongzhulin hatten wir Glück. Acht Mönche lagen auf einer großen Platte und arbeiteten an einem Sandmandala. Sie nutzen dafür sehr kräftige Farben. Die Farbe besteht aus feinen Körnern und wird zuerst in eine Art Metalltrichter gegossen, und anschießend herausgeklopft. Oder besser gesagt herausgerieben, denn der Trichter hat eine sägezahnähnliche Leiste, auf der vorsichtig gerieben wird, um die Körner auch ja an die richtige Stelle rieseln zu lassen. Ein älterer Mönch begutachtet das entstehende Werk kritisch, um immer wieder Korrekturen anzumahnen. Hier ist es nicht gerade, da muss noch etwas Sand hinzugefügt werden. Für das ganze Bild brauchen sie vier Tage. Heute haben sie angefangen. Das ganze Kloster ist sehr sehenswert, das meiste neu und von hoher Qualität. Wir dürfen die steilen Treppen über zwei Etagen bis ins Obergeschoss hochsteigen, wo ein Mönch eine Trommel schlägt. Vielleicht übt er für Trancetänze? Sie ist jedenfalls laut und rhythmisch ansteigend. Hoffentlich hat der Trommler Ohrstöpsel, denn für uns ist es schon kaum auszuhalten. Weil in den Hallen fotografieren nicht erlaubt ist, ist hier die Fantasie der Leser gefragt.

Unser Mittagessenn nehmen wir in einem kleinen Straßenrestaurant ein. Nudelsuppe und gebratener Reis steht auf der Karte. Unterwegs haben wir auch die Große Biegung des Jangtse bewundert, einer der 180-Grad-Schleifen, die den Kurs des Flusses stark verändert. Die etwas berühmtere Erste Biegung werden wir noch sehen, wenn wir nach Shigu kommen.

Die recht steilen Hänge sind von kleinen Straßen durchzogen, die sich in Serpentinen bis nach oben winden. Wir folgen der Straße 214, die hier etwas gemächlichere Serpentinen aufweist. Es ist eine alte Handelsroute, die bis nach Lhasa führt. Diese Route wird spätestens seit der Olympiade in Peking 2008 auch gern von einheimischen Radfahrern genutzt. Direkt nach der Olympiade hat es einen regelrechten Boom auf dieser Route nach Lhasa gegeben. Heute haben wir jedenfalls zwei chinesische Radfahrer mit Gepäck getroffen, der eine ist auf dem Weg von Lijiang nach Lhasa und plant dafür 18 Tage ein. Der andere hat wie wir den Meili Snow Mountain zum Ziel. Zwei weitere sind uns entgegen gekommen. Wir biegen ab Deqin nach Süden ab. Mal sehen, ob wir dann auch noch auf andere Radfahrer treffen.

PS: Heute hatten wir auch unseren ersten Platten der Tour. Harald hat den Anfang gemacht.


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Eine unglaubliche Geschichte

Die Oberen Schluchten des Mekong, vom 12.09. bis 03.10.2019

Von Balagezhong nach Benzilan, mit einem halben Tag Staunen in Balagezhong

Unser Hotel ist ein Kaderhotel, das Frühstücksbuffet gibt es in einer großen Halle mit noch größerem Bildschirm. Dort wird schon die Geschichte von Balagezhong erzählt.

Sightseeing auf Chinesisch bedeutet meist: in einen Bus einsteigen, sich vom Guide am Mikrofon berieseln lassen, dann und wann ein Fotostopp und gemeinsames Mittagessen. Alles hübsch bemessen und am besten keinen Schritt von der Masse entfernen. Wir haben Glück, den frühen ersten Bus wollen außer uns sechs Langnasen nur noch zwei Touristen aus Vietnam und drei Reisende aus China nehmen. Also keine Gruppen, keine Megaphone, sogar den Guide schenkt man sich, weil die Hälfte der Leute ihn ohnehin nicht verstanden hätte. So muss der Fahrer uns an den fünf Stopps sagen, wann er gern wieder abfahren möchte. Sehr angenehm. Sehr leise und sehr unspektakular für chinesische Verhältnisse. Für das Spektakel sorgt allerdings die Landschaft.

Aus den angekündigten viereinhalb Stunden sind gute sechs Stunden geworden. Und es hat sich gelohnt. Wer braucht die Tigersprungschlucht, wenn es Balagezhong gibt. DIE neue In-Destination in Yunnan. Auch viele chinesische Stars kämen hierher, so berühmt sei der Ort mittlerweile. Aber starten wir von vorn: ein Dorf hoch oben in den Bergen, unten die tiefe Flußschlucht, keine Straße weit und breit, der gefährliche Fußweg in die nächste Stadt dauert fünf Tage. Ein zehnjähriger Junge hat sich am Auge verletzt. Er hat das Dorf bisher noch nie verlassen. Sein Vater aber beschließt, das Risiko auf sich zu nehmen und steigt mit dem Jungen ab, die Felswände fallen steil ab und auf dem schmalen Pfad ist Ankommen auch Glückssache. Im Krankenhaus dann die Enttäuschung. Es ist zu spät, das Auge des Jungen kann nicht mehr gerettet werden.

Das soll niemandem mehr passieren, denkt sich der Junge und macht es sich zur Lebensaufgabe, eine Straße in sein Dorf zu bauen. Diese Geschichte wird von einer der berühmtesten Moderatorinnen Chinas über Millionen Bildschirme verbreitet. Bei den Zuschauern im Studio kullern die Tränen. Sehr ergreifend. Leider hat der Vater des Jungen die Vollendung seines Werks nicht mehr miterlebt. Noch mehr Tränen, da heult man vom Zuschauen fast mit. Denn das alles läuft natürlich auch im Bus während der kurvigen, steilen Fahrt hinauf und hinauf. Wie es auch immer geschehen ist, die Straße ist da, und mittlerweile fest in den Händen des Tourismus. Und wir finden uns plötzlich irgendwo zwischen Himmel und Erde wieder, über uns Wolkenfetzen, tief unter uns der Fluss.

Busparkplatz, Skywalks, Aussichtsplattformen mit Glasböden, Museumsdörfer und neu erbaute Tempelanlagen. Das alles weit oben in den einst so unzugänglichen Bergen. Und Flying Fox gibt es auch. Ich frage mich, ob der kleine Junge aus dem einsamen Bergdorf sich das so vorgestellt hat. Puh, soviel muss man erst einmal verkraften. Hier die Bilder. 

Wie um wieder geerdet zu werden, folgt unten angekommen ein Spaziergang am Fluss und Treppen in enge Schluchten hinein. Nur der Wasserfall war gesperrt. Jammern auf hohem Niveau. Unglaublich, dass wir diese Landschaft fast für uns allein hatten, denn die Busse fahren im 40-Minutentakt, so dass wir einen guten Vorsprung vor den anderen wesentllich volleren Bussen hatten.

Dann rollen wir noch knappe zwei Stunden mit dem Rad nach Benzilan, wo uns ein Festessen erwartet. Denn die Tochter unseres Fahrerpäarchens hat heute Geburtstag. Ich denke, für einen Tag reicht das.


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Runter zum Jangtse

Die Oberen Schluchten des Mekong, vom 12.09. bis 03.10.2019

Von Shangrila nach Balagezhong, 86 km, 886 Höhenmeter

Eine fantastische Radstrecke. Von kühl und regnerisch bis sonnig und heiß war alles dabei. Jetzt sitze ich auf den Treppen des Hotels, neben mir rauscht der Fluss, vor mir die steilen Wände der Schlucht am Eingang zum Naturschutzgebiet Balagezhong. Die Temperaturen sind angenehm warm.

Heute früh hätte man sich das nicht vorstellen können. Um sieben, als wir zum Frühstück aufbrechen wollten, war es noch dunkel und es hatte sich eingeregnet. In der Lobby des alten tibetischen Holzhauses war niemand, dafür aber Tür und Tor verschlossen. Nach etwas Suchen im Schlüsselkasten war das Problem gelöst. Das ist dann der erste richtige Radtag, Abfahrt im Regen, durch den Stadtverkehr von Shangrila.

Doch schon bald wird es malerisch: Berge, Wolkenfetzen, hier und da ein Tempel und wir haben die kleine Nebenstraße für uns allein. Na ja fast. Nach jeder Kurve muss man mit Kühen rechnen, die es sich auf der Straße gemütlich gemacht haben. Für das Mittagessen ist es um elf Uhr eigentlich zu früh, deswegen bestellen wir nur eine große Suppe für alle und Reis dazu. Denn einen anderen Ort mit Restaurant gibt es unterwegs nicht. Dieser hier heißt Nixi und ist anscheinend bekannt für seine Hühnerzucht. 

1.000 Höhenmeter tiefer. „Wir haben jetzt 32 Grad“, meint Claudia nach einem Blick auf ihre Anzeige. Wir erreichen zum ersten Mal den Jangste, naja fast, wir landen in einem nahen Nebental, an den Hängen blühen Kakteen, und hier und da steht ein Bananenbaum. T-Shirt-Wetter. Größer könnten die Unterschiede kaum sein in den gut fünf Stunden, in denen wir 1.750 m Abfahrt genossen haben. Um kurz nach drei Uhr erreichen wir unser Hotel am Eingangstor von Balagezhong. Nach dem ersten Schmutzbier will ich Eintrittskarten für den nächsten Tag kaufen, denn morgen setzen wir uns in den Touristenbus und machen einen Halbtagesausflug in die Schlucht. Statt der Eintrittskarten treffe ich Lucy, die Tochter des Hüttenwirts von Walnut Garden, eines der ersten Gästehäuser in der Tigersprungschlucht. Ich habe sie seit bestimmt sieben Jahren nicht mehr gesehen, und nun hier.

Vor dem Duschen haben wir beschlossen, noch zum Aussichtstempel auf einen Felsvorsprung zu gehen. Ganz schön steil und rutschig, mit einem Tunnel und einigen gefährlich niedrig hängenden Felsen in Kopfhöhe. Beim Blogschreiben habe ich dann auch noch Yang Hongyan, die Chefin vom Radladen in Kunming getroffen, die auch gerade hier unterwegs ist.

Hier die Eindrücke des Tages.


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