Ein Selfie im Kornfeld – Beginn der Golden Week

Auf dem Dach der Welt, 17.09. bis 12.10.2018

Von Rasa nach Lhatse, 69 km, 510 HM

Morgens bietet sich ein mir ein tolles Bild. Ich trete aus dem Siebenbettzimmer, hinter den Bergen deutet sich der Sonnenaufgang an, noch sind die Sterne zu sehen. Nach und nach kommen wir alle aus unsern Schlafsäcken gekrochen, Waschen und Zähne putzen wird draußen am Wasserhahn erledigt. Nach dem Frühstück machen wir noch ein Bild mit dem Herbergsvater und begnadetem Koch und radeln los.

Einige Zeit haben wir die Straße fast für uns allein. Dann setzt er ein, der berüchtigte Feiertagsverkehr. Heute beginnt die Goldene Woche anlässlich der Gründung der Volksrepublik vor 69 Jahren, und damit haben sämtliche Chinesen eine gute Woche frei zum Reisen. 18 km nach Abfahrt erreichen wir den 5.000 Meilenstein auf dem Highway 318, der die Entfernung von Shanghai angibt. Mit uns etliche Busse und Jeeps, die ebenfalls an dieser Stelle ein Bild machen wollen. Wir sprengen die Szene, indem wir uns mit den Rädern vor die Tafel stellen. Leider habe ich von den Massen vor uns, die mit Handys, Kameras und teils mit Teleobjektiven auf uns zielen, kein Bild gemacht. Am eigentlichen und sehr unscheinbaren Randstein sind wir dann aber allein.

Die 500 Höhenmeter zum Lagpa La vergehen schnell, Ramon hat vorher mit Landjäger und zwischen durch mit Müsliriegeln gedopt, aber da sind wir nicht so streng. Oben angekommen treffen wir auf einen chinesischen Radfahrer, der schon seit Mitte Juni von Sichuan aus unterwegs ist und in seinem 40-50 kg Gepäck unter anderen eine Sauerstoffflasche mit sich schleppt. Annika und Dirk bauen noch Steinmännchen, wir stehen zwischen Gebetsfahnen und genießen den Ausblick, dann überlassen wir das Feld den Massen. Nach einer rasanten Abfahrt hat sich die karge Landschaft wieder in eine Kornkammer verwandelt. Davon sind vor allem die jüngeren Chinesen so begeistert, dass nur noch Selfies im Kornfeld angesagt sind. Auch davon habe ich leider keine Bilder gemacht, aber man kann sich gut eine Horde Jugendlicher vorstellen, die auf Strohballen posieren, daneben die perplexen tibetischen Feldarbeiter.

Trotzt Mittagspause kommen wir um drei Uhr in Lhatse an. Die Stadt hat schon bessere Tage gesehen, oder die Hälfte der heruntergekommenen Läden ist wegen des Feiertags geschlossen. Das hindert nicht daran, an der nächsten Ecke neue Häuser zu bauen, vielleicht klappt es ja dort besser. Am Stadteingang haben die meisten von uns eine riesige Werbung für das Ibis Hotel Lhatse gesehen. Mir war das Schild entgangen und ich dachte sofort an eine Fälschung. Beim Stadtspaziergang finden wir tatsächlich ein Hotel der besagten Kette, das Dirk auch im Internet gefunden hat. Ich bin etwas irritiert. Auf Nachfrage bekomme ich aber die Antwort, dass das etwa ein Jahr alte Hotel zwar tatsächlich zur Ibis Kette gehört, aber keine Lizenz für Ausländer hat. Jetzt ist mein Weltbild wieder gerade gerückt. Unser Farmer Hotel hat einen hübschen Innenhof, ich habe es aber auch schon voller erlebt. Wir sind die einzigen Gäste, was uns nicht daran hindert, ein paar Stunden in der Sonne zu sitzen. Morgen steht unsere Königsetappe an, wir werden wieder die 5.000 m knacken. Das vor Augen, gehen alle früh schlafen. Wir sind gespannt, wie es klappt.


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Konfuziustempel, Goldene Woche, Dauerregen und Tourjubiläum

184. Radweltreisetag: 78 km von Fushun nach Ybin im Dauerregen mit vernachlässigbaren Regenpausen. Von Peter Frenzel.

Am 1. Oktober 1949 wurde die Volksrepublik China ausgerufen. Somit beginnt heute die dritte der Goldenen (d.h. arbeitsfreien) Wochen des Jahres in China. Zu sehen oder zu merken ist davon am Morgen eigentlich nichts.
Wir gönnen uns einen späten Start, denn wir haben mal nicht ganz so viele Kilometer vor uns. Pünktlich 10 Uhr wird aus dem bisherigen Niesel- der inzwischen alltägliche feine Dauerregen. Ich fürchte, wir gewöhnen uns langsam daran.

Maria und Hartmut nutzen heute die Sitze im Begleitfahrzeug und schauen sich stellvertretend für alle den im Reiseprogramm erwähnten „grandiosen Konfuzius-Tempel“ an. Wir hatten gestern leider keine Zeit mehr dafür und wollten am Ende des Radeltages einfach nur noch ins Trockene.

„Der Konfuzius Tempel, ein nationales Schwerpunktdenkmal, befindet sich im Stadtzentrum von Fushun und zählt zu den am besten aufbewahrten großen Konfuzius Tempeln.
Der Tempel wurde ursprünglich in dem vierten Qingli Regierungsjahr der Nördlichen Song Dynastie (1044) gebaut. Man restaurierte ihn 1840. Nun besitzt der Tempel eine Fläche von mehr als 6,000 qm. Auf der Vorderseite des Tempels ist eine rote Wand. Innen ist ein Teich, über den drei Brücken sind. Hinter dem Teich ist das Stein Träger, der Lingxing Tor heißt. Oben der Stufen ist MinglunTang namend Cha Tor. Auf beider Seiten sind die Zimmer für Kleidung und Opfergabe. Hinter dem Cha Tor ist ein Platz. Danach sieht man den Altar von Mond und Sonne. In der Mitte ist das Relief von neun Drachen. Beider Seiten gibt es Steinstufen, die zum Altar führen. Hinter dem Altar sind die Hauptgebäude von dem Tempel: die Hacheng Halle, der Pangong Palast, die Chongsheng Halle usw.
Der ganze Tempel ist im Dougong Baustil der Ming und Qing Zeiten: fliegende Dächer, schöne Bilder, fliegende Drachen, in goldener Farbe, glänzend unter der Sonne. Prächtig und altertümlich …“
[Sichuan Reisen]

Danke Hartmut für die Fotos und Deine Notizen dazu:
Der Konfuzianistische Tempel zeigt keine Elemente des Buddhismus oder des Taoismus, sondern er beschränkt sich auf die Darstellung von Konfuzius selbst und an den Seiten die Gelehrten, die nach seinem Tod seine Lehre verbreitet haben und die wesentlich zur Einigung und Staatsgründung von China beitrug.

Nach dem Konfuzianismus soll der Mensch nach moralisch-ethischer Vervollkommnung streben und sich an folgend Konstanten orientieren:
* Menschlichkeit und Nächstenliebe
* Gerechtigkeit und Rechtschaffenheit
* Ritueller Anstand und Sittlichkeit
* Weisheit
* Aufrichtigkeit, Verlässlichkeit
* Loyalität (Untertanentreue gegenüber dem Staat und in der Familie dem Mann)
* Kindliche Pietät (Folgsamkeit und Respekt gegenüber Eltern und Ahnen)

Wir anderen brauchen etliche Kilometer, um Fushun hinter uns zu lassen und auch danach führt die Straße ohne große Unterbrechungen fast ständig durch kleinere und größere Orte. Sattes Grün bestimmt das Bild am Straßenrand, glänzend aufpoliert durch den nun schon tagelangen Regen. Gärten, große und kleinere Felder (viel Reis!) wechseln sich ab.

In einigen Orten sitzen große Gruppen Menschen beim Essen zusammen. Da waren eine Hochzeit, eine Trauerfeier aber auch andere große Runden dabei. Ob die was mit dem Jahrestag der Gründung der Volksrepublik zu tun hatten?

Nach dem Mittagsstopp in einer Regenpause – natürlich mit einer leckeren Reis-„Tafel“ – hofften wir schon, recht früh und nicht total durchnäßt unter der warmen Dusche anzukommen, aber der Regen schaltete 3 Gänge hoch und der Weg hügelte sich auf einer kleinen nicht immer schnell befahrbaren Nebenstraße 20 km durch eine malerische Landschaft mit vielen kleinen Orten, die im Nachmittagssonnenschein bestimmt noch reizvoller ausgesehen hätte. So kamen dann letztlich doch +490m / -441m Höhenmeterchen zusammen.
Tja, „Der Weg ist das Ziel“, soll Konfuzius mal gesagt oder sogar notiert haben.

Ybin empfängt uns wie versprochen sehr quirlig und massenbewegt. In den Straßen um das „Ybin Grand Hotel“ (hm, groß ist es wirklich …) sind auch am Abend noch ganz viele Leute unterwegs. Die Shopping Mall glitzert auch echt verführerisch.

Ach ja, das Tourjubiläum. Die Radweltreise ist seit dem 1. April heute genau ein halbes Jahr unterwegs! Tusch!!
Darauf wollte ich hier bei meinem Reisekilometer 14.616 wenigstens hingewiesen haben.

Hallo und herzlich willkommen unseren neuen Mitradler/innen, die ab morgen und dann per Fahrrad ab übermorgen mit uns auf Tour sein werden.

Wir freuen uns aber erst mal auf den Ruhetag morgen. ?

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