Abwärts, abwärts, abwärts

Auf dem Dach der Welt, 17.09. bis 12.10.2018

Von Jilong nach Dhunche, ca. 2.500 m Abfahrt, Grenzübertritt nach Nepal

Was ich an Tibet so mag, ist die schier unendlich Weite. Die Berge sind hoch, die Abfahrten lang, die Landschaft scheint einfach nicht aufzuhören. Man kann an einem Tag von über 4.000 m auf unter 2.000 m abwärts rollen. Und dabei einige Klimazonen durchfahren.

Am Morgen war es zugegebenermaßen etwas kalt. So kalt, dass sich das Gefühl in Händen und Füßen etwas erst später wieder einstellte. Unsere Straße nach Nepal ist neu, nach dem Erdbeben von 2015 gebaut. Sie folgt dem Flusslauf, mal auf Wasserlevel, mal hoch darüber. Die Schluchten sind spektakulär, hinter jeder Kurve tun sich neue Blicke auf. Immer weiter geht es abwärts, durch das riesige Gebirge hindurch. Gestern hatten wir schon beobachtet, dass ab 4.600 m Höhe wieder Büsche wachsen und die ersten Yak- und Ziegenherden auftauchen, lässt man die vereinzelten Tiere weg, die auch oberhalb auf steilen Steinhängen klettern. Im Laufe des Tages wird es dann tatsächlich grün. Nadelwälder, Wasserfälle, wäre da nicht der Bambus, könnte man sich fast in den Alpen wägen.

Dann geht es alles recht schnell. Wir verabschieden uns von unserer tibetischen Crew und wünschen Tashi, Lobsang und Dawa eine gute und sichere Heimfahrt nach Lhasa, bestaunen die riesige chinesische Grenzstation und sind schon auf der nepalesischen Seite angekommen, die nur ein kleines Zelt zur Einreise aufgestellt hat. Für die Grenzformalitäten werden wir in ein Hotel gebeten, es gibt Tee und Kaffee. Hier ticken nicht nur die Uhren anders, sehr angenehm.

Die ersten Kilometer nach Dhunche legen wir mit dem Rad zurück und bekommen einen kleinen Vorgeschmack auf die hiesigen Straßenverhältnisse. Um nicht in die Dunkelheit zu geraten, steigen wir in den Bus um. Aber zu Busfahren in Nepal morgen mehr. Wir sind so angetan von den warmen Temperaturen und dem guten Everest-Bier, dass es spontan später wird als gedacht.


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Verbotene Stadt und Himmelstempel

Chinesische Landpartie, 05. bis 27.10.2018

Besichtigung und Stadrundfahrt. 10km bei strahlendem Sonnenschein.

Die erste Fahrt mit dem Rad. Alle waren wir gespannt, ob wir problemlos durch den Pekinger Berufsverkehr durchkommen würden. Der chinesische Straßenverkehr wirkt manchmal etwas chaotisch, folgt aber gewissen Prinzipien. Unberechenbar bleibt das ganze trotzdem. Deswegen setzt die Stadt auch an großen Verkehrsknotenpunkten Polizisten ein, die den Verkehr etwas regeln und in geordnete Bahnen lenken.

Immer geradeaus ging es zum Osteingang des Himmelstempels. Ein wahrhaft monumentaler Tempelkomplex, den der Kaiser mehrmals jährlich aufsuchen musste um für eine gute Ernte, Harmonie auf Erden und manchmal auch für Regen zu beten. Wir beteten natürlich für wochenlangen Sonnenschein.
In einer der Anlagen wurden damals die Tieropfer dargebracht und einige von uns meinten einen leichten Geruch von Blut wahrzunehmen. Einbildung? Möglicherweise.

Besonders beeindruckend war das Panorama, welches sich uns vom Tempelberg darbot. Eine jahrhundealte Tempelanlage inmitten einer modernen Millionenstadt.

Der Tempel ist umgeben von einem weitläufigen Park, Heimat für viele Eichhörnchen, von denen wir gleich drei auf unserem Weg sahen. Wir stellten fest: Die Eichhörnchen sehen genauso aus wie bei uns.

Außerdem wird die Parkanlage von den Bewohnern Pekings als Treffpunkt genutzt. Tai Qi (eine chinesische Kampfkunst, bei der es besonders auf langsame und ausgeglichene Bewegungen ankommt), Kartenspielen, Rollschuhlaufen und Rückwärtsgehen sind nur einige der Aktivitäten denen hier nachgegangen wird.

Bevor wir den Park verließen, sahen wir in einem Teil des Parks eine große Menschenmenge versammelt, was uns natürlich neugierig machte. Es stellte sich heraus, dass sich hier der örtliche Heiratsmarkt befand. Hier arrangieren Eltern und Großeltern Blind Dates (Xiang Qing genannt) für ihre Sprößlinge. Auf ein Blatt Papier werden wichtige Daten zur Person aufgeschrieben. Beruf, akademische Ausbildung, Körpergröße und Gewicht, sowie Vermögenswerte. Dabei kommt man mit anderen Eltern und Großeltern ins Gespräch und möglicherweise vereinbart man dann eine Kontaktaufnahme. Die “Glücklichen” wissen oft allerdings nichts von ihrem Glück und aus Berichten von chinesischen Freunden weiß ich, dass man über diese Art der Partnervermittlung auch nicht besonders glücklich ist.

Um die Familie aber nicht vor den Kopf zu stoßen, trifft man sich aber doch zumindest einmal mit dem Wunschkandidaten. Statistiken, wieviele Eheschließungen auf diese Weise zustande kommen gibt es leider nicht, aber Schätzungen zufolge weniger als 10%. Es ist ein Relikt aus einer Zeit in der Ehen noch arrangiert wurden. Die Familien treibt oft die Sorge um die Kinder, die manchmal schon über 30 (30!) sind und immer noch nicht verheiratet. Mit unseren Maßstäben ist das ganze eher schwer zu verstehen.
Auch ich begab mich kurzzeitig in Verhandlungen, schließlich so wurde mir gesagt, wäre ich ja keine schlechte Partie. Mein Beharren darauf ein Foto sehen zu dürfen, stand aber einer erfolgreichen Einigung im Wege. Wir Europäer sind eben zu oberflächlich. Es kommt nicht auf das Äußere an. Was wirklich zählt, sind die materiellen Werte.

Nach der Mittagspause fuhren wir dann in die Verbotene Stadt, wo im Verlauf der Geschichte 24 Kaiser ihr Domizil hatten. Von der alten Pracht sind nur die Gemäuer übrig. Die einzelnen Paläste werden als Ausstellungsräume für das Palastmuseum genutzt. Nichtsdestotrotz war es beeindruckend. Einig waren wir uns jedoch darüber, dass es am schönsten war, die Verbotene Stadt vom dahinter liegenden Berg aus zu betrachten.

Zurück im Hotel hießen wir dann auch Anke in der Gruppe willkommen. Nun endlich vollzählig, fiebern wir unserer ersten Fahrradetappe entgegen.

In neblige Höhen

Knapp 100 km nach Xichang. Von Katharina Wenzel.

Wir haben es also geschafft. Gestern.125 km durch die Berge, durch das raue Land der Yi. Auf einer Höhe von über 2000 m fühlt man sich dem Himmel viel näher. Oder der Hölle, denke ich mir, als ich aus bleiernem Schlaf erwache und mit bewußt mache, dass ich jetzt wieder auf`s Rad steigen, 100 km fahren werde. Und es geht noch höher hinauf, nämlich bis auf 3200 m heute.

Die allermeisten von uns hätten sich aber heute lieber ausgeruht, anstatt irgendwelche Rekorde aufzustellen. Aber der Plan ist ein anderer und so schwingen wir uns im morgendlichen Grau beherzt auf die Räder. Aus der Stadt heraus, durch die Ebene, in der Reisfeld an Reisfeld klebt, an winkenden Kindern vorbei, von den Alten mißtrauisch oder eher verwundert beäugt. 15 Langnasen  auf einmal sind hier, scheint’s, eher selten. Mit dem ersten Anstieg beginnt sich das Feld auseinander zu ziehen. Hans und Helmut setzten sich irgendwo an der Spitze ab und werden erst wieder kurz vor der Stadteinfahrt gesichtet.

So fährt jeder seinen Trott. Mittlerweile hat sich die Vegetation geändert. Kärger wird die Landschaft je höher wir steigen. Zuckerrohr, Tabak und Bambus werden durch Nadelgehölze abgelöst. Hie und da entdeckt man Pilzesammler oder eine kleine Imkerei. Meine Beine fühlen sich müde an. Xiao Luo ist besorgt und würde wahrscheinlich am liebsten jeden nötigen, in den Bus zu steigen. Verlockend ist das Angebot, aber ich bleibe standhaft. Elstern begleiten unseren Weg und lachen spöttisch. Es wird kühler und der Nebel verdichtet sich. Ein Gefühl als würde man in die Wolken steigen. Als Belohnung für die Quälerei reißt am Gipfel der Himmel auf und die Sonne erstrahlt. Außerdem erwartet uns ein deftiger Imbiss in Form von gegrilltem Schwein und Kartoffeln. Wir genießen den Snack und lassen uns dann auf rasanter Fahrt bergab rollen. Auf halber Strecke sammelt sich dann die ganze Gruppe wieder und wir gehen, gestärkt durch Nudelsuppe und Baozi, den Rest der Strecke gemeinsam an.

 

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