Mit einer dicken Lippe das Wetter im Nacken

Auf dem Dach der Welt, vom 17.09. bis 10.10.2019

Ebene 92 km nach Shigatse

Sven ist unser Wetterfrosch. Bisher lag er bei jeder Vorhersage richtig. Nun sitzen wir im Hotpot-Restaurant in Gyantse schlagen uns den Bauch mit Wachteleiern, fein geschnittenem Rindfleisch, Pilzen, Nudeln und vielem mehr voll. Im scharfen Teil des Potts ist ordentlich Sichuanpfeffer drin – das macht die Nasen frei! Danach geht es zur Lagebesprechung ins Village Café. Und hier startet Sven seine Wetterankündigung für die kommenden drei Tage. Morgen sonnig-warm, die beiden Tage darauf Regen mit hoher Wahrscheinlichkeit.

Und so soll es sein. Am kommenden morgen begrüßt uns schon der Sonnenschein und Susann mit einer dicken Lippe, wahrscheinlich der scharfe Hotpot von gestern?… Aber noch ist es empfindlich kühl und wir starten unsere Tour gut eingepackt. Mal wieder schnurstracks geradeaus die Straße lang. Es ist Erntezeit. Auf den Feldern wird Korn geschnitten und zu Puppen oder Haufen aufgeschichtet. In den Wassermühlen (eine besichtigen wir unterwegs)wird Hafer zu feinem Mehl gemahlen.

Im letzten Jahr hat wohl einer der Teilnehmer auf diesem Abschnitt einen Ast abgekriegt, deswegen zwingt mich Sam meinen Helm zu tragen. Wir liegen gut in der Zeit. Die Sonne scheint, nach und nach werfen wir unsere warmen Klamotten ab. Gottseidank fahren wir heute auf ebener Strecke und so artet das ganze nicht in so eine An-und-Auszieh-Orgie aus wie vor zwei Tagen.

Nach den Feldern kommen die Gewächshäuser und danach die Weidenhaine in denen Schäfchen weiden. Wir erstehen eine frischgeerntete Wassermelone als Nachttisch für das Nudelsuppen-Mittagessen. Entspannt gehts weiter. Sonne, Felder, Viehweiden, und alles noch mal von vorn. Ein laues Lüftchen geht. Dann wird die Landschaft karger und der Himmel dunkler. Wenn wir nach links schauen, können wir das Wetter sehen. Der Wind wird stärker, Sand wirbelt auf, dringt in alle Ritzen. Es knirscht im Mund. Wir kämpfen gegen den Wind. Wir fahren dem Wetter davon.

Eingestaubt, schmutzig aber froh kommen wir in Shigatse an. Heute haben wir uns das Schmutzbier im wahrsten Sinne des Wortes verdient!

Sonne satt, sanfte Hügel und … Straße weg

Die Oberen Schluchten des Mekong, vom 12.09. bis 03.10.2019

Von Shigu nach Shaxi, 87 km, knapp über 1.000 HM

Mittlerweile haben wir uns alle in unsere gemütlichen Zimmer zurückgezogen. Es regnet, donnert und blitzt. Das kann uns im Moment nicht stören, denn es war ein schön sonniger Radtag und Shaxi ist immer wieder ein herrlich entspannter Ort (und es gibt richtigen Kaffee in der Herberge). Eigentlich ist Shaxi nur eine kleine Karawanserei auf der alten Teestraße, die aber in einem Kooperationsprojekt mit der Schweiz restauriert wurde. Es ist nicht so quietschbunt und blinkend wir in anderen Altstädten der Gegend, und auch noch sehr ruhig. Das kann sich bald ändern, denn in der Feiertagswoche ab dem 1. Oktober dürfte es überall voll werden.

Den Tag haben wir mit einer riesigen Portion Nudelsuppe im heißen Topf gestartet. Die war so reichhaltig, dass wir das Mitttagessen gegen ein Picknick in der Altstadt von Jianchuan eintauschen konnten. Vorher gab es eine kleine Schrecksekunde: die alte Straße, die sich in Serpentinen durch die grünen Hügel schlängelte, war weg. Die neue Straße wurde einfach über die alte drübergebaut, jedenfalls in Teilen. Gut, dass sich der Verkehr bald legt, denn die meisten Reisenden biegen direkt nach Lijiang ab oder nehmen die Autobahn Richtung Dali. Wir haben noch mehr Glück, denn die Spitzen des Jadedrachen-Schneeberges – der Hausberg von Lijiang ist immerhin ein 5.000er – sind von der neuen Route aus wunderbar zu sehen. Es folgt eine Fahrt durch ein Tal von Reisfeldern, die Frauen der hiesigen Volksgruppe der Yi und Bai tragen Trachten und wir kommen gut voran. Statt Mittagessen machen wir ein Obst- und Keckspicknick in der Altsadt von Jianchuan, bevor es von der Hauptstraße ab und über eine Hügelkette in Richtung Shaxi weitergeht. Ich vermute, der recht steile Schlussanstieg kommt einigen ganz gelegen, um sich wenigstens noch ein bisschen auf dem Rad auszutoben, bevor wir einen Ruhetag in Shaxi einlegen.

PS: Ab heute sind wir zu siebt, Wilfried ist nach einer langen Anreise und einem Flughafenwechsel in Shanghai gut angekommen.


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Wie die Tauben auf dem Dach

Auf dem Dach der Welt, vom 17.09. bis 10.10.2019

Gammeltag in Gyantse

Von unserem Höhenflug in Höhen von über 5000m sind wir zurück und sanft auf knapp 4000m gelandet. Nach den Anstrengungen der letzten beiden Etappen steht nun ein Ruhetag an. Bestes Wetter, alles blüht, alles ist entspannt. Hier in Gyantse ist nichts zu spüren von dem kurz bevor stehenden 70. Geburtstag der Volksrepublik. Naja Fahnen und Banner wie überall. Aber keine Touristenmassen, weder ausländische noch chinesische, die sich durch die Sehenswürdigkeiten wälzen.

Wir entschließen uns die Fahrräder stehen zulassen und den Ort zu Fuß zu erkunden. Auf der Einfahrt haben wir schon das majestätisch über der Stadt thronende alte Fort erblickt und das haben wir uns als Ziel auserkoren. Immerhin ist es die einzige noch erhaltene Befestigungsanlage Tibets. Durch einen kleinen Park gelangen wir quasi hintenrum zum Tickethäuschen, wo die schläfrige Dame wohl den Umsatz des Tages mit uns macht, denn wir sind und bleiben in den folgenden 2 Stunden die einzigen Gäste der Anlage. So erklimmen wir die steilen Türme aus dem 13 Jahrhundert völlig ungestört. Einst wachte die Festung über die Handelsroute von Nepal, Sikkim und Bhutan nach Lhasa, heute scheint sie im Dornröschenschlaf zu liegen.

Von der höchsten Turmspitze haben wir einen phantastischen Rundumblick über die ganze Ebene und die imposante Klosterstadt Pälkhor Chöde. Dann steigen wir von den hohen Zinnen, spazieren durch die Altstadt mit ihren weißgetünchten Häusern bis zu den Toren des Klosters. Überall lehnen Hafergarben zum trocknen an den Häusern. Hie und da ein Kälbchen oder ein Lamm dösend in der Sonne. Wir dösen auch, aber mit leckerem Eis, dann trennen wir uns: Andrea und Ulrich erkunden auf eigenen Faust die Stadt, Sven, Susann, René und ich betreten Pälkhor Chöde.

Heute mal am anderen Fluss

Die Oberen Schluchten des Mekong, vom 12.09. bis 03.10.2019

Von Tacheng nach Shigu, 108 km, davon über 60 km im Regen, etwa 880 HM

Eigentlich heißt sie ja Mythos Mekong, unsere lange Tour. Heute sind wir aber über 100 km am Jangtse entlang geradelt. Durch kleine Dörfer, einige Schlammlöcher und vor allem an Tabakfeldern vorbei. Immer begleitet von den tief hängenden Wolken, vor denen es irgendwann kein Entkommen gab. Weil wir schon um vier Uhr angekommen sind, und es just in diesem Augenblick zu regnen aufhörte, blieb noch Zeit für einen kleinen Dorfspaziergang. Was sich als sehr gefährlich herausstellte, denn schon im Hof der Unterkunft war es total glitschig. Irgendwo brach dann noch das Holz ein…  trotzdem haben wir es unfallfrei bis zum Fluss herunter geschafft, zu der Stelle, an der der Jangtse seine berühmte erste 180-Grad-Biegung macht, und Mao auf dem langen Marsch übergesetzt ist. Trotz der Berühmtheit ist Shigu ein eher ärmliches Dorf geblieben, vom Tourismusboom vergleichbar mit Dali oder Lijiang ist hier nicht viel hängengeblieben. Gerade klopft es an der Zimmertür, die Polizei braucht doch noch unsere Pässe. Die Feiertagswoche rückt näher, 70 Jahre VR China, da nimmt man es mit den Vorschriften lieber genau.

PS: Bilder von der Radstrecke folgen, weil meine Kamera wegen Regen heute in der Radtasche geblieben ist und ich erst noch Bilder von den anderen sammeln muss.


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Von klaren Bergseen und schneebedeckten Wipfeln

Auf dem Dach der Welt, vom 17.09. bis 10.10.2019
104 km nach Gyantse und mit dem Wetter hatten wir auch Glück

Es ist kalt heute morgen, gerade mal 0°C. Unter strahlend blauem Himmel fahren wir den schneebedeckten Gipfeln entgegen. Die Beine sind noch schwer von der gestrigen Etappe. 23 km fahren wir stetig bergauf, dann haben wir den Karo La Gletscher erreicht. Außer uns verkrümeln sich in der Weite der Landschaft noch ein Paar andere Touristen und eine Schafherde samt Schäfer. Wir stiefeln in Richtung Gletscher los. Nur Uli und Sven schwingen sich motiviert aufs Rad. Sven hält allerdings bei einem großen Stein und läßt sich da gemütlich in der Sonne nieder. Uli bleibt vor der Geröllhalde stehen und Susann sucht nach Amethysten und findet einen schönen Quarz. René und ich steigen die Halde hinauf. Auch hier finden sich überall gestapelte Steintürmchen. Oben angekommen, wissen wir, daß sich die Mühe gelohnt hat. Vor uns breitet sich ein klarer See aus, am gegenüberliegenden Ufer ist uns der Gletscher so nah wie nie. Wir fragen uns allerdings was die beiden Bojen im See zu bedeuten haben. Geht man hier etwa in eiskaltem Wasser auf fast 5000 m Höhe baden? Freiwillig? Das ist ein Rätsel und wird es auch bleiben.

Beine vertreten ist gut, doch es liegen noch 80 km Radetappe vor uns und etwa 5 km fehlen uns noch zum Pass, der heute erstmalig knapp über 5000 m liegt. Nachdem wir das geschafft haben, haben wir uns wirklich eine leckere Instant-Nudelsuppe verdient. Aber zu viel Zeit können wir nicht vertrödeln, denn auch den Pass geht es zwar erstmal steil bergab, aber dennoch liegen noch etwa 75 km Strecke vor uns mit einigen giftigen Gegenanstiegen. Dennoch kann man die wunderbare Landschaft nur genießen: sanfte Berge, schneebedeckte Gipfel, saftige, grüne Weiden und türkis-blaue Bergseen. Klingt kitschig, oder? Kaum zu glauben? Kommt doch und schaut selbst!

Nur 2 Meter!

Auf dem Dach der Welt, vom 17.09. bis 10.10.2019

100 km nach Nagarze

Heute wird es ernst: etwa 100 km stehen an und 1300 HM. Wir fahren laut Plan bis auf etwa 4800 m hoch. Extra früh geht es los. Um 7 Uhr, noch vor Sonnenaufgang sitzen wir auf den Rädern und beleuchten mit unseren Stirn- und Fahrradlampen die einsamen Straßen. Doch nach 5 Minuten Fahrt legen wir schon den ersten Stop ein, Susann hat sich einen winzigen Stahldraht eingefahren, also erstmal Schlauch reparieren. Im Dunkeln. Unsere temporäre Werkstadt haben wir dummerweise neben einem LKW aufgemacht, der direkt ausparkt.

Als wir fertig sind, zieht schon der Morgen auf. Es dämmert und ganz langsam erwacht das Leben. Im Nachbarort finden wir eine gemütliche Stube, wo wir Nudelsuppe und süssen Milchtee serviert bekommen.

Dann geht es weiter. Der Kampa La-Pass wartet, aber erstmal geht es noch etwa 15 km eben und gemütlich bei bestem Sonnenschein dem Brahmaputra entlang. Nach und nach werfen wir alle unsere warmen Klamotten ab. Und auch der Anstieg lässt sich gut an. Nach 5 km sind wir alle noch ziemlich frisch, genießen Kaffe und Snacks bei schöner Aussicht und guter Luft. Doch dann zieht sich das Feld nach und nach so ziemlich auseinander. Wir treffen uns auf der Strecke an den diversen Hotspots wieder, Aussichtsplattformen z.B. voller Busse, SUV`s und Jeeps. Hier kann man sich neben Sonnenbrillen-tragenden Hunden und auf Yaks sitzend ablichten lassen.

Die letzten 5 km des Anstiegs werden dann ziemlich bitter. Wir können kaum noch die spektakuläre Landschaft genießen. Susann erinnert sich auf dem letzten Stück nur noch an Aspahlt – letztendlich werden wir aber, oben angekommen, durch einen wunderschönen Ausblick auf den türkis-blauen Yamdrock-See belohnt. Und… waren wir vorher noch in dem Glauben, dass wir uns auf 4700 befinden, werden wir jetzt eines besseren belehrt: Eine Steinstele informiert – wir sind auf 4998 m über dem Meer. Nur zwei Meter noch und wir hätten schon heute die 5000er Marke gekappt (und nicht erst Morgen).

Wußtet ihr eigentlich schon, dass unser Guide ziemlich gut massieren kann? Diese neue Qualität wird uns heute auf dem Gipfel des Kampa La offenbart. Ein zusätzliches Bonbon (neben Ausblick und Massage) ist die kurze Abfahrt zum See. Noch schnell ein paar Fotos schießen dann geht es immer weiter und weiter am See entlang. Sven und ich befürchten nicht mehr rechtzeitig anzukommen und ziehen das Tempo an, Uli hat einfach Spass am Radfahren, René und Susann reicht es, sie steigen ins Auto.

Ein kleiner Höhepunkt ist für uns der Besuch des Hauses unseres Fahrers. Zufälligerweise fahren wir heute durch seinen Heimatort, werden sofort eingeladen und in der guten Stube mit den reich bemalten Möbeln platziert. Bekommen Yakbutter-Tee und Tsampa serviert. Dann gibt es noch eine kleine Führung durchs Haus.

30 km liegen noch vor uns, es ist bereits 16 Uhr und wir überlegen ernsthaft ins Begleitfahrzeug zu steigen, Da kommt die Sonne nochmal raus. Also vertagen wir die Entscheidung auf 15 km später. Und dann reicht es wirklich. Nur Uli würde wirklich gern noch weiter fahren, aber nicht allein. Die letzten 15 km sitzen wir dann gemütlich schwatzend im Auto.
Ziehen ins beste Hotel am Ort ein, hier gibt es zwar kein wirklich warmes Wasser, dafür aber Fußboden-Heizung, und versuchen uns für unsere morgige Etappe zu regenerieren.

Gorillas im Nebel?

Die Oberen Schluchten des Mekong, vom 12.09. bis 03.10.2019

Ruhetag in Tacheng

… nein, es waren keine Gorillas, sondern die wesentlich kleineren Yunnan Goldstumpfnasenaffen (Rhinopithecus Bieti). Und zu dem Nebel kam eine gute Portion Regen dazu. Auf Chinesisch heißen sie Yunnan Goldfellaffen (滇金丝猴), auf Deutsch müßte man wohl korrekterweise Schwarzstumpfnasenaffen sagen. Jedenfalls leben in diesem Schutzgebiet bei Tacheng etwa 70 Tiere, die sich in zehn Familien aufteilen. Das erklärt uns die Nationalparkmitarbeiterin, die nach einer Fahrt im offenen Sightseeingwagen noch eine halbe Stunde mit uns den Berg hinaufsteigt. In einem ziemlichen Tempo, so dass mir zu warm wird, obwohl es hier oben ziemlich kalt ist. Haben wir bisher nicht gefroren, so tun wir das heute. Alle? Nein, Klaus ist gegen Kälte immun und in kurzen Hosen unterwegs.

Auf die Affen müssen wir nicht warten, denn sie werden anscheinend jeden Morgen angefüttert, damit sie zu der Stelle hinunterkommen, an dem die Kameras warten. Was sie bekommen, haben wir nicht gesehen. Jedenfalls halten sich bestimmt 30 Tiere hier auf und fressen Blätter, sitzen ein paar Meter vor uns entfernt oder turnen in den Bäumen herum. Das dünne Seil ist wohl eher für die Besucher als für die Affen gedacht. Nach etwa einer halben Stunde haben wir genügend Fotos geschossen und die feuchte Kälte kriecht in die Knochen. Brrrrr, so stellt man sich einen Nebelwald vor. So richtig warm wird es uns erst wieder nach der recht scharfen Nudelsuppe im Hotel. Danach ist Ausspannen angesagt. Das einzige, was man hier außer einem kleinen Dorfspaziergang bei dem anhaltenen Regenwetter machen kann.

PS: Diese Affenart ist endemisch und kommt in Yunnan und kleinen Teilen Tibets und Myanmars vor. Es gibt anscheinend nur etwa 1.700 Exemplare dieser Art und sie gelten als gefährdet. Dieser Population scheint es ganz gut zu gehen. Und das, obwohl (oder weil?) sie sich ihren Lebensraum mit einigen Dorfbewohnern im Schutzgebiet teilen.


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Garmin steht Kopf

Auf dem Dach der Welt, vom 17.09. bis 10.10.2019

72 km nach Qushui

Das Auto ist vollgeladen, die Thermoskannen gefüllt, wir – abfahrbereit. Es geht zuerst geradeaus durch den dichten Stadtverkehr zum Kloster Drepung. Dieser kleine Abstecher beschert uns unseren ersten kleinen Anstieg auf der Tour. Ein Gradmesser für alles, was da noch kommen mag.

Wir fahren schon einige Minuten, da fällt mir auf, dass mein kleiner elektronischer Navigator komische Sachen macht. Ich bin mir sicher richtig zu sein, aber es scheint so, als wolle mich das Teil unbedingt in die andere Richtung schicken. Dann ist plötzlich alles wieder korrekt. Irgendwann begreife ich endlich, dass die Karte Kopf steht. Mehrmals schalte ich das Gerät aus und wieder ein, aber was ich auch mache, das Teil steht Kopf! Muss ich jetzt also andersherum denken? Mir reicht schon mein Links-Rechts-Problem! Fast schon füge ich mich der verkorksten Technik (Vielleicht ein gutes Training für die Koordination der linken und rechten Gehirnhälfte versuche ich mich selbst zu beschwichtigen), da hat René die Idee mal auf Fahrzeugmodus umzuschalten und das scheint der richtige Trigger zu sein, es geht wieder!

So kommen wir am Torbogen des Klosters an. Wir dürfen mit den Rädern passieren. Diese erste kurze Steigung ist wirklich ein Test! Auf dieser Höhe spüre ich mein Herz so deutlich schlagen, als wolle es mir aus der Brust springen! Aber wir schaffen es alle.

Dieses Kloster ist wie alle Klöster Tibets auf der weißen Tara (Die weiße Tara ist eine der am meisten geehrten buddhistischen Schutzgottheiten, sie ist der weibliche Bodhisattva des Mitgefühls und gilt als die Verkörperung der mütterlichen Liebe) gebaut und somit ist das Bächlein, dass durch das Gelände fließt die Ader der Tara. Stellenweiße sehen wir Menschen Reis- und Hirsekörner in das Wasser werfen. Durch diese Opfer wird das Wasser, oder eben das Blut, gereinigt.

Nach der Besichtigung sausen wir den ganzen weg wieder hinab. Dann geht es relativ eben auf gut asphaltierter, aber sehr stark befahrenen Straße nach Qushui. Die Landschaft präsentiert sich in sanften Farben. Immer am Fluß entlang geht es unter tiefhängenden Wolken. Am Straßenrand stehen gebeugte Weiden und Espen in deren silbernen Blättern der Wind spielt.

Tibetische Nudeln und Kartoffeln mit Rindfleisch und Reis gibt es zu Mittag, danach Kaffee und Gebäck. Während wir gemütlich in unseren Bänken hocken, ist, von uns fast unbemerkt, ein heftiges Gewitter direkt über uns hereingebrochen. Wir ziehen uns ins innere des Restaurants zurück, dehnen unsere Kaffee-Pause aus. Bald scheint (fast) wieder die Sonne und es geht weiter. Wir treten kräftig in die Pedalen, aber wir können dem nächsten Gewitter kaum entkommen. Mit den ersten Regentropfen stolpern wir in einen Raum voller Tibeterinnen, die um einen warmen Ofen hockend gemeinsam Tee trinken und Suppe essen. Schnell wird zusammengerückt und auch wir finden Platz am Ofen. Bekommen süßen Tee serviert, der uns gut durchwärmt. Neugier von beiden Seiten. Viel Gespräch, viel Lachen. Meine Sitznachbarin ist überzeugt, dass ich zu kalt angezogen bin und zieht heftig an meinem Hosenbein um es irgendwie zu verlängern. Nach einer gefühlten Ewigkeit müssen wir uns eingestehen, dass dieser kleine Schauer, doch etwas ausdauernder ist, als gedacht. Also werfen wir uns in die Regenklamotten und machen uns wohl oder übel auf dem Weg. Doch wir haben Glück, der Regen wird immer schwächer und die letzten 25 km vergehen wie im Flug.

In Qushui angekommen gibt es eine kleine Verzögerung, da Guide und Hotelier erstmal mit unseren Pässen zur Polizei müssen. Wir nutzen die Zeit für unser erstes Schmutzbier. Während unseres Abendspaziergangs werden wir leider Zeuge wie ein Hund ziemlich heftig angefahren wird. Das sorgt an diesem etwas gräulichen Abend nicht gerade für eine Aufhellung der Stimmung. Auf dem Rückweg gehen wir noch mal zum Fluß und entdecken in einem üppig bewachsenen Hinterhof einen Laubengang voller erntereifer Weintrauben. Erstaunlich, was hier so alles in dreieinhalbtausend Meter wächst!

Chinesische Landpartie

Die Oberen Schluchten des Mekong, vom 12.09. bis 03.10.2019

Von Weixi nach Tacheng, 86 km, 885 Höhenmeter

Mit nur 86 km und unter 1.000 Höhenmetern war es heute ein schön entspannter Radtag. So viel chinesisches Landleben wie heute habe ich selten fotografiert. Ob Reisernte, Holzblockhäuser oder winkende Kinder, diese Strecke an der Straße 215 könnte ganze Fotobücher füllen. Dabei haben wir einfach nur vom Mekong- ins Jangtsetal gequert, hier ist vor allem die Volksgruppe der Lisu ansässig. Nach einem 700m Aufstieg folgen wir einem kleinen Wasserlauf, der sich durch die grünen Hügel windet.

In der Gegend herrscht gerade eine Schweinepest, an allen Ausfahrten und Ortseingängen sind mit Desinfektionsmittel durchtränkte Tücher ausgelegt, über die gefahren werden muss, die Fahrzeuge werden teilweise sogar abgespritzt. Auch wir rollen immer wieder über diese Tücher. Einmal wollen wir eine kleine Brücke überqueren, die aber gesperrt ist, uns bleibt nichts anderes übrig, als die Räder über die Absperrung zu tragen.

Übringens ist Emmerich der unangefochtene Bergkönig, in dem alle anderen ihren Meister gefunden haben. Morgen legen wir aber erst einmal einen Ruhetag ein, um auszuspannnen und uns die Yunnan-Stumpfnasenafffen anzusehen.


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Biking in the rain? – Nö!

Auf dem Dach der Welt, vom 17.09. bis 10.10.2019

Besichtigung des Klosters Sera

Was sagt ein Tibeter, wenn man ihm nach dem Wetter fragt? Er erwidert: Das Wetter ist wie die chinesische Regierung – mal so, mal so. Diese Erfahrung haben wir heute am eigenen Leib gemacht. Also – auf’s Wetter bezogen. Nach einer regenreichen Nacht reißen die Wolken auf und wir frühstücken beim herrlichsten Sonnenschein. Frühestens mit unserem Aufbruch zum Radladen, das ist eine halbe Stunde später, regnet es heftig. Wir springen in unseren Bus, schreiben während der Fahrt einen Einkaufszettel, dann starten wir einen Großeinlauf. In zwei Einkaufswagen türmt sich unsere Beute: Thermoskannen, Suppen, Kekse, Obst, Kaffe, Tee, Cola und so weiter. Die zwei Flaschen Schnaps (bai jiu und yao jiu), standen zwar nicht auf dem Einkaufszettel, dürfen aber nicht fehlen. Auch gibt es keine Einhorntasse und keinen bunten Lolli für Susann, sie wird es hoffentlich verkraften.

Am Radladen angekommen wird gewechselt, geschraubt und justiert. Das braucht seine Zeit und als wir endlich fertig sind, na was wohl? Genau! Da regnet es schon wieder. Wir schieben also unsere Räder zurück in den Laden und flüchten in das benachbarte Restaurant. Hier gibts Jasmin-Tee und heiße Nudelsuppe, der wir ordentlich Chilisoße zusetzen. Und wer sagt’s? Kaum fertig gegessen, scheint auch wieder die Sonne prall und prächtig vom Himmel. Doch der Schock folgt auf dem Fuß, der Radladen mit unseren Rädern drin ist verriegelt und versammelt.Klar, es ist Sonntag und der Laden wurde nur für uns geöffnet. Nach einem kurzen Telefonat ist der Laden, wir satteln die Räder und sind abfahrtbereit. Dachten wir. Denn wir können sagen: René steht ab heute in der Pannenstatistik ganz weit oben und zwar mit dem ersten Platten noch bevor wir losfahren. Das hat beim meinen Touren bisher noch keiner geschafft. Aber der Schlauch ist schnell gewechselt und wir machen uns endlich auf zum Kloster Sera, einem der drei bedeutenden Debattier-Klöster Lhasa. Nach sechs lockeren Kilometerchen empfängt uns ein friedlicher, nahezu touristenfreier Ort. Tibeter aller Altersklassen schreiten die schattige Allee mit den Klosterhallen und Debattier-Höfen hinan. Kinder mit geschwärzten Nassen tollen und springen herum. Alles erscheint uns deutlich entspannter, leichter und freundlicher als direkt in Lhasa.

Nach der Besichtigung ist die Lust auf einen Kaffee groß und da Andrea und Sven in Hotelnähe ein Kaffee ausgemacht haben, was mit dem Slogan: Guten Tag es ist cafe Zeit, Ich spreche Deutsch, wirbt, ist der Entschluss schnell gefasst.

Der Café-Betreiber stellt sich als 40jähriger Tibeter heraus der lange in der Schweiz und auch in Deutschland gelebt hat und René gleichmal auf Schweizerdeutsch begrüßt. Der Kaffee ist wirklich lecker und Delek hat uns schon ganz schlau nicht im Café sondern im gegenüberliegenden Kunsthandwerksladen platziert, den er auch betreibt. Unter den vielen schönen Dingen werden Andrea, Sven und Susann schnell fündig. In einer versteckten Ecke entdecke ich einen wunderschönen gestickten Thanka, den ich Susann und René zeige, die auch sofort begeistert sind (siehe Foto). Zu guter letzt schenkt Delek Susann noch eine originale Kuhglocke für ihre Sammlung.

Was gab es also heute? Ein bisschen shopping, ein bisschen Sport, ein bisschen Kultur und noch ein bisschen shopping. Und da ja bekanntermaßen gutes Essen Leib und Seele zusammenhält, verabschiede ich mich für heute zum Abendessen.