Der Wind, der Wind, das höllische Kind…

Entlang der Seidenstraße, 04. bis 29.08.2013

Barkul nach Xialaoba. ca. 126 km; ca. 15°C

Eine harte Etappe stand bevor. Das wussten wir. Was wir nicht wussten war, dass sie noch viel härter werden sollte, als zuvor erwartet. 120 km mit dem Fahrrad klingen viel und sind es auch. Aber den Gegenwind, der unaufhörlich und direkt frontal einen vom vorwärts kommen hindert, hatte keiner auf dem Schirm. Zu den guten Nachrichten: Das Wetter an sich war eigentlich super zum Fahrrad fahren: leicht bewölkt, angenehm kühl. Auch der einzige Frühstückstand an der Straße hielt mehr als er vom ersten Anblick vermuten ließ. Frittierte Pfannkuchen mit Schnittlauchblumen – lecker! Sojamilch – super! Frittierte Liebesknochen – alles klar! Tofu-Hirn – naja, lassen wir mal lieber stehen…

Die Landschaft an sich ist toll hier. Erst fahren wir vorbei am Barkul-See. Malerisch mit Jurten, Ziegen und dem ganzen was dazugehört um ein Kasachisches-Kitsch-Klischee-Bild zu vervollständigen. Dann kommt man langsam in die schroffe Hochebene entlang der nördlichen Ausläufer des Barkolgebirges. Und ab hier kannte der Wind keine Gnade mehr. Erst meldete er sich zaghaft als kühlendes laues Lüftchen, bis sich daraus eine frontale Druckwelle entwickelte, gegen man einfach nicht ankam. Pausieren konnte man nur im Windschutz eines LKWs oder unter den wenigen Brücken. Denn sonst war man binnen Minuten sofort ausgekühlt. Klar, wir hatten ein Begleitfahrzeug. Man hätte einsteigen und sich fahren lassen können. Aber wer ist denn schon zum Vergnügen hier. Mittagessen ist auch so eine Sache hier… „Wie weit ist denn der nächste Ort?“ „Na, so in 80 km kommt eine Raststätte.“ Aber das ist doch schon unser Ziel! Dazwischen ist nichts. NICHTS! Baustelle und schöne Landschaft vielleicht. Aber Zivilisation – Fehlanzeige. Gut dass wir uns eingedeckt hatten mit Obst, Trockenfrüchten und dem tibetanischem Müsli-Kuchen. Meine Damen und Herren, hiermit ist dieser als bester Kuchen der Welt gekrönt! Man stelle sich ein Müsli-Riegel als Kuchen vor! Mit Nüssen und Trockenfrüchten. Das perfekte Radfahrer-Futter! Ich hätte es gegen nichts anderes der Welt tauschen wollen.

Aber auch mit dem Kuchen wurde die Weiterfahrt nicht einfacher. Selbst die Abfahrt war anstrengend und unglaublich kräftezehrend. Dazu kamen Baustellen, die einem zwar nicht das Genick gebrochen haben, aber immerhin das Leben erschwerten. Immerhin durften wir dann auf der noch nicht ganz fertigen neuen Straße fahren und wurden verschont von den vorbeirauschenden Lastern. Nicht schlecht war auch das Stück auf der „Seidenstraße“ oder vielmehr „Kunstfaserfils-Straße“. Der weiße Teppich streckte sich bis ans Ende des Horizontes und lies die Straße noch unwirklicher erscheinen, als sie eh schon war.

Auch Kamele haben wir gesehen. Neugierig schaute einem immer die ganze Herde hinterher, wenn man an ihnen vorbei fuhr. Lustige Tiere sind das, diese Kamele… wohl auch lecker, denn sie werden fast nur noch zum Verzehr gezüchtet. Wenn man als chinesisches Kamel etwas Glück hat, landet man in Dunhuang im Karamelen-Stau und schleppt chinesische Touristen mit orangen Überschuhe auf die östliche Sanddüne.

Pünktlich zum Sonnenuntergang erreichen wir unser Ziel: Eine kasachisches Dorf/Lastwagen-Raststätte. Knapp 14 Stunden waren wir auf Achse. Unsere heutige Unterkunft bot eine kasachische Familie. Mit den Eltern konnte ich mich leider kaum verständigen. „Sälemetsis be!“. Damit war dann mein Kasachisch aber auch schon erschöpft. Der Sohn, Yerkun, allerdings spricht Mandarin, studiert bald in Chengdu, Sichuan und ist sehr aufgeschlossen. Er zeigt uns den neuen Anbau, der anscheinend extra für China-by-Bike-Gäste gebaut wurde, Wir kippten nach dem wirklichen guten LKW-Raststätten-Abendmahl ins Schlafgemach und die Männer schnarchten um die Wette, um wilde Tiere fernzuhalten (So ist es zumindest biologisch erklärt, oder??).