Kamel-Safari

Entlang der Seidenstraße, 04. bis 29.08.2013

Xialaoba nach Mori. ca. 127 km; bewölkt, ca. 18°C

Das Frühstück bei unserer Kasachischen Gastfamilie war sehr interessant. Das soll jetzt nicht negativ klingen. Denn es war wirklich eine lustige Mischung aus Bekanntem, Neuem und Ungewöhnlichem. Als Kohlenhydrat-Basis diente Nan – also Brot. Dazu selbst gemachte Butter mit Quasi-Parmesan. Mit dem Käse musste man vorsichtig sein. Denn hat man das falsche Stück erwischt war es hart wie Granit und man konnte sich schon mal seine 3. Zähne bestellen lassen. Dazu Rosinen und getrocknete Feigen. Schokobonbons waren auch dabei – sehr authentisch. Getrunken wurde Milchtee. Ähnlich wie der tibetanische Yakbuttertee ist dieser eher wie eine süßliche Brühe, bzw. salziger Tee. Wie man es nehmen mag. Gestärkt hat es uns allemal! Musste es auch, denn die gestrige Etappe saß uns noch tief in den Knochen und heute sollte es nicht viel entspannter werden.

Das Barkol-Gebirge wich links (im Süden. Wir fahren immer weiter nach Westen.) dem Bogda-Gebirge, was uns in der Ferne stets begleitete und rechts tat sich eine ewige Weite auf. Die Ebene schien kein Ende zu nehmen. Geschätzt konnte man 100 km in die Ferne schauen und sah nichts als weiten Horizont. Mathematisch gesehen sind es (s²+R²=(R+h)²; wobei s die Sichtweite, R der Erdradius und h die Höhe des Betrachters sind) ca. 5 km bis zum sichtbaren Horizont. Aber das ist völliger Quatsch! Die Formel gilt nicht für das chinesisch-kasachische Grasland.

Die Kamelhorden wurden mehr und größer. Unglaublich was für eine Ruhe diese Tiere ausstrahlen. Sie überqueren die Schnellstraße mit einer wahnsinnigen Gelassenheit und lassen sich nicht beirren von den hupenden LKWs, die von beiden Seiten angerauscht kamen. Eigentlich hätte man sie anfassen können. Zu groß war jedoch meine Ehrfurcht vor diesen ruhigen Riesen.

Die Kilometer spürte man in jeder Muskelfaser und nur die letzte Raststätte mit Joghurt-Eis, Kaffee und Kuchen rettete uns noch ans Zielufer. Irgendwann hatte auch das Grasland sein Ende, sowie die Kamelhorden und wir fuhren ein in Mulei.

Der Wind, der Wind, das höllische Kind…

Entlang der Seidenstraße, 04. bis 29.08.2013

Barkul nach Xialaoba. ca. 126 km; ca. 15°C

Eine harte Etappe stand bevor. Das wussten wir. Was wir nicht wussten war, dass sie noch viel härter werden sollte, als zuvor erwartet. 120 km mit dem Fahrrad klingen viel und sind es auch. Aber den Gegenwind, der unaufhörlich und direkt frontal einen vom vorwärts kommen hindert, hatte keiner auf dem Schirm. Zu den guten Nachrichten: Das Wetter an sich war eigentlich super zum Fahrrad fahren: leicht bewölkt, angenehm kühl. Auch der einzige Frühstückstand an der Straße hielt mehr als er vom ersten Anblick vermuten ließ. Frittierte Pfannkuchen mit Schnittlauchblumen – lecker! Sojamilch – super! Frittierte Liebesknochen – alles klar! Tofu-Hirn – naja, lassen wir mal lieber stehen…

Die Landschaft an sich ist toll hier. Erst fahren wir vorbei am Barkul-See. Malerisch mit Jurten, Ziegen und dem ganzen was dazugehört um ein Kasachisches-Kitsch-Klischee-Bild zu vervollständigen. Dann kommt man langsam in die schroffe Hochebene entlang der nördlichen Ausläufer des Barkolgebirges. Und ab hier kannte der Wind keine Gnade mehr. Erst meldete er sich zaghaft als kühlendes laues Lüftchen, bis sich daraus eine frontale Druckwelle entwickelte, gegen man einfach nicht ankam. Pausieren konnte man nur im Windschutz eines LKWs oder unter den wenigen Brücken. Denn sonst war man binnen Minuten sofort ausgekühlt. Klar, wir hatten ein Begleitfahrzeug. Man hätte einsteigen und sich fahren lassen können. Aber wer ist denn schon zum Vergnügen hier. Mittagessen ist auch so eine Sache hier… „Wie weit ist denn der nächste Ort?“ „Na, so in 80 km kommt eine Raststätte.“ Aber das ist doch schon unser Ziel! Dazwischen ist nichts. NICHTS! Baustelle und schöne Landschaft vielleicht. Aber Zivilisation – Fehlanzeige. Gut dass wir uns eingedeckt hatten mit Obst, Trockenfrüchten und dem tibetanischem Müsli-Kuchen. Meine Damen und Herren, hiermit ist dieser als bester Kuchen der Welt gekrönt! Man stelle sich ein Müsli-Riegel als Kuchen vor! Mit Nüssen und Trockenfrüchten. Das perfekte Radfahrer-Futter! Ich hätte es gegen nichts anderes der Welt tauschen wollen.

Aber auch mit dem Kuchen wurde die Weiterfahrt nicht einfacher. Selbst die Abfahrt war anstrengend und unglaublich kräftezehrend. Dazu kamen Baustellen, die einem zwar nicht das Genick gebrochen haben, aber immerhin das Leben erschwerten. Immerhin durften wir dann auf der noch nicht ganz fertigen neuen Straße fahren und wurden verschont von den vorbeirauschenden Lastern. Nicht schlecht war auch das Stück auf der „Seidenstraße“ oder vielmehr „Kunstfaserfils-Straße“. Der weiße Teppich streckte sich bis ans Ende des Horizontes und lies die Straße noch unwirklicher erscheinen, als sie eh schon war.

Auch Kamele haben wir gesehen. Neugierig schaute einem immer die ganze Herde hinterher, wenn man an ihnen vorbei fuhr. Lustige Tiere sind das, diese Kamele… wohl auch lecker, denn sie werden fast nur noch zum Verzehr gezüchtet. Wenn man als chinesisches Kamel etwas Glück hat, landet man in Dunhuang im Karamelen-Stau und schleppt chinesische Touristen mit orangen Überschuhe auf die östliche Sanddüne.

Pünktlich zum Sonnenuntergang erreichen wir unser Ziel: Eine kasachisches Dorf/Lastwagen-Raststätte. Knapp 14 Stunden waren wir auf Achse. Unsere heutige Unterkunft bot eine kasachische Familie. Mit den Eltern konnte ich mich leider kaum verständigen. „Sälemetsis be!“. Damit war dann mein Kasachisch aber auch schon erschöpft. Der Sohn, Yerkun, allerdings spricht Mandarin, studiert bald in Chengdu, Sichuan und ist sehr aufgeschlossen. Er zeigt uns den neuen Anbau, der anscheinend extra für China-by-Bike-Gäste gebaut wurde, Wir kippten nach dem wirklichen guten LKW-Raststätten-Abendmahl ins Schlafgemach und die Männer schnarchten um die Wette, um wilde Tiere fernzuhalten (So ist es zumindest biologisch erklärt, oder??).

Die ersten Stürze

Entspannt sah das Höhenprofil heute aus. 70 km fast nur bergab. Da lässt man sich lieber noch ein bisschen Zeit, genießt die Umgebung und besichtigt den weißen Stein, der dem Feriencamp seinen Namen gibt. Die 300 Meter konnte man auch mit mongolischen Pferden zurücklegen. Der Stein selber… nun ja… die Legende um ihn kurz zusammengefasst: Schöne Prinzessin liebt Mann. Berg-Gott wird eifersüchtig, verrichtet Unheil. Land vertrocknet. Man stirbt. Frau weint. Tränen bewässern Land. Land wieder schön. Frau stirbt neben Mann. Ein Grab wird gebaut. Blitzt schlägt ein auf Grab. Ein weißer Stein liegt da.

Heute hatten wir gleich mehrere Stürze. Es hat sich aber keiner ernsthaft verletzt. Denn es handelte sich um Höhen-, Regen-, und vor allem Temperatursturz. Gestern kämpfte man noch mit der Hitze von ca. 36 Grad im Schatten. Heute waren es teilweise nur noch 14 Grad. Über 20 Grad ist das Thermometer gefallen. Wie ein Traum erschien der gestrige sonnige Tag durch die Wüste. Man mochte kaum glauben, dass wir uns nicht mal 100 km weg von der gestrigen sengenden Hitze befanden. Damit hatte ich nicht gerechnet und war demnach auch nicht ganz dafür ausgerüstet. Der Tipp von Schwiegermama hatte sich aber schon mal bewährt: „Die Ingwer-Suppe nach dem Regen, ist gegen Erkältung ein wahrer Segen.“ Oder so… Es gibt kein Getränk der Welt, was einen innerlich so aufwärmt. Schnaps zählt jetzt mal nicht dazu. Man möchte ja noch weiterfahren. Mit frischen Sachen und hellerem Himmel ging es flott, leicht abschüssig weiter bis nach Barkul. Eine hauptsächlich von Han-Chinesen bevölkerte Stadt. Auch die fast immer identischen Bauern-Reihenhäuser ließen vermuten, dass die Regierung diese subventionierte für die Ansiedlung von Han-Chinesen in Xinjiang. Man verspricht sich damit durch kulturelle Vermischung ein homogeneres Land zu haben. Kann auch nach hinten los gehen so was.

Für die Strecke verhältnismäßig spät trafen wir in Barkul bzw. Balikun ein. Denn der Pannengott hatte zugeschlagen und mir war leider nicht bewusst, dass es unterschiedliche Felgen für französisches und Autoreifenventile gibt. Und das als Leiseleitel… Asche über mein Haupt! So musste vor Ort und Stelle geflickt werden. Die Stadt selber wirft einen nicht unbedingt vom Sattel. Eine alte gut erhaltene Stadtmauer gibt es. Aha… Sie gibt sich allerdings Mühe wie eine moderne Provinzstadt mitten im Grasland zu sein. Das kriegt sie ganz gut hin. Wir zumindest fanden die neue Fußgängerzone recht ansprechend. Auch das Abendessen konnte sich schmecken lassen. Selbst die Kasachischen Rotlicht-Disco-Bars sahenwirklich sehr verlockend aus (aus kulturellen Gründen, versteht sich…), die morgige Etappe ließ einen aber dann doch etwas Kraft anschlafen. Außerdem weiß man ja nicht, wann man wieder die nächste Dusche und ein weiches Kopfkissen bekommt.

Mit Gastfahrern von der Hölle in den Himmel

Entlang der Seidenstra?e, 04. bis 29.08.2013

Hami nach Baishitou. ca. 90 km; null Wolken, 36°C

Uns ist nichts passiert… Es gibt nur selten Internet hier JWD. Daher bitte etwas gedulden, falls mal Versorgungsengpässe mit dem Blog bestehen…

Endlich geht es los! Unsere Fahrradtour von Hami nach Turfan über Urumqi. Immer wieder bekomme ich allerdings gesagt, dass sich auf unserer Strecke Baustellen befinden. Auch die Königsetappe gleich am Anfang meistern zu müssen ist schon ein harter Brocken. Aber zumindest bis zur Stadtausfahrt wollen uns die Herrschaften von Hami-Bike unserem Fahrradladen des Vertrauens in Hami begleiten. Das ist natürlich eine Ehre. Gestärkt mit einer Nudelsuppe, da das Frühstück im Hotel nach Xinjiang-Zeit zu spät wäre (+2 Std., also erst ab 8:30), empfingen uns an der verabredeten Kreuzung die Besatzung. Gemeinsam radelten wir bis zur Himmelsbrücke, wo sie uns unserem Schicksal überließen. Die letzten Worte, die sie uns mit auf den Weg gaben waren: „Nehmt das Begleitfahrzeug. Es ist heiß und ihr habt nur Gegenwind.“ Aber das hindert uns ehrgeizigen Langnasen natürlich nicht daran unser Glück zu probieren und unsere Grenzen zu testen. Sie sollten recht behalten. Es war sau heiß. Ein schattiges Plätzchen bot sich höchstens alle 15 km. Und der Wind wollte wohl mit aller Kraft verhindern, dass wir zu den Bergen kommen. 40 km ging es leicht aber stetig bergauf durch die Einöde der Steinwüste. Dazu kam der Verkehr der wegen Baustellen auf diese kleine Landstraße umgeleitet wurde. Entspanntes Fahrradfahren durch eine schöne Landschaft stellt man sich wohl anders vor.

Doch dann erreichten wir das Himmelsgebirge und die Landschaft änderte sich schlagartig. Erst war man in Frankreich in der Verdon-Schlucht, bevor man sich in Tolkiens Auenland wiederfand. Auch die grässlichen Morguls fuhren immer noch ständig mit ihren riesigen staubigen und rauchspuckenden Lastern vorbei. Gemeinsam mit einem Chinesen, der vor über 7‘000 km von Kunming seine Radreise begonnen hat und bis Kashgar insgesamt 12‘000 km runtergestrampelt haben will, kletterten wir weiter auf das Hochplateau des Himmelsgebirges. Das letzte Bild von ihm war, wie er auf einer einsamen Brücke sein Vorderreifen flickte. Er ward nimmer wieder gesehen. Denn wir hatten unser eigenes Ziel und mussten ihn zurücklassen.

Die sich immer wechselnde Landschaft gab einem weiter Kraft um ein Pedal vor den anderen zu setzen. Auch die Sonne hatte langsam ihre Lust am Quälen von armen Fahrradfahrern verloren. So kamen wir am frühen Abend in unseren Jurtencamp an. Das chinesische Ferienlager liegt in einer malerischen Landschaft umgeben von scheinbar endlosen Grasflächen. Aber wie das bei Campingplätzen immer so ist, hat man auch hier etwas lauter feierndes Volk. Diesmal Angestellte eines Versicherungsunternehmen bei ihrem Team-Building-Event.

Die Sanitäreinrichtungen ließen etwas zu wünschen übrig. Aber bei uns entsprechen Waschräume in Campingplätzen auch nur selten dem Standard, den man von seinem vertrauten Heim kennt. Die Jurten allerdings waren sehr stilvoll mit Teppichen ausgelegt und einem Kohleofen in der Mitte gegen die kalten Nächte und für den wärmenden Tee. Man verteilte sich im Halbkreis um den Ofen und schlummerte um die Wette ein. Denn wer zuletzt schläft hört auch das meiste Schnarchen.

Wer hat die Melonen… Wer hat die Melonen… Wer hat die Melonen geklaaaaut?

Entlang der Seidenstraße, 04. bis 29.08.2013

Tagesausflug Hami. Ca. 25 km

Am heutigen Morgen unterhielten und verabschiedeten wir uns noch lange mit 2 Gästen aus Deutschland, die von Peking nach München mit ihren Motorrädern unterwegs waren. Der Qinghai-See soll wohl sehr schön sein. Und in Kasachstan gibt’s wohl kaum Tankstellen, aber mit einer FC-Bayern-Flagge kommt man überall gut durch. Mit großem gegenseitigem Respekt verabschiedeten wir das motorisierte Pärchen, dass wohl doch noch etwas länger braucht um nach Hause zu kommen als wir. Aber wenn der Weg das Ziel ist, ist man doch wohl überall daheim.

Heute stand entspannte Generalprobe auf dem Programm. Hami ist zwar eine nette aber für Touristen nicht unbedingt besonders interessante Stadt. Kennen tut man den Namen meist durch die Hami-Melonen, die schon einige Ming-Kaiser entzückt haben. Im Süden der Stadt sollte es einen großen Melonenmarkt geben. Auf dem Weg machten wir noch einen Zwischenstopp bei dem Mausoleum der muslimischen Könige in Hami. Bis 1930 war hier nämlich noch ein geschichtsträchtiges Königreich, bzw. eher Khanat, welches dem chinesischen Reich allerdings unterstellt war. Leider ist davon jedoch nicht mehr viel übrig geblieben, denn die Stadt wurde während Bauernaufständen fast komplett zerstört und zurückblieben nur noch einige Ruinen.

Auf unserem weiteren Weg in Richtung Melonenmarkt schauten wir auch noch einmal, wie normal-sterbliche begraben wurden. Der Melonenmarkt selber war allerdings leer. Wir seien 2 Wochen zu spät berichtete man uns. Das war etwas enttäuschend, aber auch nicht sooo tragisch, denn es zog uns dringend an ein schattiges Plätzchen. Und die Landstraßengaststätte nebenan, sah nach genau dem richtigen Plätzchen aus. Auch nach den gebratenen Nudeln wollte man gar nicht mehr raus in die Sonne und wir genossen es noch ein Weilchen zwischen Arbeitern, Kindern und Esel sitzen zu bleiben.

Der Rest des Tages wurde gefüllt mit einem letzten Shopping-Trip in der Zivilisation und einem eher experimentellerem Abendessen. Der Abschied von der Zivilisation sollte gebührend mit einem Betthüpferle-Bier gekrönt werden. Doch einen gemütlichen Ort in einer chinesischen Stadt für ein Bier aus dem Supermarkt in der Öffentlichkeit zu finden ist schon eine nicht so einfache Angelegenheit. Die Hotel-Lobby wollte 5 Yuan Flaschenöffnungsgebühr pro Flasche. Das war ja teurer als das Bier selber. Und auf dem Parkplatz durfte man sich auch nicht aufhalten. Alles No-Parking-Zone für Bycicle-Riders… Die Treppe zum Hotel bot aber eine Verantwortungsgrauzone. Denn sowohl die Dame vom Hotel als auch der Wächter vom Parkplatz fühlten sich nicht direkt verantwortlich für uns. So kauerten wir Langnasen auf der Treppe vom 4-sterne Hotel und stoßen an auf eine hoffentlich schöne Fahrradtour.

Bus-Bahn-Schuhe-Fahrrad…

Entlang der Seidenstraße, 04. bis 29.08.2013

Bustranfer nach Liuyuan. Zugfahrt nach Hami

Um Punkt 4 Uhr morgens standen wir alle in der Lobby unseres wunderschönen Hotels in Dunhuang, das wir nur allzu ungern verließen – vor allem um die Uhrzeit! Fast pünktlich kam auch der 40-Sitzer-Bus für uns 6 Passagiere. Das trug nur noch mehr bei zu der unwirklichen Fahrt durch die Wüstenlandschaft in der Dämmerung an dessen Horizont man Umrisse von riesigen Industrieanlagen ausmachen konnte. Der Plan war im Bus weiterzuschlafen. Leider ging dieser wegen den gegeben Straßenverhältnissen nicht ganz auf. Auch das Örtchen Liuyuan wirkte wie aus einem falschen Film. „Hier aussteigen? Wirklich?“. Der ganze Platz um den Bahnhof wirkte wie aus einem Endzeitfilm. Kein Starbucks weit und breit zu sehen – dann machen wir uns eben selber eins also blieb uns nur Instant-Nescafe und Frühstückspakete vom Hotel, dazu noch ein paar Muffins. Leider gab es nur Hardsleeper-Plätze für den Zug und somit wurde schon wieder nicht so richtig was aus dem Plan mit dem Schlafen. Aber chinesisches Schach gegen 3 kleine Kinder im engen Flur des Zuges ist auch immer wieder ein Erlebnis.

Etwa um 12 Uhr kamen wir im Hotel an und suchten uns erstmal was Anständiges zu essen. Reis mit Lammzupffleisch klingt doch gut. War es auch! Dazu Kefir und eingelegter Rettich als Beilage. Wow! Ich bin begeistert! Das könnte ich täglich essen. Ich glaube hier ziehe ich her. Eine Arbeitsstelle hätte ich auch schon. Die Besitzerin des Lokals ist nämlich Englisch-Lehrerin und sucht noch jemand, der sie unterstützen könnte.

Sind die Mägen einmal gefüllt, kehrt auch die Müdigkeit mit voller Wucht wieder ein. Und einen ausgedehnten Mittagsschlaf haben wir uns alle verdient. Außerdem hatte keiner von uns Interesse bei der Hitze draußen rumzuspazieren. Erst als die Abendsonne etwas erträglicher wurde trauten wir uns aus unseren Höhlen und schlurften angepasst an das Tempo der Stadt in Richtung Radladen um endlich unsere treuen Gefährten entgegen zu nehmen. Dann das übliche Ritual: Schrauben, Drücken, Ziehen, Einstellen, Stecken, Drehen. Bis alle mehr oder weniger mit dem Ergebnis zufrieden waren.

Dann war auch schon wieder Essen angesagt. Ein Mitglied des Fahrradclubs im Fahrradladen hatte einen echten Insidertipp und führte uns in die beliebteste Barbecue-Meile Hamis. Auf diesen hübschen Grillanlangen hätte man wohl alles grillen können und es hätte geschmeckt.

Buddha-Tapeten

Entlang der Seidenstraße, 04. bis 29.08.2013

Tagesausflug zu den Mogao-Grotten in Dunhuang. ca. 58 km

Das Hotel in Dunhuang hatte wohl mächtig Mitleid mit der letzten CBB Gruppe und hatte nun seine Leihräder aufgestockt. Neben den klapprigen Dameneinkaufsrädern gab es jetzt auch annehmbare Giant Mountainbikes. Alle wollten endlich mal wieder Radfahren! Aktivurlaub sollte das doch sein! Bisher haben wir uns ja fast nur durch die Gegend kutschieren lassen. Zeit, dass man auch mal selber was für sein Glück tut.

Der Weg war nicht sonderlich spektakulär, jedoch sehr unwirklich. Wir fuhren 15 km mitten durch die Wüstenlandschaft bis wir vor einer kleinen Oase zwischen Sand- und Steinwüste standen. Hier befindet sich die historische Stätte der Mogao-Grotten. Eindrucksvolle Wandmalereien schmücken die Wände und Decken von ca. 400 kleinen Höhlen. Leider durfte man keine Fotos machen aber dafür gibt’s ja Google. Ich staunte nicht schlecht, als man meinte es gäbe auch eine deutsche Führerin durch die Grotten. Ihr Deutsch war wirklich nicht schlecht, dennoch war sie angeblich erleichtert, dass ich dabei war zum übersetzen. Und ich war erleichtert, dass sie dabei war zum erklären.

Die Grotten aus dem 4. Bis 15. Jahrhundert waren sehr beeindruckend. Doch der größte Fund hier ist leider heute auf der ganzen Welt verteilt. Ende des 19. Jahrhunderts fand man hier eine Bibliothek bestehend aus rund 50‘000 Schriften, die einen unglaublichen Einblick in die Geschichte über den Buddhismus und China ermöglichten. Europäische Forscher bekamen davon jedoch ziemlich schnell Wind und nahmen jeder soviel sie konnten mit in ihre Heimat. Man kann darüber streiten ob die Archäologen den Manuskripten damit einen Gefallen getan haben, oder ob es ein Kulturraub war. Fest steht, dass der Fund einen großen Beitrag für das Verständnis der chinesischen Geschichte lieferte.

Nach etlichen Grotten mit Buddhabildnisse an den Wänden und als Statue glitt man langsam ab vom Thema und redete über Familie und Tradition in Deutschland und China. Die letzten Buddhastatuen waren aber dennoch wieder sehr eindrucksvoll. Doch genug war genug. Wir waren auch nicht mehr wirklich aufnahmefähig. So ging es wieder zurück in die Stadt für ein Abendessen in der lokalen Fressmeile mit doppelter Live-Beschallung, bevor wir schleunigst zum Hotel zurückkehrten. Denn um 3:30 sollte schon wieder der Wecker klingeln. Der Zug nach Hami wartet nun mal nicht und die Fahrt zum Bahnhof ist mit 3 Stunden wohl doch etwas länger. Heißt ja auch Aktiv-Urlaub oder so…

Karamelenstau auf dem Weg ins Nichts

Entlang der Seidenstraße, 04. bis 29.08.2013

Ausflug zu den Singenden Dünen.

Dunhuang selber ist mittlerweile wie jede andere Chinesische Stadt auch, nur leicht moslemisch geprägt vielleicht. Plus einem Nachtmerkt mit dem ganzen Touri-Schnickschnack, was so dazu gehört. Warum sind wir denn dann hier? Wegen 2 Dingen, den Mogao-Grotten, dass steht morgen an und den Singenden Dünen. Warum singen die? Weil angeblich in den Tempeln um den anliegenden Mondsichelsee während den Tempelnfeiern zu laute Parties stattfanden und der ewig schlafende Gelbe Drachenprinz sich in seiner Nachbarschaft gestört fühlte und einen riesigen Sandberg über alle Tempel inklusive der ganzen Party-Gemeinde blies. Die schreien heute noch um Hilfe und beklagen ihren Tod. So zumindest die tragische Legendenvariante… Wissenschaftliche Variante: Während einer kleinen Sandlavine wird das Geräusch durch die Resonanz zwischen der trockenen Oberfläche und der nassen Sandschicht da drunter verstärkt, wobei der Sand zwischen 0,1 mm und 0,5 mm groß und Siliciumdioxid enthalten muss. Jeder darf sich selber aussuchen, was einem besser gefällt. Meine Theorie heute zumindest ist, dass man den Geräuschpegel der Touristen hier einfach schöner verpacken wollte. Wenn man der ersten Theorie Glauben schenkt, dauert es auf jeden Fall nicht mehr lange, bis der Drachenprinz wiederkommt und alle unter einem Sandhügel begräbt. Eine unglaubliche Masse an Touristen kommt hier her und will einmal auf dem Kamel reiten und einmal ein Foto mit Dünenlandschaft schießen. Ich wusste, dass hier viel los sein wird, das ganze Theater hat mich aber doch überrascht mit motorisierten Drachenfliegern, Quadbikes, Jeeps und eine Karamele (Kamel + Karawane = Karamele) mit mindestens 500 Kamelen, die im Stau standen um auf die nächste Düne zu kommen. Wahnsinn! Wir bestiegen die erste Düne und setzten uns in den feinen Sand und mussten leider feststellen, dass so einige aus der Gruppe (inklusive mir) das Wetter und die Wüste unterschätzt und kaum Wasser mitgenommen haben. Der Wille einiger von uns die nächste Düne zu besteigen um noch ein bisschen höher und noch etwas weiter vom Trubel weg zu sein war jedoch größer. So ging es doch weiter, bis wirklich etwas Wüsten-Feeling aufkam. Das fehlende Wasser machte mir jedoch zu schaffen. Ich bekam aber über ein kleines Tauschgeschäft mit ein paar Rosinen einen Schluck ab um den Mund etwas anzufeuchten. Ein Tauschgeschäft wie bei den Händlern der Seidenstraße früher.

Erschöpft nach dem wundervollen Sonnenuntergang mit malerischer Kulisse ging es dann den kurzen Weg wieder zurück in Richtung Hotel mit einem ausgedehnten Abstecher bei einer tollen Garküche mit halben Preis und doppelter Portion.

K591

Entlang der Seidenstraße, 04. bis 29.08.2013

Zugtransfer von Xi’an nach Dunhuang

Chinesische Bahnhöfe sind immer so eine Sache. Sie sind oft größer als so mancher Flughafen und funktionieren auch ähnlich wie einer: Sicherheitskontrolle, Zugang zu den Gleisen nur mit Ticket und erst wenn das Gate geöffnet wird. Daher plant man doch lieber etwas mehr Zeit ein. K591 nach Dunhuang hatte allerdings Verspätung wegen Anschlusszügen aus dem Hochwassergebiet in Nordchina. Ganze 4 Stunden verbringen wir also auf dem Bahnhof. Was macht man denn so hier? Nicht viel… Die Tee-Lounge der Hartsitzer-Passagiere mal ausprobieren, sich mit chinesischen Englisch-Lehrern unterhalten, Verpflegung einkaufen, lesen oder einfach nur vor sich hin dösen. Dann ist es so weit und K591 ist endlich eingetroffen. „Fensterputzen!!“ stand bei mir in der Reiseleitermappe. Na dann nochmal schnell raus geflitzt. Der Zug stand allerdings noch so lange, dass man noch locker hätte glanzpolieren können. Naja, kann man ja vorher nicht wissen und auf dem Bahnsteig gelassen werden wollte ich ja auch nicht.

Dann war auch schon das Buffet eröffnet: Kaffee, Kekse, Nüsse, Bier, getrocknete Früchte, frische Früchte. Den Zweck hat es erfüllt. Wegen kleinen Ticketkomplikationen durften ein paar von uns allerdings noch nicht in unser Abteil. Pedantisch, wie Chinesen manchmal sein können, blieb die Tür verschlossen obwohl keiner drin war. Als das Personal aber merkte, dass wir halbwegs zivilisierte Barbaren sind und uns einigermaßen benommen haben, war sie doch gnädig und hat uns rein gelassen. Da konnten wir dann auch unsere Zimmernachbarn kennenlernen, mit denen über Gesellschaft, Psychologie und der ganze Rest geredet wurde.

Das Abendessen war für Zugverhältnisse sogar gar nicht übel. Etwas fad, aber nicht schlecht. Und noch ein kleiner Schlummertrunk vor dem Abendessen und der Zug konnte einem auch nicht mehr vom einnicken abhalten.

Mangavorbilder und die Suche nach der Unsterblichkeit

Entlang der Seidenstraße, 04. bis 29.08.2013

Busausflug zur Terrakotta-Armee und großen Wildganspagode

Heute kann ich es endlich auch bestätigen. Das Frühstück ist super hier. Ich glaube nicht, dass ich jemals eine größere Auswahl bei einem Frühstücksbuffet hatte. Es hätte genau so gut ein Mittags- oder Abendbuffet sein können. Selbst Schimmelkäse gab es. Wer isst denn hier sowas?

Mit wesentlich angenehmeren Temperaturen starteten wir unseren Tag mit einem Ausflug zur Wildganspagode, wo Xuanzang bzw. Tangseng, der wohl bekannteste Mönch der asiatischen Geschichtsschreibung, im Jahre 645 seine aus Indien importierten buddhistischen Schriftrollen übersetzte. Wirklich bekannt wurde er allerdings erst lange nach seinem Tod, als Wu Cheng‘en im 16. Jahrhundert den Roman „Die Reise nach Westen“, angelehnt an seine Reise nach Indien, veröffentlichte. Einer seiner fiktiven Gefährten stiehlt ihm allerdings etwas die Show: Sun Wukong, der Affenkönig. Als dreister Frechdachs richtet er gehörigen Chaos im Himmel an und wird zur Umerziehung Xuanzang als Begleiter und Beschützer mit auf sein Abenteuer geschickt. Unzählige Filme und Serien beziehen sich auf diese Figur. Vielleicht kennen einige San Gokun aus Dragonball? Einer der erfolgreichsten japanischen Trickfilmserien überhaupt…? Nein…? Egal… Auf jeden Fall ein sehr einflussreicher Affe. Der Turm war übrigens auch ganz nett und man hatte einen schönen Überblick über den südlichen Teil der Stadt in alle Himmelsrichtungen.

Anschließend ging es weiter gen Osten zur Terrakotta Armee. Sie ist das Erbe des ersten Kaisers, Qin Shihuang der China einigen konnte. Wer so ein großes Land vereint, dem sei auch ein bisschen Megolomanie gegönnt. Wenn man das von bereits vor 12 Jahren hier kennt freut man sich besonders auf die Ausgrabungsstätte. Im Gedächtnis sind dann allerdings noch kleine Wege über Felder, die zu den 6000 Ton-Soldaten von Qin Shihuang führen. Man kann vielleicht schon erahnen was jetzt kommt… Aus den kleinen Feldwegen sind riesige Touristenfallen und Souvenir- und Andenkfotoläden, KFC und und und geworden. Disneyland lässt grüßen. Der Schock saß erstmal tief. Aber so schnell kann’s eben gehen in China. Auch die Menschenmasse war beeindruckend. Die Menge an Touristen war mindestens so furchteinflößend, wie die Armee selber. Aber hey, seien wir mal fair: Das ist die Wiege der chinesischen Kaisergeschichte und eine beeindruckende dazu. Man stelle sich eine Ausgrabungsstätte so groß wie der Frankfurter Hauptbahnhof vor, in der alles vollgestellt ist mit Ton-Soldaten, die den Kaiser nach seinem Tod beschützen sollen. Eigentlich nur eine Notfalllösung, denn laut Legenden war er besessen von der Suche nach der Unsterblichkeit. Angeblich hat diese ihm paradoxerweise das Leben gekostet.

Erschöpft von den Eindrücken ging es wieder zum Hotel um Kräfte aufzutanken. Es blieb vor dem Abendessen allerdings noch Zeit für die Besichtigung der großen Moschee im muslimischen Viertel. Auf den ersten Blick hätte ich wahrscheinlich gesagt: buddhistischer Tempel. Aber kleine Details verrieten dann doch die religiöse Ausrichtung: die Süd-West Ausrichtung nach Mekka, statt wie sonst immer Nord-Süd; die vielen arabischen Schriftzeichen; das Minarett, dass leider gerade renoviert wird; die Tische für das Iftar-Abendmahl. Der Kontrast zwischen der super-wuseligen Huiminjie ein paar Meter weiter draußen und der Ruhe hier in der Moschee war unglaublich. Wir schlenderten durch die tolle Gartenanlage und bekamen dann doch langsam Hunger beim Zuschauen, wie die ganzen Tische für das Abendmahl gedeckt wurden. Der Duft von Lammfleisch auf heißen Kohlen lockte (die meisten von…) uns dann ins nächstbeste Lokal. Hier gab’s Bier und Essen noch im Hellen während des Ramadans. Aber der chinesische Pragmatismus siegt natürlich mal wieder und wer bei dem Ansturm hier auf der Straße nichts verkauft der ist selber Schuld. Zum Abschluss noch hier und da lokale Süßspeisen aus Reis- und grüne Bohnenmehl mit Rosensirup und die Tagesordnungspunkte waren wirklich alle abgehakt.