Nachts im Museum (Teil 3): Bei den Krösussen

Tal des Roten Flusses, 28.02. bis 22.03.2015

30 km Ausritt rund um Jianshui. Nachmittags frei. Weiterhin in T-Shirt und kurzen Hosen. Oder im kleinen Schwarzen.

Wenn man in unserer Unterkunft hier in Jianshui morgens die Vorhänge öffnet kann es durchaus vorkommen, dass man dann direkt in neugierige Blicke starrt. Unser Hotel ist nämlich gleichzeitig ein Museum. Eigentlich ist es eine ehemalige Residenz, die der Familie Zhu.

Familie Zhu war durch diverse geschäftliche Tätigkeiten in und um Jianshui kurz vor dem Ende der letzten chinesischen Dynastie (Qing) zu einem nicht gerade bescheidenen Vermögen gekommen. Und da die Sippe groß war musste ein entsprechendes Anwesen her. Die Bauzeit dauerte dreißig Jahre und nach der Fertigstellung konnte Famlie Zhu 214 Zimmer, gruppiert um 42 Innenhöfe und verteilt auf 20.000 Quadratmeter, beziehen. Für die Kinder muss es ein Traum gewesen sein dort Verstecken zu spielen. Eine Ausstellung in der Residenz zeigt die Geschichte der Familie Zhu auf. Etwas dunkel gelassen wird dabei, was direkt nach der kommunistischen Revolution 1949 mit ihr passierte. Ich vermute damals ging es ihr plötzlich gar nicht mehr so gut.

Lange stand die riesige Anlage dann leer und verlotterte. Bis die lokale Tourismusbehörde auf die Idee kam die Ruine wieder auf Vordermann zu bringen und so den Herreisenden als weiteres Highlight von Jianshui zu präsentieren. Die letzten sechs Fotos in der Galerie unten wurden alle dort geschossen. Einige der vielen Räume hat man dabei auch gleich zu Hotelzimmer umgebaut, so dass nun darin übernachtet werden kann. Und quasi Feudalist auf Zeit spielen darf. Wir durften.

Das gleich für zwei Tage, denn heute stand ein Tagesausflug rund um Jianshui auf dem Programm. Die Innenstadt von Jianshui ist zwar selbst wie ein riesiges Museum, es gibt viele alte Häuser, mehrere buddhistische Tempel und ein Konfuzius-Tempel, aber uns zog es zunächst aus der Stadt hinaus.

Zunächst zum Huanglong Si, dem Tempel des gelben Drachens. Der besteht aus zwei Abteilungen, nämlich der buddhistischen (rechts) und der daoistischen (links). In der Abteilung für die buddhistische Religion bekamen wir freundlicher Weise eine Führung durch die vielen Hallen. Der nette Mönch (welchen wir etwas später als Nonne erkannten, ohne Haare kann man bei manchen Menschen schlecht erkennen, welchem Geschlecht „es“ angehört) ließ es sich nicht nehmen uns jede Staue beim Namen zu nennen. Mir schwirrte recht bald der Kopf ob der vielen Buddhas mit ihren verschiedenen Funktionen und Hintergründen. Vieles ging dann auch über meinen chinesischen Horizont und ich konnte nicht mal die Hälfte übersetzen. Aber der Wille der Nonne zählte, und dafür dankten wir ihr. Die daoistische Abteilung haben wir uns ohne Führung angesehen.

Gleich um die Ecke des Huanglong Si und 15 Kilometer westlich von Jianshui liegt das Museumsdorf Tuanshan. Hier hatten wir Krösus Nr. 2, die Familie Zhang. Mit einer einzigen Ausnahme gehörte jedes Haus in Tuanshan einem Mitglied der Familie Zhang. Die Zhang-Sippe stammte ursprünglich aus einer anderen chinesischen Provinz, hatte sich dann hier im südlichen Yunnan niedergelassen und schaffte ziemlich erfolgreich in Untertagebau unweit von Jianshui. Das war ebenso am Ende der Qing-Dynastie. Der Zaster rollte und man konnte sich ziemlich noble Anwesen leisten. Nicht nur Wohnhäuser, auch Gartenanlagen, einen eigenen kleinen Tempel und die Ahnenhalle, in der auch Sippenbeschlüsse gefasst wurden. Familientradition stand immer ganz weit oben auf der Agenda.

Noch heute ist das Dorf bewohnt, noch immer von Nachkommen der Familie Zhang. Praktisch jeder dort heißt Zhang mit Nachnamen. Aber Ringelschwänze habe ich bei keinem der Einwohner entdeckt (wer das Buch „Hundert Jahre Einsamkeit“ gelesen hat wird wissen was ich meine). Die Touristen können ganz frei in die Innenhöfe und Wohnzimmer der Dorfbewohner betreten. Also nicht ganz unähnlich unserer Herberge in Jianshui. Für mich wäre das ja nix, aber die Einwohner haben sich wohl inzwischen daran gewöhnt. Und profitieren natürlich auch von Tourismus, denn es wird für die Besichtigung des Dorfes ein Eintritt erhoben.

Bisher hatten alle unsere Gruppen für die Fahrt nach Tuanshan und zurück nach Jianshui die selbe Straße benutzt. Aber kurz hinter Tuanshan entdeckte Heiko eine weitere Straße, welche in Richtung Jianshui zeigte. Bei so etwas bin ich normalerweise eher misstrauisch, denn bekanntlich sind die längsten Wege unbekannte Abkürzungen. Aber hier bewies Heikos Nase den goldenen Riecher. Die Straße führte nicht nur zurück nach Jianshui, sie war auch fast komplett Autofrei, ziemlich neu angelegt und mündete genau auf den letzten Besichtigungspunkt unseres kleinen Ausrittes, der Doppeldrachenbrücke. Die ist auch schon ziemlich alt (über 250 Jahre) und auf den Fotos da unten zu sehen.

Zurück in Jianshui war der Tag schon etwas fortgeschritten, aber es blieb noch genug Zeit, damit jeder die Stadt für sich bzw. Pärchenweise unsicher machen konnte. Gemeinsames Abendessen wie am Vortag. Erwartungsgemäß lecker.

Aus der Rubrik „Wir grüßen“ heute: Ganz herzliche Geburtstagsgrüße an unseren Reiseleiter Martin in Dali! Ich hoffe er durfte nicht nur seinen eigenen Geburtstag feiern, sondern auch den seines zweiten Kindes, welches dieser Tage erwartet wird.

[map style=“width: auto; height:400px; margin:20px 0px 20px 0px; border: 1px solid black;“ gpx=“https://china-by-bike.de/blog/wp-content/uploads/2015-03-06_Hong151.gpx“]