Keine Chance für Sonnencreme

Berg und Wasser , 04. bis 26.10.2015

89 Kilometer von den Reisterrassen von Pingan nach Sanjiang. Feucht.

Gestern hatten wir noch Glück mit dem Wetter. Zwar war es den ganzen Tag über bedeckt und in der Nacht zuvor hatte es geregnet, aber unsere kleine Wanderung, die der Teilnehmer, der nicht genannt werden möchte, vollkommen übertrieben beschrieben hat, haben wir fast ausschließlich trockenen Fußes zurück gelegt.

Als wir uns heute zu gewohnter Zeit um acht Uhr zum Frühstück trafen regnete es bereits. Nicht in Strömen, tröpfchenweise. Auf der Abfahrt von den Reisterrassen hinunter ins Tal und weiter bis nach Heping, wo wir vor zwei Tagen übernachtet hatten, hörte der Regen sogar auf. Aber ab Kilometer 18 setzte er wieder ein und hörte für den Rest des Tages nicht mehr so richtig auf. Es pladderte nie so stark, dass es überhaupt keinen Spaß mehr gemacht hätte. Aber genug, um keine Fotostopps einzulegen. Daher nur die fünf Fotos in der Galerie.

Unser Etappenziel, die Kreisstadt Sanjiang, erreichten wir um halb fünf. Dort das übliche Schmutzbierritual, nur dass es diesmal kein örtliches Gebräu gab, sondern Berlin Bier aus der Dose. Komplett mit Reichsadler von annodazumal. Xiao Yang hatte es irgendwo aufgetrieben und wollte uns damit etwas Gutes tun. Geschmeckt hat es nicht schlecht, aber bitte das nächste Mal wieder original Einheimisch statt nachgebraut Ausländisch. Danke!

Anschließend haben wir uns kurz zum Trocknen aufgehängt und sind dann Abendessen gegangen. Damit endete ein relativ ereignisloser Tag.

Rückblende.

1995 war unser spannenstes Erlebnis in Sanjiang der Besuch der örtlichen Polizeistation. Ich schrieb bereits, dass damals keine Hotels vorreserviert waren und Volker und ich in den meisten Orten gar nicht wussten, wo wir übernachten könnten. Oft lief es so ab: Wenn wir einen anvisierten Übernachtungsort erreicht hatten blieb einer von uns mit der Gruppe am Ortseingang, während sich der andere nach einer passenden Herberge umschaute. In Sanjiang war es an mir eine Unterkunft zu suchen, während Volker in der Zwischenzeit die Gruppe bespaßte.

Ich wurde auch alsbald fündig und entdeckte ein ziemlich schlichtes Hotel, welches ausreichend Zimmer für uns hatte. Vom Standard her dicht unterhalb einer Jugendherberge, aber mehr gab weder Sanjiang noch unser vorgegebenes Budget her. Schlicht und schmutzig war unsere Gruppe ohnehin inzwischen gewohnt.

Die Registrierung im Hotel war einfach, ich musste meinen chinesischen Namen in eine Kladde eintragen und dazu schreiben, dass wir eine Gruppe von 12 Personen sind. Fertig.

Nach dem Beziehen der Zimmer sind wir essen gegangen. Zurück im Hotel wartete Besuch auf uns. Nämlich Abgeordnete des Polizeibüros, welches in Sanjiang für ausländische Angelegenheiten verantwortlich ist. Schnell hatte es sich in dem kleinen Städtchen herumgesprochen, dass Langnasen eingetroffen sind (zu der Zeit hat sich kaum ein westlicher Ausländer nach Sanjiang verirrt), und noch schneller hatte die für Ausländer zuständige Polizeiabteilung spitz bekommen wo wir abgestiegen sind.

Unser Hotel hatte keine Lizenz Ausländer aufzunehmen (solche Hotels gab es damals noch recht viele) und wir hatten uns nicht ordnungsgemäß registriert, also mit Namen, Reisepass-Nummer und ähnlichen formellen Angaben, die eigentlich niemanden interessiert, aber doch so wichtig sind in einer bürokratischen Gesellschaft. Somit Schuldig in zwei Punkten der Anklage.

Dass unser Hotel keine Ausländer aufnehmen durfte, dafür konnten wir nichts. Aber wir hätten wissen müssen, dass man sich als Ausländer unterwegs in China ordentlich anzumelden hat. Was wir versäumt hätten. Schuldig in einem Punkt der Anklage. Unsere Reisepässe wurden eingesammelt (beinahe hätte ich „konfisziert“ geschrieben) und wir wurden eingeladen (beinahe hätte ich „aufgefordert“ geschrieben) am nächsten Tag auf der Polizeiwache zu erscheinen.

Der Einladung sind wir natürlich gerne gefolgt. Im ziemlich schäbigen Büro der für Ausländer zuständigen Polizisten versammelt wurde uns mitgeteilt, dass wir als Strafe für die unterlassene Registrierung 300 chinesische Yuan pro Langnase zahlen müssten. Das war damals für uns viel Geld. Umgerechnet etwa 30,00 DM /15,00 Euro pro Person. Vielleicht waren es mehr chinesische Yuan und weniger DM/Euro, vielleicht auch umgekehrt. So genau weiß ich das leider heute nicht mehr.

Aber ich weiß, dass Volker und ich anfingen zu handeln. Wie auf dem Viehmarkt. Die Verhandlungen waren zäh aber erfolgreich, denn zum Schluss einigten wir uns auf 50 chinesische Yuan pro Teilnehmer der Gruppe ausländischer Freunde und eine handschriftliche Selbstkritik.

Die Selbstkritik war der schwierigste Part. Volker und ich haben uns hingesetzt und in hanebüchenem Chinesisch aufgesetzt, dass wir gegen die Gesetze der Volksrepublik China verstoßen hätten, dieses aber nicht in böswilliger Absicht und von jetzt an hoch und heilig geloben, die Gesetze eingehend zu studieren und zu befolgen.

Oder so ähnlich, auch das weiß ich nicht mehr so genau. Volker, hatten wir damals eigentlich noch ein „Lang lebe der Vorsitzende Mao“ am Ende geschrieben?

Selbstkritik fertig geschrieben, Strafe bezahlt, unsere Gruppe durfte die Polizeistation wieder verlassen und zur Tagesordnung übergehen. Was haben die Teilnehmer unserer Gruppe aus dem kleinen Malheur gemacht? Für sie war es ein echtes Highlight der Tour. Noch Jahre später haben sie davon geschwärmt! Logisch, durch China mit dem Fahrrad zu fahren kann fast jeder. Aber ein Besuch auf einer chinesischen Polizeistation ist nur den privilegierten Touristen vorbehalten.


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2 Kommentare:

  1. Hallo an alle, Volker hier!

    Hatte ich da nicht noch ein „Lang lebe die Freundschaft zwischen den Völkern der Welt“ geschrieben oder nur gesagt?

    Was Du vergessen hast zu erwähnen: Der Polizist hatte gerade eine Reiseagentur gegründet und bat uns, ihn beim nächsten Besuch zu kontaktieren, er könnte uns ein Hotel und das Besichtigungsprgramm sowieso organisieren.

    Liebe Grüße aus Peking,
    Sonne pur und kein Ende!

    Der Ex-Regenmacher

  2. Viele Grüße vom gestürzten Martin aus Delmenhorst. Er hat heute Günther getroffen, dem es allmählich besser geht: Gott sei Dank. Ein besonderer Gruß an Klaus,meinem Platzhalter. PS: Als ich im Blog den Sturz gelesen habe, bekam ich doch ganz schön Gänsehaut! Trotzdem, ich wäre gerne bei Euch, Günther ( Martin ).

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