Die große Fahrt beginnt! 1. Etappe: Wantian

Berg und Wasser, 08. bis 29.10.2011

„Du bist dicker als letztes Jahr“ so begrüßt mich der Chef des kleinen Hotels, in dem wir die heutige Nacht verbringen werden. Die sprichwörtliche chinesische Ehrlichkeit ist schon manchmal deprimierend. Weil ich so blöd war, den anderen davon zu erzählen, werde ich jetzt nur noch die dicke Reiseleiterin genannt.

Aber von Anfang an: Wir hatten heute morgen die Innenstadt Guilins noch nicht verlassen und schon suchte uns die erste Reifenpanne heim. Wieder war Siggi der Pechvogel mit einem Plattfuß. Doch sollte das die letzte Panne für den heutigen Tag bleiben. Das Wetter war schwül-diesig, verhangen und knapp vor unserm Mittags-Halt holte uns dann auch noch eine recht heftige Regen-Husche ein.
Die Fahrt führte uns durch Pomelo-Plantagen und Orangenhaine. Es ist gerade Erntezeit und die Straßen werden flaniert von Bauern, die ihre Ernte verkaufen. Riesige gelbe Pomelo-Berge neben kleinen provisorischen Zelten, ausgestattet mit Bett und Fernseher, in denen die Verkäufer ihre Tage und Nächte verbringen.

Nach dem Mittagessen hatte sich der Regen verzogen und da es nur noch knapp 20 km zu unserer heutigen Unterkunft waren, entschlossen wir uns, einige Abstecher zu machen.
Wir fuhren zum Xuelang Hu (Schneewolf See), einem See voller Karpfen, eingebettet in einem blühenden Osmanthus-Hain. Kleine malerische, dem Verfall preisgegebene Herbergen säumen das Ufer und eine Brücke, sanft geschwungen – wohl zur Abwehr böser Geister (die ja nur geradeaus können) – mit kleinen Pavillons führt über den See, hier und da ein Angler. Tropische Schmetterlinge und bunte Libellen tanzten über die ruhige Wasserfläche. Fraglich ist allerdings, wie lange diese Brücke noch halten wird, die hölzernen Pfeiler sind verrottet und brechen an verschiedenen Stellen weg. Der erfindungsreiche Chinese hat einfach eine Ladung Zement darüber geschüttet….

Ein Stück weiter des Weges ragt eine Halbinsel namens Hualiandao in den Fluß, darauf große Hallen in klassischer Holzbauweise errichtet, die gastronomischen Zwecken dienen, dahinter eröffnet sich eine friedliche Auenlandschaft in der hie und da Kühe weiden.

Nur kurze Zeit später erreichen wir Wantian und müssen erstmal an Ort und Stelle ein Bier trinken. Danach geht es an die Zimmerverteilung. Nachdem für Siggi nur ein Zimmer zur Straße übrig bleibt, entschließt sich Hans spontan, sein Zimmer mit ihm zu teilen.
Als alles erledigt ist, schwingen wir uns noch einmal auf die Räder, um ins Dorf zu fahren. Hier ist gerade die (alljährliche?) Luohan-Frucht Verladung im Gange (wir waren auf dieser Etappe bereits an einigen Luohan-Feldern vorbeigekommen). Kiste um Kiste wird gestapelt und auf kleine LKWs verladen, das halbe Dorf scheint hier beschäftigt.
Die andere Hälfte ist im hinteren Teil des Dorfes zu Gange, wo an Marktständen verschiedene Waren feilgeboten werden. Wir decken uns erstmal mit reichlich Obst für den kommenden Tag ein, die Bananen kaufen wir direkt vom Laster. Dabei werden wir neugierig von den Dorfbewohnern, besonders den Kindern, beäugt.

Das Abendessen gipfelt in einer Flasche „Brett-Schnaps“. Die Betten sind hier nämlich so hart, dass alle der Meinung sind, man müsse sie gehörig weichtrinken, und das am besten mit 53-Prozentigem. Unsere Wirtin findet es wohl ziemlich stark, dass wir die größte Flasche mit dem stärksten „Baijiu“ bestellen. Sie gibt mir den guten Rat, nicht soviel zu trinken, sonst sei mein Kopf bald so rot wie der von Siggi.
Ein wenig besorgt bin ich dann auch schon, als mir einige von Fröschen auf der Toilette erzählen. Das ändert sich allerdings, als ich nach der Rückkehr auf mein Zimmer (in nüchternem Zustand) eine tote Fledermaus auf meinem Bett finde, offensichtlich vom Ventilator hingerichtet.
Im übrigen scheint die Gegend etwas unsicher zu sein, zur Nacht haben wir unsere Fahrräder und das Begleitfahrzeug ins Esszimmer gefahren.
Morgen freuen wir uns alle auf die Reisterrassen, wir haben auch alle aufgegessen, damit das Wetter gut bleibt.


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Historisches Gemäuer in den Bergen

Berge, Tempel, Thangkas, 24.09. bis 24.10.2011

24 Kilometer von Ledou nach Qutan, Besichtigung des Qutan Klosters, 500 hm bei Sonne und Wolken und bis 18 Grad, abends frostig kalt

Der Morgen schaut gar nicht gut aus, es regnet in Strömen, als wir unsere Kaffee schlürfen. Da es weiter regnet trinken wir dann noch einen Kaffee und noch einen weiteren, dann wird es langsam heller und tatsächlich, als wir das Hotel verlassen, nieselt es nicht einmal mehr und etwas später kommt sogar die Sonne raus.
Heute verlassen wir die größeren und mittleren Straßen und es geht auf einer winzigen Straße bergan, durch zahlreiche Dörfer hindurch. Die Höfe sind mir massiven Lehmmauern umzogen, richtige kleine Festungen und nur selten gelingt ein Blick durch die kleinen Tore ins Innere. Dort sieht es nämlich ganz wohnlich aus, meist gibt es zwei Gebäude, die L-förmig den halben Hof ausfüllen. Hinter einer Glasfront, die praktisch eine Art Wintergarten Bilder, liegen dann vielleicht fünf oder sechs Zimmer aneinandergereiht. In den Höfen, in denn bunte Fahnen wehen sind meist tibetische Familien zu Hause, in den anderen Höfen Chinesen und Hui.
Heute haben wir nur 25 Kilometer vor uns und die sind in einer überaus herbstlichen Landschaft sehr schön. Überall gibt es Pappelhaine, die sich in allen Gelbtönen verfärbt haben, bis hinauf in das kleine Dorf Qutan, in dem es ein recht großes buddhistisches Kloster, das wie der Kaiserpalast in Beijing strukturiert ist. Die Anlage stammt aus der Ming Dynastie, aus dem 14. Jahrhundert und das besondere ist, dass sie sich ohne Rekonstruktion in einem wunderbaren Zustand befindet. In den Hallen vermischt sich chinesischer Buddhismus und tibetischer Lamaismus und in den Aufgängen befinden sich über 600 Quadratmeter original erhaltene Wandmalereien. Hier geht man nur staunend entlang und bewundert die Details der Gemälde, die das Leben des Buddha wiedergeben. Interessant sind vor allem die kleinen Randszenen, die einen Einblick in das kaiserlich-herrschaftliche Leben der Ming Dynastie geben. Obwohl sich die Anlage auf der Liste der Kulturdenkmäler der VR China befindet gibt es so gut wie keine Touristen hier und damit im Ort auch kein Hotel.
Bei meinem letzten Aufenthalt hier gab es eine kleine Ferienanlage mit netten kombinierten Ess und Schlafzimmern und auch die hat jetzt zugemacht. Bleiben also nur noch zwei mickrige Herbergen, die noch 80er Jahre Standard aufweisen. Das heißt es gibt schmucklose kleine Zimmer ohne Heizung mit zwei oder drei alten Betten und Bettzeug, das nur einmal in der Saison erneuert wird. Die Toilette ist auf dem Flur und stinkt bis zum Erbrechen.
Doch darauf waren wir eingerichtet und entrollen unsere Schlafsäcke. Am Nachmittag ist es hier oben 2400 Metern ziemlich kalt geworden, wenn die Sonne zwischen den Wolken hervorkommt ist es angenehm, kaum schiebt sich eine Wolke davor bläst der Wind eisig. Wir steigen noch auf den Berg hinter dem Dorf und man hat eine tolle Aussicht über das Dorf Qutan. Unten liegen die viereckigen Wohnhöfe und in der Mitte des Dorfes das Kloster. Überall liegen rundherum bis zu den bergen kleine Felderchen, meist sogar terrassiert und weiter hinten auf den Bergen liegt wieder etwas Schnee. Langsam sinkt die Sonne tiefer und taucht alles in ein romantisches Licht.
Schon um 18 Uhr essen wir in dem fast einzigen Lokal im Dorf, das essen ist recht ordentlich. Ich hatte schon am Mittag bestellt uns so konnte die Wirtin noch Gemüse auf dem kleinen Markt besorgen. Eine Stunde später ist in dem Dorf nichts mehr los, alles ist dunkel und finster, kein Laden hat mehr offen und nur noch in ein paar Fenstern brennt Licht. Ein eisiger Wind bläst durch die Straßen und so bleibt nichts weiter übrig, als im Bett zu verschwinden und sich im Schlafsack einzurollen.


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