Auf dem Dach der Welt, 27.09. bis 22.10.2011
Aber was will man machen, wenn man wieder ein großes Kloster besucht, wie heute: Tashilhunpo, den „Berg des Glücks“. Es ist das größte aktive Kloster Tibets und seine Geschichte ist hochdramatisch: die Gründung veranlasste der erste Dalai Lama (1447) und setzte seinen Lehrer als Abt ein, dieser gilt als der Erste der Panchen Lamas. Im Folgenden hatten die Inkarnationen des Dalai und des Panchen Lama eine konfliktreiche Geschichte, beide standen in Konkurrenz und waren doch aufeinander angewiesen. Der Panchen muss z.B. den nächsten Dalai Lama bestätigen: der heutige elfte Panchen Lama residiert in Beijing, von der VR-Regierung handverlesen. Die eigentliche Inkarnation verschwand 1995 und lebt seitdem unbekannt irgendwo im Hausarrest. Ein Grund mehr für die Prophezeiung, dass der 14. Dalai Lama auch der letzte sein wird.
Große Teile Asiens sind vom Buddhismus durchdrungen, Hoch-und Alltagskultur, alles Leben. Das könnte irgendwann langweilig werden, aber das Gegenteil ist der Fall. Weil man einerseits immer mehr davon kennenlernt und der Buddhismus andererseits sehr vielfältig ist. Tibet übt sich in Synkretismus: Elemente des südostasiatischen Hinayana („kleines Fahrzeug“) verschmelzen mit dem ostasiatischen Mahayana („großes Fahrzeug“) und werden ergänzt durch ganz eigene, tantrische Herangehensweisen, denen des Vajrayana („diamantenes Fahrzeug“).
Es ist bei allen Theorien viel beeindruckender, die Gläubigen selbst zu erleben: wie sie ihre Sanskrit-Mantras murmeln, wie sie mit ihren Gebetsketten und Gebetsmühlen um Stupas und Tempel laufen. Auf unseren Strecken flattern die Gebetsfahnen, aus den Autos regnen Papiere mit den Windpferden des Buddhismus auf uns nieder. Die weißen Kathag (Schals) wurden uns zur Begrüßung umgehängt, man sieht sie an Tempeltüren hängen und an religiös aufgeladene Stellen gewickelt. Kurz hinter Lhasa haben wir ein paar Frauen auf ihrem Pilgergang gesehen, in ständigen Niederwerfungen. Wahrscheinlich kommen sie aus Osttibet und haben schon Monate wenn nicht Jahre hinter sich, bis nach Indien oder vielleicht zum Kailash werden es weitere Jahre sein. Sie falten ihre Hände und lassen sich auf die Knie sinken, dann strecken sie sich zu voller Länge aus. Aufstehen, drei Schritte und die gleiche Prozedur. Aber angelacht haben sie uns dabei.
Hier ist alles durchdrungen vom Buddhismus, ganz egal ob die geistige Führung nun emigriert ist, ob es zunehmend Folklore wird oder ob der Staat in den meisten Entscheidungen seine Hände im Spiel hat. Meine Gruppe ist auch durchdrungen, natürlich ohne ihr Dasein im roten Staub der derzeitigen Wiedergeburt dadurch geringer zu schätzen. Helmut wollte heute mit der Rikscha ins Hotel zurück und landete in einer Seitengasse, der Fahrer hatte die Flucht ergriffen (dass wir uns hier recht verstehen: Helmut ist der netteste Mensch!). Da saß er dann wohl in der Rikscha und ist irgendwann zu Fuß los. Aber beim Abendessen war er anwesend. Jens hat ein weiteres Hausschild erobert, das wird Gudula freuen und wahrscheinlich weiß jetzt nur sie, was damit gemeint ist.
P.S. Blog hoffentlich wieder in Lhatse, in zwei Tagen. Wenn dann nicht, dann lange nicht.