Nubtse Schicksalsberg

Auf dem Dach der Welt, 27.09. bis 22.10.2011

Eine junge Expedition – das waren wir – hatte sich auf den Weg gemacht um das Geheimnis hinter dem wundervollen Namen Nubtse zu lüften, um den gleichnamigen Berg zu erstürmen und damit der Menschheit zum Geschenk zu machen. Es sollte scheitern.

Im Bilddokument sind die Mitglieder der Expedition festgehalten. Hoffnungsfroh und angestrengt blickt man in die Ferne, auf der Suche nach dem Nubtse. Was der aufmerksame Beobachter feststellen wird: zwei wichtige Mitglieder fehlen bereits hier! Eckhard wurde wegen Ober Mörlen-Propaganda vom chinesischen Staatsschutz festgesetzt. Er ist wieder in unseren Reihen, sein Körper ist immun gegen Schmerz (das macht das Stahlbad von 45 Deutschen Sportabzeichen), sein Geist scheint wach. Aber er ist ein wenig stiller als sonst. Man stelle sich Jack Bauer in der Serie 24 vor, und zwar als dieser aus dem chinesischen Umerziehungslager freigesetzt wird, die Staffel habe ich jetzt leider nicht mehr im Kopf…
Und dann fehlt noch Frank, der wie im Rausch dem Berg entgegenlief, der dem Berg schon nach dem ersten Blick erlegen war. Er war übrigens der einzige, der in die richtige Richtung rannte, wir dagegen schauen nach Nordnordost, zugegebenermaßen komplett orientierungslos. Der Berg liegt dabei genau hinter uns! Und zwar noch hinter dem Everest, dort windet er sich empor, der feingerippte Kamm des Nubtse.

Also erst über den Everest. Das wäre das geringste Problem gewesen. Aber wären wir auf nepalesisches Hoheitsgebiet gekommen, das hat uns nachdenklich gemacht, einen diplomatischen Eklat wollten und konnten wir nicht verursachen, nicht jetzt. Wir mussten unsere Expedition abbrechen, bevor sie recht begonnen hatte. Nubtse heißt er also, der neue Schicksalsberg der Deutschen, damit hat er das tragische Erbe des Nanga Parbat angetreten. Aber oh du schöner Nubtse, bald wirst Du uns gehören. Zunächst sind wir jedoch wieder zurück nach Baipa gebrettert, über die legendär schlechte Holperpiste. Immerhin haben wir die Tibetische Bergantilope erspäht und haben Häuptling Nasenbär mit seiner Familie einen weiteren Besuch abgestattet. In Baipa konnten wir uns auch mal wieder duschen.

2. Etappe – Immer nach oben!

Berg und Wasser, 08. bis 29.10.2011

In den heutigen Tag starten wir mit einer kräftigen Nudelsuppe. Dann geht es auch schon los in Richtung Ping‘an, einem Dorf inmitten der Longji-Reisterrassen. Auf dieser Etappe müssen wir 1300 Höhenmeter überwinden, aber wir haben uns ja gut eingedeckt mit Bananen, Birnen, Mandarinen und Süßkram, so dass wir eventuelle Energie-Defizite problemlos überwinden können. Die Fahrt führt uns durch die grünen Hügel einer reizvollen Landschaft. Ab und an passieren wir Gehöfte und Dörfer. Wir geniessen die Fahrt und es sieht fast so aus, als ob es heute trocken bleiben würde.
Doch ca. 10 km vor unserem angepeilten Mittagshalt in Heping setzt ein leichter Nieselregen ein, der sich nach und nach zu etwas entwickelt, was man getrost als starken Landregen bezeichnen kann. Irgendwann hallten wir es nicht mehr aus und stellen uns unter einen Baum am Wegesrand. Es dauert nicht lange und die Bewohner des gegenüberliegenden Hauses haben uns entdeckt und bitten uns herein, Nach und nach kommt der halbe Hof herbei, um einen Blick auf uns zu werfen. Die drei Frauen, die uns so herzlich hereingebeten haben, sind völlig fasziniert von Karl-Heinz. „Ist der aber groß“ sagen sie immer wieder. Dann schlendert der Herr des Hauses gemütlich rauchend herbei, unser Fahrer offeriert eine Zigarette, die erstmal hinter seinem Ohr landet.
Als der Regen ein wenig nachlässt, brechen wir auf, hinter uns verschwinden langsam die Fenster mit den winkenden Frauen.

In Heping angekommen stärken wir uns, haben wir doch noch einen ziemlich steilen Abschnitt vor uns, denn wir aber ganz gut bewältigen. Als wir die Tore Ping‘ans erreichen , empfängt uns der übliche Tumult. Trägerinnen reisen sich um unser Gepäck, und wie immer gibt es Diskussionen um den Preis. Irgendwann stapfen wir durch das nasse, tropfende Dorf und ich frage mich ersthaft, ob ich diesen Ort jemals regenfrei erleben werde.

Am frühen Abend machen wir einen kurzen Spaziergang im Dorf, da die Sonne aber bald untergeht und wir auch etwas geschafft von der Fahrt im Regen, landen wir ziemlich schnell in einem Restaurant.
Wir fragen uns zuerst, ob es ein schlechtes Zeichen sei, dass wir die einzigen Gäste sind, werden aber eines Besseren belehrt, als das Essen auf dem Tisch steht. Der Wirt hat sich sogar bereit erklärt, den Fisch für uns zu filetieren.
Nach dem Essen trennen sich diejenigen, die in der vergangenen Nacht zur Straße geschlafen haben von dem Rest der Gruppe. Letztere, nämlich Simone, Hans und Heinz gehen noch was trinken, während Silke, Andreas und ich, geschafft von den vielen LKWs, die letzte Nacht durch unsere Zimmer gefahren sind, ins Hotel zurückkehren.


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Durchs Rote Tal

Berge, Tempel, Thangkas, 24.09. bis 24.10.2011

97 Kilometer von Qutan nach Xhuhua, 97 Kilometer und 1450 hm über einen Pass von 3818 Metern bei -1 bis 15 Grad, gigantische Abfahrt bis zum Gelben Fluss

Schon um halb 7 klingeln die Wecker und wir sind um 8 Uhr beim Frühstück und verlassen unseren einfachen Übernachtungsplatz. Draußen ist es glasklar und frostig kalt, auf den Pfützen ist dickes Eis. Doch dort wo die Sonne hinscheint fühle es sich schon recht wohlig an.
Unser Frühstück haben wir schon für sieben Uhr geordert, es kommt natürlich erst 25 Minuten später, trotzdem sitzen wir um 8 Uhr auf den Rädern und radeln unserer heutigen Hammeretappe entgegen. Vor uns liegen 1450 Meter Anstieg bis zum Pass und davon die Hälfte nicht asphaltiert.
Gleich von Anfang an geht es leicht bergan, die Sonne beginnt sich über die Hügel zu schieben. Dort, wo die berge noch lange Schatten werfen, hängt der Nebel dicht im Tal und dann bohren sich die ersten Sonnenstrahlen durch die weiße Wand. Man radelt durch eine fast mythische Zauberwelt, wenn da nicht Opa und Oma auf der Straße wären, die ihre Enkel zur Schule bringen, vielmehr erwartet man Fabelwesen, doch dann verwandelt sich der Schatten doch wieder in einen Esel.
Nach 10 Kilometer ist dann der Asphalt zu Ende, doch die Piste ist recht gut und wir gewinnen rasch an Höhe. Auf der anderen Seite im Tal werden die Pappelhaine durch Nadelwälder abgelöst und wir haben einen schönen Blick von oben, auf die jetzt vorwiegend tibetischen Dörfer.
Mit jedem Bogen und jeder Schleife nach oben wird es auch kühler. Zwar zeigt das Thermometer in der Sonne 17 Grad an, aber ab 3000 Meter sind auch die Pfützen und kleinen Bäche im Sonnenschein noch gefroren. Den einzigen, denen das kalte Wetter nichts auszumachen scheint sind die Yaks, die uns kurz vor dem Pass neugierig beäugen und wir sie. das ist eigentlich gar nicht typisch für die Tiere, die sonst immer scheu das weite suchen.
In jeder Kurve hat man dann die Aussicht über das ganze massiv, unser Startpunkt liegt mehr als 1000 Meter unter uns und auf den Bergen liegt ungefähr ab 4000 Meter Höhe Schnee. Oben am Pass, bei immerhin noch einmal 3816 Metern Höhe gibt es nur ein paar vereinzelte Schneefelder und auf der anderen Seite liegt eine weit flache Hochebene.
Nach einem Kaffee und ein paar Keksen vermummen wir uns und stürzen uns in die Abfahrt.
Rauschend geht es durch die Kühle in die weite Ebene und nach 10 km beginnen dann auch wieder der Asphalt und das Leben. In den kleinen Dörfern links und rechts wird die Gerste geerntet, das Stroh steht in großen dekorativen Bündeln in der Landschaft mit hohen Schneebergen im Hintergrund. Rasend geht die Abfahrt weiter bis nach Hualong, dort findet sich an einer Kreuzung ein kleines Lokal mit einer kräftigen Fleisch-Nudel Mahlzeit, die wir nach dem langen Anstieg und der Auskühlung auch brauchen.
Der rest des Tage ist dann nur noch Genuss, denn es geht auf guter Straße weiter abwärts und noch einmal rech steil, vorbei an einem kleinen Stausee mit wieder herbstlichem Laub hinein in ein steile und enge Schlucht. Leider sind die Lichtverhältnisse so, dass sich kaum ein vernünftiges Foto machen lässt, die Sonnenseite überblendet die dunkle Schattenseite um ein Vielfaches, jeder Versuch eines ausgeglichenen Fotos ist aussichtslos, bis sich das Tal etwas weitet. Dann beginnen auch rote Felsattraktionen unsere Blicke auf sich zu ziehen und es wird immer monumentaler. Dabei geht es immer weiter nach unten, bis auf 1850 Meter Höhe. Dort hat sich der Gelbe Fluß seinen Weg aus dem Tibetischen Hochland gegraben. Es war wirklich eine tolle Abfahrt über drei Stunden, allerdings wir uns bei dem Gedanken, dass wir morgen alles wieder nach oben müssen ganz schummerig.
Die mehreren hundert Meter hohen, roten und trockenen Felswände sind zerfurcht und zerklüftet von Wind und Wetter und wir stoppen aller Nase lang, um den Ausblick zu genießen. Das Tal ist in keinem Reiseführer erwähnt und könnt doch ähnlichen Attraktionen in Amerika Konkurrent machen.
Allerdings ist die Kommunikation schwierig, die hiesige Minderheit sind auch Moslems und keine Hui, sondern nenne sich Salazhu, also Sala-Minorität, die sich aber in ihrem Erscheinungsbild kaum von den Hui unterscheiden, allerdings eine eigene Sprache haben und deren Chinesisch tendenziell katastrophal ist.
Trotzdem finden wir in Xunhua ein neues Hotel, das mit Sauberkeit und heißem Wasser überzeugt und auch das lokal um die ecke ist nicht schlecht. Zwar auch ein Moslemlokal, aber wir dürfen unser abendliches Bier von draußen holen. Nach den Strapazen des Tages mundet es hervorragend und macht müde, so dass wir recht zeitig wieder ins Bett verschwinden.


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