Stille Welt

Auf dem Dach der Welt, 27.09. bis 22.10.2011

Die letzten beiden Tage waren meditativ, was das Radfahren angeht. Wir sind auf ziemlich konstanten 4000m das Hochplateau entlanggefahren, es ging meistens geradeaus, von der Sonne beschienen, durch Landschaften von faszinierender Ödnis. Hier tritt jeder schweigend vor sich hin und geht seinen Gedanken nach, man darf wohl annehmen dass es tiefe Gedanken sind. Atem und Wind sind zu hören, manchmal auch ein Tashi Delek (das ist der tibetische Gruß) aus dem Nichts. Etwa von den kleinen Stimmen der Kinder, die auf ihre Schafs- und Ziegenherden aufpassen. Großvieh gibt es hier eher weniger, manchmal Landwirtschaft, natürlich Gerste im Endstadium der Ernte. Schön ist es, die Schattenspiele der Wolken auf den Hügelketten zu beobachten, die Wolken hängen tief und fast regungslos am Himmel.

Dabei fing der Tag gestern für einige von uns nicht gerade meditativ an, unter Franks Federführung hatte man den Tag der Republik durchexerziert und es war spät geworden. Am Abend hatten sich alle gefangen, die nächste Hüttenidylle wurde gefasst zur Kenntnis genommen und zu später Stunde fand man sich schon wieder leutselig im Blauen Salon ein und pflegte leichte Konversation. Whist wurde gespielt, Twist wurde getanzt. Die Stille Welt erwacht nachts zum Leben, insbesondere unser gestriges Straßendorf. Leider nur die Welt der Straßenhunde, kein Wunder dass die den ganzen Tag erschöpft in der Sonne liegen. Was ist nur aus den legendären tibetischen Mastiffs geworden?

Heute haben wir den 5000sten Kilometer der Staatsstraße 318 passiert, der Friendship Highway ist ja nur das letzte Teilstück dieser Straße, welche von Shanghai nach Zhangmu an der nepalesische Grenze verläuft (es ist nicht mal die längste Straße in China, die 010 von der russischen Grenze nach Hainan ist über 5700km lang!). Natürlich haben wir für ein Gedenkfoto posiert, Peter hat an seine Tochter gedacht die in Shanghai lebt und arbeitet. Nächste Woche kommt dort auch noch seine Frau zu Besuch, also alle im selben Land, trotzdem unwahrscheinlich, dass man sich über den Weg läuft.

Ich sitze gerade in einem annehmbaren Hotel, auch das wird sich ändern. Etwas kalt hier im Zimmer, aber wir sind auch schließlich auf über 4000m. Ich verschwinde jetzt mal in das Internetcafé um die Ecke. Morgen wird hart: über der Gyatso La, das ist mit 5250m der höchste Pass des Friendship Highway. Und dann in Richtung der richtig hohen Berge. Kein Internet innerhalb der nächsten Woche, nehme ich mal an…


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Wo die Gebetsmühlen sich drehen

Berge, Tempel, Thangkas, 24.09. bis 24.10.2011

Besichtigung des Kumbum Klosters Ta Er Si, Mittag und 27 Kilometer nach Xining, dort großer Waschtag.

Nach dem Frühstück auf dem Zimmer ziehen wir dann rüber ins Ta Er Kloster, der Eingang befindet sich gleich gegenüber unserem Hotel. Es lohnt sich nicht noch vor den Touristenbussen aus Xining dort zu sein, dann ist das Gedränge der Touris nicht so groß und man teilt sich die Tempel mit nur wenigen Pilgern.
Das Kloster ist eines der größten Gelugpa Anlagen außerhalb der heutigen Provinz Tibet und die Wurzeln reichen bis ins 16 Jahrhundert zurück. Der Gründer der Sekte ist Tsongkhapa der im 14. Jahrhundert lebte und wirkte, seine Mutter soll einen ersten Stupa hier gestiftet haben. heute ist die Anlage ein Zentrum für tibetische Pilger, aber noch mehr für Touristen auf einer Chinarundreise, die mal schnell noch ein tibetisches Kloster „mitnehmen“ wollen und noch mehr für chinesische Touris mit dem gleichen Ziel. Deshalb sind die Regeln, was das Fotografieverbot angeht recht streng und gehen etwas an der Zeit vorbei. Es hält sich nämlich kaum einer daran und das betrifft Pilger, die natürlich ihre Reise festhalten wollen, genauso wie Chinesen und Ausländer auf der Jagd nach dem Pulitzerpreis. Entsprechend mürrisch sind die meisten Mönche, die das verbot durchsetzten sollen, aber kaum wird jemand angeraunzt, zückt der nächste schon wieder das Handy und es macht laut und deutlich „Klick“.
Die einzelnen Tempel sind etwas unübersichtlich zu erlaufen, es gibt hier keinen äußeren oder inneren kreis, den die Pilger absolvieren können, aber die Tempel sind im Inneren prächtig ausgestattet. Eine besondere Attraktion ist die Figurenkollektion aus Yakbutter, trotz der Klimaanlage hat der letzte Sommer einigen Figuren in der Hitze die hand oder ein Ohr gekostet, aber die Gruppe aus Figuren und mythischen wesen ist überaus interessant und lohnt jedes mal einen Besuch, denn im Frühjahr wird das nächste Kunstwerk geschaffen, daran arbeiten dann 30 Mönche und Künstler drei Monate.
Heute bekommen wir nun endlich auch ausreichend Tibeter in ihren schweren Mänteln zu Gesicht. Die Frauen tragen lange zu Zöpfen geflochtenen Haare, in denen schwere Silberschmuck eingearbeitet ist. Einig lassen sich gerne fotografieren und sie sind genauso neugierig wie wir und zücken dann ihre Kamera und wollen ein Bild von uns machen. Das ist neu und macht den Spaß nicht mehr nur so einseitig, mögen bald alle Tibeter eine kleine Kamera haben, dann wird es wieder leichter, näher an die tollen Gesichter heranzukommen. In einem Nebentempel schleichen wir uns durch eine eigentlich verschlossene Tür und dürfen drei Mönchen bei einer kleinen Prozession an verschiedenen Trommeln zusehen.
Nach guten zwei Stunden sind wir dann fertig mit unserer Klosterrund, essen noch eine Portion Nudeln und radeln dann die 27 Kilometer hinunter bis nach Xining. Dort beginnt dann der große Waschtag und ansonsten passiert heute nicht mehr viel, zumal es zu regnen anfängt und wir uns den Ruhtag morgen ehrlich verdient haben.
Abends ziehen wir dann noch in ein Feuertopfrestaurant. Diese Art von chinesischem Fondue mit einer scharfen Brühe, in die dann alles Erdenkliche zum Garen gegeben wird, ist immer einer der kulinarischen Höhepunkte in China und so schlemmen wir uns einmal durch den chinesischen Gemüsegarten, natürlich gibt es auch etwas Fleisch, Tofu, Fischbällchen und Wachteleier und danach ist man so satt, dass man nur noch schlafen möchte.


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