Gegen die Uhr

Tal des Roten Flusses, 12.10. bis 03.11.2013

Heute verlassen wir am Grenzübergang Hekou China und betreten in Lao Cai vietnamesischen Boden. Da die Strecke von Manhao nach Hekou nicht mit dem Rad befahrbar ist, greifen wir auf einen Bustransfer zurück. Danach erwartet uns die Bergankunft in Sapa. Das Wetter ist mal wieder wie es nun mal ist.

Es ist Freitag. Vier Tage sind unsere Einreise nach Vietnam und unsere Auffahrt nach Sapa nun her. Nach dem Abendessen sitzen Günther, Dietmar, unser vietnamesischer Guide Duong und ich noch eine Weile zusammen. Das Gespräch dreht sich lange um die Bergankunft am Dienstag: „NICHT EINEN METER ZUM AUSRUHEN!“, „SCHWERER ALS ALP D´HUEZ!“, aber: „WIR HÄTTEN ES ALLE GESCHAFFT!“. Radfahrergarn hin oder her, dieser Anstieg ist der fiese Möpp unter allen Bergetappen unserer Tour: auf 27 Kilometer windet sich die Strecke den Berg hinauf bis nach Sapa, dem ehemaligen Luftkurort der französischen Kolonialmacht. Stellenweise Steigungen von mindestens fünfzehn, wenn nicht zwanzig Prozent. Trotzdem, jeder in dieser Gruppe hätte es geschafft. Nur: wir hatten keine Zeit!

Am Dienstag Morgen um acht Uhr treffen wir uns zum Frühstück. Für die Aus- und Einreiseformalitäten schätzt Manager Wang, benötigen wir am Mittag nur eine Stunde. Genug Zeit also, um nach dem Frühstück noch seinen botanischen Garten anzuschauen. Gesagt, getan. Herr Wang führt uns mit Leidenschaft und Detailkenntnis durch die Anlage. Mit jedem Blick auf die Uhr werden wir aber ungeduldiger. Wir wollen lieber etwas großzügiger für die Grenzüberquerung kalkulieren. Alle möchten sich am Nachmittag an der Auffahrt nach Sapa versuchen.

Endlich sitzen wir dann im Bus Richtung Hekou. Dort angekommen heißt es erstmal Geld ziehen, Tee kaufen und eine Post suchen. Dann erst, schon jetzt weit hinter unserem Zeitplan, machen wir uns auf den Weg zum Grenzübergang. Die Ausreise aus China funktioniert problemlos. „Das geht ja viel schneller als wir dachten“ sage ich zu Christine, während wir den Grenzfluss in Richtung der vietnamesischen Grenzstation überqueren. Die Rechnung haben wir aber ohne die vietnamesische Grenzkontrollsoftware gemacht. Nachdem der (einzige) Grenzbeamte Günther und Dietmar durchgewunken hat, gibt es ein Computerproblem. Beschäftigt mit der Kontrolle von Durchgangsberechtigungen, hat der Beamte kaum Zeit sich um unsere Pässe zu kümmern. Zwei Stunden dauert es, bis wir schließlich einreisen können.

Auf der anderen Seite nimmt uns Duong in Empfang und wir verladen unser Gepäck in das Begleitfahrzeug, das uns den Rest der Tour begleiten wird. Duong macht uns wenig Hoffnung Sapa noch mit dem Rad erreichen zu können. Vier Stunden brauchen gute Fahrer von der Grenze bis nach Sapa. Durch unsere Trödelei am Vormittag und die Komplikationen bei der Einreise ist es schon nach zwei Uhr. Eine Ankunft bei Tageslicht scheint nicht mehr möglich. Wir sollen aber versuchen so weit zu kommen wie möglich, ermutigt uns Duong. Er verspricht wenn nötig die Reste unserer Gruppe mit dem Begleitfahrzeug einzusammeln.

Ausgestattet mit dem Luxus eines Begleitwagens und angefixt durch Duong, geben wir die Jagd auf Sapa also frei. Einzeln oder in Zweiergrüppchen kämpfen wir uns Höhenmeter um Höhenmeter nach oben. Dieser Anstieg hat es in sich: es gibt kaum flache Passagen, je weiter wir nach oben kommen desto kälter wird es, bald schon stecken wir wieder im tiefen Nebel und es nieselt, langsam aber unaufhaltsam wird es dunkler, die Beine brennen, das Sitzfleisch schmerzt. Irgendwo, alleine in der Steigung vermisst Dittmar seine Jacke, die schon mit dem Gepäck im warmen Hotel liegt. Etwas weiter unten reißt Udo die Kette, zum Glück in einem Dorf, wenige Meter vor einer Mopedwerkstatt. Für die Umgebung, sofern man etwas sieht, haben wir heute kaum ein Auge. Alle haben sich das Ziel, Sapa, in den Kopf gesetzt. Am Ende fehlt nicht mehr viel. Das Ortsschild, knapp vier Kilometer vor dem Hotel, erreichen Einige. Irgendwann wird es dann so dunkel, dass auch Dittmar die Segel streicht, als Duong das zweite Mal mit dem Begleitfahrzeug und dem Rest der Bande auf der Ladefläche vorbeigefahren kommt.

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