Die steinerne Stadt

Die Oberen Schluchten des Yangzi, 17.09. bis 09.10.2013

Transfer nach Baoshan

Nach einer Morgenübung am Laufband verlassen wir mit Sack und Pack Seans Guesthouse, begleitet von Lucy, der Tochter des Wirtes, die uns die nächsten Tage durch die Berge führen wird.

Von der Tigersprungschlucht aus sind es noch etwa 120 km nach Baoshan (wenn man über die stellenweise sehr schmale Straße fährt, zu Fuß würde man zwei bis drei Tage über die Berge gehen), dem Ausgangspunkt unserer Trekking-Tage. Doch zunächst müssen wir den Jangtse überqueren, der hier noch Goldsandfluss heißt. Das klingt einfacher als es ist, denn von der Straße bis zum Fluss sind noch einige Höhenmeter zu überwinden und wir merken, dass wir einiges an Gepäck dabei haben. Noch schwerer hat es allerdings der Kapitän, denn seine Fähre liegt heute am anderen Ufer und es gibt keinen Mechanismus, der das Schiff herbringen würde. Mit aller Kraft und erstaunlichem Geschick rudert er also in einem winzigen Schlauchboot durch die Stromschnellen, um uns kurze Zeit später nach Daju überzusetzen.

Die kleine Ebene über dem Fluss ist intensiv bewirtschaftetet und von hohen Bergen umgeben. Im Moment wird vor allem Mais angebaut, nicht etwa als Speise für die hiesige Bevölkerung, sondern zur Herstellung von Alkohol und als Viehfutter, wie wir später erfahren sollen.

Die Autofahrt nach Baoshan führt uns über einen 3.100 m hohen Pass (die Baumgrenze liegt in dieser Gegend bei etwa 4.200 m, also gibt es hier noch viel Vegetation und nur der Blick auf das GPS verrät die eigentliche Höhe), die Dörfer werden kleiner und der Weg schlängelt sich von der bewirtschafteten Fläche hoch in die Nadelwälder – ich mag die Kombination aus dem frischen Grün der Kiefern und dem tiefen Rotbraun der Erde, es fehlt nur noch das Blau des Himmels, denn heute Vormittag ist es bewölkt und regnerisch. Der Motor brummt, es ist warm, und ich döse vor mich hin. Den Großteil der Strecke habe ich verschlafen. Als ich aufwache sind wir kurz vor Baoshan, vor uns liegt die tiefe Jangtseschlucht, rechts und links Terrassenfelder soweit das Auge reicht, bald ist die Straße zu Ende. Der Trubel der Städte fällt schlagartig von mir ab, das Trekking kann beginnen.

Baoshan heißt eigentlich Schatzberg, wird aber von den Einheimischen nur die Steinerne Stadt genannt. Am Stadttor sitzen ältere Damen und Herren beim Schwätzchen zusammen, tief unten fließt der Jangtse träge daher und von der Terasse unserer Unterkunft öffnet sich der Blick auf das zusammenhängende Dorf, das wir nach einigem Auf- und Ab erkundet haben.

Im dorfeigenen „Museum für Steinkultur“ können wir die alte Küchen- und Arbeitseinrichtung ausprobieren – das Zerkleinern der Mais- und Reiskörner ist Schwerstarbeit. Wie alt der in Stein gehauene Raum ist, kann uns der Museumswächter auch nicht sagen. Die Werkzeuge finden sich aber überall im Dorf wieder, wie auch einiges Vieh und vor allem Perde. „Die Felder befinden sich auf halber Höhe zwischen Fluss und Dorf, jegliche Ware muss auf dem Pferderücken hochtransportiert werden. Es ist ein ständiges Kommen und Gehen“, erzählt einer der Dorfbewohner, der ein wenig Hochchinesisch spricht. Bei allen anderen hübsch in Trachten gekleideten Einwohnern bleibt das berühmte Lachen das einzige Kommunikationsmittel, der lokale Dialekt ist weder für mich noch für Lucy verständlich.

Am Abend erstehen wir für Henning eine Tube Sekundenkleber. Seine Schuhe haben begonnen, sich an der Sohle aufzulösen und wir hoffen, dass sie die Wanderung gut überstehen.


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