Sapa – Stadt in den Wolken

Tal des Roten Flusses, 12.10. bis 03.11.2013

Heute null Kilometer, weder auf dem Rad, noch im Bus oder zu Fuß. Das Wetter ist zu schlecht: Regen und Nebel – mal wieder.

Der heutige Tag spielte sich im wesentlichen zwischen Hotel, Markthalle, diversen Cafés und dem Restaurant fürs Abendessen ab. Wegen Nebel und Regen streichen wir die geplanten Tagesausflüge ersatzlos. Schade, denn die Umgebung von Sapa hat einiges zu bieten. Bei gutem Wetter hätten wir entweder eine Wanderung in die umliegenden Bergdörfer der schwarzen Hmong, so heißt der hier lebende Volksstamm, oder eine Radtour zum Pass unternommen. Statt mit Aktivitäten vertreiben wir uns die Zeit mit Kaffee trinken, Nudeln essen, Massage, Blog-/Kartenschreiben, Souvenirs shoppen und Menschen fotografieren. Die Frauen der schwarzen Hmong bevölkern die Straßen Sapas und versuchen den zahlreichen ausländischen Touristen allerlei Souvenirs zu verkaufen. In ihren Trachten geben sie hervorragende Fotomotive ab. Die meiste Zeit verbringen wir in den Cafés bei Teilchen und vietnamesischen Kaffee, einer dicken, Mocca artigen Brühe die mit süßer, dickflüssiger Kondensmilch getrunken wird. Nicht jedermanns Sache, ich finde ihn aber ganz lecker. Am Abend führt Duong uns in eine Art vietnamesisches Hotpot Restaurant. Sehr schmackhaft, aber bislang scheint mir die vietnamesische Küche, abgesehen von ein paar anderen Gewürzen, noch recht ähnlich wie die chinesische. Vielleicht liegts aber nur an der Nähe zu China, ich habe jedenfalls gehört, dass die Küche ganz anders sein soll.

And now ladies and gentlemen, please go this way!

Das Blaue China, 19.10. bis 10.11.2013

Suzhou. Erstes Testradeln bei perfekten Bedingungen.

Mit dem chinesischen Schnellzug ging es mit knapp 300 km/h nach Suzhou. Kaum kam der Zug auf seine Höchstgeschwindigkeit musste auch bald schon wieder gebremst werden. Auch ganz schöne Laufruhe für die Geschwindigkeit. Ein Hoch auf die Deutsch-Chinesische Joint-Ventures! Auf jeden Fall waren wir in sage und schreibe 25 Minuten da…

Ich bin immer wieder erstaunt über das hiesige Bahnhofsystem. Im Grunde genommen funktioniert es wie im Flughafen nur schneller und effizienter. Es gibt Warteräume speziell für die einzelnen Gleise; ohne Ticket kommt man gar nicht aufs Bahnhofsgelände; Das Gate bleibt nur kurz geöffnet um ein möglichst zügiges und reibungsfreies Ein- und Ausssteigen zu ermöglichen. China gibt sich wirklich mühe die Massen, die täglich im ganze Lande unterwegs sind unter Kontrolle zu bekommen. So langsam funktioniert hier alles und es wirkt alles so wahnsinnig geregelt. Wie schnell die Zeit vergeht…

In Suzhou angekommen stecken wir erstmal im Stau und der Fahrstil unseres Busfahrers lässt einige von uns doch zweifeln, ob es wirklich eine gute Idee ist hier Fahrrad zu fahren. Im Hotel ließ man uns leider noch nicht einchecken, da es ja doch noch recht früh am morgen war. Also bleib uns nichts weiter als unsere Räder schon mal zu holen. Sonst ist man in Suzhou ja doch ein wenig verkehrsunfähig. Die Busse steckten im Morgenstau und die einzige U-Bahn-Linie, die schon fertig ist hilft uns nicht wirklich weiter. Somit waren wir gezwungen den beschwerlichen langen Weg per pedes zurückzulegen. Bei 15 Leuten kann es natürlich ein wenig dauern, bis alle mehr oder weniger zufrieden waren mit dem Ergebnis. So schraubten wir bis zum Mittagessen und probten dann erstmal unsere Gäule mit einer kleinen Spritztour zurück zum Hotel und checkten endlich ein.

Am späten Nachmittag war die Überlegung noch einen Garten zu besichtigen. Die Sonne geht hier allerdings schon recht früh unter und somit gaben wir uns zufrieden mit einem kleinen Spaziergang an der Pingjiang Lu, eine kleinen Straße entlang eines Kanals in der Suzhouer Altstadt. In den meisten China-Werbe-Prospekten ist eigentlich immer ein Bild von Suzhou mit dabei. Denn hier gibt es sie noch. Das Bild Chinas, wie sie sich unserer einer das Land vorstellt, wenn man es nur aus TUI-Reiseprospekten kennt.

Unser Abendmahl nahmen wir an einem riesigen runden Tisch, an dem endlich mal alle 15 Platz fanden. Somit konnte ich auch endlich mal querbeet 15 verschiedene Gerichte bestellen, die alle auf die Lazy-Susan in der Mitte kamen. Geschmeckt hat dabei fast alles. Außer das Bier, dass mit 1,6% Alkohol schon fast als Alkoholfrei durchgeht. Da hat selbst ein Jever-Fun mehr Geschmack.

Da das Kulturprogramm heute ins Wasser fiel gingen wir zum Abschluss noch in den Garten des Meisters der Netze. Manche sagen sein Erbauer hätte nach seiner Zeit als Beamte seinen Rentenalltag als Hobby-Fischer genutzt, da er jene Leben sehr romantisierte. Der Grund für unseren abendlichen Besuch dieses Gartens waren die musikalischen Vorführungen und kurzen Theaterstücke in den verschiedenen Bereichen des Gartens. Man wurde von einer Moderatorin durch den Garten geführt zu den jeweiligen Stationen. Ein recht interessantes Wanderkonzert könnte man sagen. Hängen geblieben ist vor allem die Ansage: „And now ladies and gentlemen, please go this way!“.

Kneipkur zur Teekultur

Auf den Spuren von Wanda, 26.09. bis 14.12.2013

Wasserkur von Pu’er nach Chaboyuan, 30 km, kupiertes Gelände

Was wie ein Reisetitel bei den Kollegen von One World klingt, ist leider bittere Wahrheit. Mein Blog-Schlusssatz von gestern hat sich erfüllt. Nein, nicht ganz: Der Regen war kalt, nicht warm. Erstaunlich, dass die Gruppenstimmung weiterhin gut ist. Fünf Regentage am Stück in der Trockenszeit sind schon extrem, selbst wenn man, wie ich nach der Yangzi-Radtour 2010 als Regenmacher verschrien ist.
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Social Crimes

An den Hängen des Himalayas, 18.10. bis 11.11.2013

Siehe Bild Nr. 1, leider bei 6h Busfahrt (für 120km) unumgänglich, ebenso beim Radfahren. Der Ruf „Social Crime“ hallte durch den Bus und schon wurde gehalten. Beschränkt sich glücklicherweise meistens auf Nummer Eins, wir fühlen uns jetzt trotzdem schuldig, aber schön, dass Nepal keine anderen Probleme hat! Die Menschen hier scheinen glücklich und zufrieden, für uns erscheint ihr Leben ziemlich chaotisch aber irgendwie können wir sie trotzdem verstehen. Die Siebentausender des Langtang waren heute im Norden gut zu sehen, was im versmogten und verstaubten Kathmandu-Tal eher die Ausnahme ist. Früher waren sie wohl immer sichtbar, vielleicht hilft ja jetzt die Anti-Defecation-Kampagne.

Heute die erste kurze Radetappe mit viel Vorlauf: wir haben Kathmandu verlassen und sind hoch an die tibetische Grenze geholpert, dort sind wir auf die Räder gestiegen und die kurze Strecke zum Last Resort wieder zurückgefahren. Dieter hat die erste Panne der Tour zu verantworten, Mantel durchgeschlagen, war wahrscheinlich keine Absicht…jetzt sitzen wir im dichten Grün und trinken und speisen, alles Bestens.

P.S. Xiuchen: alles Liebe zum Geburtstag, schön dass Du in Berlin bist!

Gegen die Uhr

Tal des Roten Flusses, 12.10. bis 03.11.2013

Heute verlassen wir am Grenzübergang Hekou China und betreten in Lao Cai vietnamesischen Boden. Da die Strecke von Manhao nach Hekou nicht mit dem Rad befahrbar ist, greifen wir auf einen Bustransfer zurück. Danach erwartet uns die Bergankunft in Sapa. Das Wetter ist mal wieder wie es nun mal ist.

Es ist Freitag. Vier Tage sind unsere Einreise nach Vietnam und unsere Auffahrt nach Sapa nun her. Nach dem Abendessen sitzen Günther, Dietmar, unser vietnamesischer Guide Duong und ich noch eine Weile zusammen. Das Gespräch dreht sich lange um die Bergankunft am Dienstag: „NICHT EINEN METER ZUM AUSRUHEN!“, „SCHWERER ALS ALP D´HUEZ!“, aber: „WIR HÄTTEN ES ALLE GESCHAFFT!“. Radfahrergarn hin oder her, dieser Anstieg ist der fiese Möpp unter allen Bergetappen unserer Tour: auf 27 Kilometer windet sich die Strecke den Berg hinauf bis nach Sapa, dem ehemaligen Luftkurort der französischen Kolonialmacht. Stellenweise Steigungen von mindestens fünfzehn, wenn nicht zwanzig Prozent. Trotzdem, jeder in dieser Gruppe hätte es geschafft. Nur: wir hatten keine Zeit!

Am Dienstag Morgen um acht Uhr treffen wir uns zum Frühstück. Für die Aus- und Einreiseformalitäten schätzt Manager Wang, benötigen wir am Mittag nur eine Stunde. Genug Zeit also, um nach dem Frühstück noch seinen botanischen Garten anzuschauen. Gesagt, getan. Herr Wang führt uns mit Leidenschaft und Detailkenntnis durch die Anlage. Mit jedem Blick auf die Uhr werden wir aber ungeduldiger. Wir wollen lieber etwas großzügiger für die Grenzüberquerung kalkulieren. Alle möchten sich am Nachmittag an der Auffahrt nach Sapa versuchen.

Endlich sitzen wir dann im Bus Richtung Hekou. Dort angekommen heißt es erstmal Geld ziehen, Tee kaufen und eine Post suchen. Dann erst, schon jetzt weit hinter unserem Zeitplan, machen wir uns auf den Weg zum Grenzübergang. Die Ausreise aus China funktioniert problemlos. „Das geht ja viel schneller als wir dachten“ sage ich zu Christine, während wir den Grenzfluss in Richtung der vietnamesischen Grenzstation überqueren. Die Rechnung haben wir aber ohne die vietnamesische Grenzkontrollsoftware gemacht. Nachdem der (einzige) Grenzbeamte Günther und Dietmar durchgewunken hat, gibt es ein Computerproblem. Beschäftigt mit der Kontrolle von Durchgangsberechtigungen, hat der Beamte kaum Zeit sich um unsere Pässe zu kümmern. Zwei Stunden dauert es, bis wir schließlich einreisen können.

Auf der anderen Seite nimmt uns Duong in Empfang und wir verladen unser Gepäck in das Begleitfahrzeug, das uns den Rest der Tour begleiten wird. Duong macht uns wenig Hoffnung Sapa noch mit dem Rad erreichen zu können. Vier Stunden brauchen gute Fahrer von der Grenze bis nach Sapa. Durch unsere Trödelei am Vormittag und die Komplikationen bei der Einreise ist es schon nach zwei Uhr. Eine Ankunft bei Tageslicht scheint nicht mehr möglich. Wir sollen aber versuchen so weit zu kommen wie möglich, ermutigt uns Duong. Er verspricht wenn nötig die Reste unserer Gruppe mit dem Begleitfahrzeug einzusammeln.

Ausgestattet mit dem Luxus eines Begleitwagens und angefixt durch Duong, geben wir die Jagd auf Sapa also frei. Einzeln oder in Zweiergrüppchen kämpfen wir uns Höhenmeter um Höhenmeter nach oben. Dieser Anstieg hat es in sich: es gibt kaum flache Passagen, je weiter wir nach oben kommen desto kälter wird es, bald schon stecken wir wieder im tiefen Nebel und es nieselt, langsam aber unaufhaltsam wird es dunkler, die Beine brennen, das Sitzfleisch schmerzt. Irgendwo, alleine in der Steigung vermisst Dittmar seine Jacke, die schon mit dem Gepäck im warmen Hotel liegt. Etwas weiter unten reißt Udo die Kette, zum Glück in einem Dorf, wenige Meter vor einer Mopedwerkstatt. Für die Umgebung, sofern man etwas sieht, haben wir heute kaum ein Auge. Alle haben sich das Ziel, Sapa, in den Kopf gesetzt. Am Ende fehlt nicht mehr viel. Das Ortsschild, knapp vier Kilometer vor dem Hotel, erreichen Einige. Irgendwann wird es dann so dunkel, dass auch Dittmar die Segel streicht, als Duong das zweite Mal mit dem Begleitfahrzeug und dem Rest der Bande auf der Ladefläche vorbeigefahren kommt.

Eintauchen in die 20 Millionen

Das Blaue China, 19.10. bis 10.11.2013

Ankunft und Ausflüge in Shanghai bei fast perfektem Wetter.

Ach Shanghai… wie sehr ich dich mag! Eigentlich sag ich immer: „Shanghai ist nicht China!“ Dennoch vereint es dessen jüngere Geschichte wie keine andere Stadt. Die Symbolik am Bund und der gegenüberliegenden Pudong-Skyline brennt sich gnadenlos in den Augapfel. China zeigt hier der Welt was es von der kolonialen Vergangenheit hält und wie lächerlich doch die alten Großmächte erscheinen im Vergleich zur neuen Weltmacht. Bunt, schrill, laut, schnell… Vielleicht ist Shanghai eben doch China – nur zig-fach verstärkt.

Wir hatten auf jeden Fall einen guten Flug und kamen pünktlich früh wie erwartet in Shanghai an. Nach und nach traf sich auch der Rest der Gruppe ein. Die Meisten von uns waren doch ein wenig gerädert vom langen Sitzen und so gingen wir unser Entspannungsprogramm für den Tag an. Natürlich erstmal ab zum Bund. Danach ein kleines Nickerchen bevor dann abends wieder fleißig spaziert wurde. Diesmal vollzählig die Nanjing Rd. runter zum Park des Volkes um den Hochzeitsmarkt zu besichtigen. Besorgte Eltern suchen hier für ihre Kinder passende Eheleute aus. In China ist ja für eine Frau ab 30 höchste Eisenbahn, wenn sie noch nicht vergeben ist. Die biologische Uhr tickt und wenn die Liebe es nicht richtet, müssen eben die Eltern ran. Ich war schon ein paar Mal hier. Allerdings war mir nicht bewusst wie viele Singles in Shanghai leben. Wir mussten uns durch die Masse von potenziellen Schwiegereltern drängeln. Es wurde hitzig gehandelt über Mitgift, Bedingungen, Treffen, Einkommen, usw. Speed-Dating und Kontaktanzeigen gibt es ja auch bei uns. Aber dass hier die Eltern die Entscheidungen treffen macht einen doch etwas traurig.

Abends gab es vegetarische Rippchen, vegetarischen Fisch und vegetarische Hühnerleber. Schmeckt nach Fleisch, ist es aber nicht. Lily, die Bedienung kannte ich noch von früher. Sie war aufgedreht wie immer und wirkte für uns Gejetlagte wie eine Biene auf Amphetamin. Also suchten wir bald den Rückzug um endlich unseren verdienten Schlaf zu genießen.

Den nächsten Tag gingen wir entspannt an und fuhren mit der U-Bahn zum Yu-Garten. Gärten werden uns noch auf der Tour aus dem Halse raushängen. Dennoch ist der Yu-Garten ein Muss für Shanghai-Besucher und selbst bei großem Andrang ein wahrer Ort der Besinnung. Mittlerweile ist ja schon eher das Drumherum eine größere Attraktion geworden als der Garten selber. Friedrich zum Beispiel erinnert sich an seinen Besuch von vor 12 Jahren. Da war der ganze Rummel hier noch nicht da. Da haben noch alle den Garten des Gartens Willen besucht und haben nicht stattdessen den Garten als kulturelle Ausrede benutzt für das Souvenir-Läden-Bummeln. Die meisten von uns wollten aber einen anderen Markt sehen: den Pflanzen-und-Tier-Markt. Im Grunde genommen ist das der IPod-Laden der Vergangenheit. Denn bevor es Walkman und Mp3-Player gab hat man sich hier nämlich seinen Vogel oder Grille gekauft, die einem dann eine akustische Untermalung gegeben hatten, während man durch den Park schlenderte oder im Wohnzimmer die Tageszeitung studierte. Direkt nebenan ging es noch über den Antiquitätenmarkt bevor dann die Beine nachgaben und wir temporären Unterschlupf suchten im nahegelegenen Teehaus.

Zum krönenden Abschluss gingen wir noch gemeinsam auf den Shanghai World Financial Center, dem mittlerweile nicht mehr höchsten Gebäude Shanghais. Aber der Shanghai-Tower ist ja leider noch eine Baustelle und nur mit Bauhelm und Sondergenehmigung zu besteigen. Die Sicht von oben hinab auf diese Spielzeugstadt ist atemberaubend!

Den Rückzug in Richtung Hotel machten wir dann mit der Fähre um noch einmal die Skyline vom Wasser aus zu genießen. Man kann ja doch nicht genug davon kriegen. Denn Shanghai ist ein bisschen wie eine Droge: man wird überwältigt und erschlagen von der ganzen Aufmachung. Den Kick will man aber immer wieder haben! Ich komme wieder, Shanghai! Ich komme wieder…

Der Regen wird kälter…

-…aber die Sonne wärmt sich auf!

Auf den Spuren von Wanda, 26.09. bis 14.12.2013

Feuchtetappe von Ning’er nach Pu`er. 40 km, 30 km bergauf, 10 km bergab

Das Qingdao-Bier hat bei der gestrigen Karaoke auch den Nicht-Biertrinkern geschmeckt, dementsprechend müde schauen alle aus den Augen, da kann auch eine deftige Nudelsuppe nichts daran ändern. Am Regen sowieso nicht, der ist einfach immer noch da.
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Völker hört die Signale!

Tal des Roten Flusses, 12.10. bis 03.11.2013

Manhao, ein kleines, verschlafenes Nest, am Ufer des Roten Flusses im Süden Chinas, nahe der vietnamesischen Grenze. Es ist halb zehn Uhr am Abend. Auf dem Sportplatz des Wohn- und Bürogeländes der lokalen Wasserwerke beenden einige Frauen gerade ihre Abendgymnastik. Im Hintergrund zirpen, kaum wahrnehmbar, die Zykaden. In einigen Gebäuden brennt noch Licht. Eine ruhige, ja friedliche Szene. Dann, plötzlich, zerreißt ein Dröhnen aus der Kantine die Stille: „Völker hört die Signale, auf zum letzten Gefecht, die Internationale erkämpft das Menschenrecht!“

Cut.

Knapp dreizehn Stunden zuvor, etwa 80 Kilometer flussaufwärts in Yuanyang. Die letzte Nacht haben nicht alle von uns gut überstanden. Irgendwann kam auf jeder meiner bisherigen Touren der Zeitpunkt, an dem der eine oder andere (heute sind es der eine und der andere) es mit dem Magen zu tun bekamen. Obwohl heute Morgen nicht alle voll im Saft stehen, sind wir aber entschlossen die heutige Etappe gemeinsam durchzustehen. Keiner wird zurückgelassen! Eine Radtour schweißt zusammen. Bevor wir uns nach dem Frühstück von Yuanyang verabschieden, stehen noch einige Erledigungen auf dem Programm: ein kurzer Abstecher bei der Post, dann flux zur Apotheke (niemand soll später sagen wir hätten nicht an die Elektrolyte gedacht) und im Anschluss noch etwas Proviant eingekauft. Als wir losfahren wollen, entdecken wir, dass der GPS-Track der heutigen Etappe nicht funktioniert. Zunächst ist das aber kein Problem, es geht einfach flussabwärts bis wir irgendwann Manhao erreichen. Ab dort wollen wir uns durchfragen.

Kurze Zeit später sind wir unterwegs. Die Etappe verläuft unspektakulär, in landschaftlich schöner Umgebung, an Bananenplantagen vorbei, immer entlang des Roten Flusses. Es nieselt hier und da, bleibt aber weitgehend trocken. Heftig ist aber der Gegenwind, der uns heute entgegenpeitscht. Kurz versuchen wir uns mal am Windschattenfahren, auch der berüchtigte belgische Kreisel steht mal zur Diskussion. Gegen ein Uhr am Mittag, 20 Kilometer vor Manhao machen wir eine Pause. Der Regen hat kurzzeitig etwas zugenommen. Wir essen und trinken eine Kleinigkeit an einer Straßenraststätte, deren Besitzer und Besucher uns freundlichst aufnehmen. Etwas zeitversetzt fahren wir los. Ich hinten an, habe nach fünf Minuten einen Plattfuß (das macht dann drei alleine an meinem Rad) und verliere eine gute Viertelstunde zum Rest der Gruppe. Das fehlende GPS-Gerät und die irreführende Ausschilderungen (zwei Wege gehen nach Manhao, ein neuer und ein alter) haben zur Folge, dass aus der Viertelstunde gute Vierzig Minuten werden. Nach einigen Um- und Irrwegen habe ich meine Schäfchen schließlich aber wieder beisammen. Schock schwere Not…

Wieder vereint erreichen wir nach einem steilen Schlussanstieg unsere Bleibe für heute Nacht: Das Wohn- und Bürogelände der lokalen Wasserwerke, an das auch ein kleines Hotel angegliedert ist. Herr Wang, der Manager des Hotels und des dazugehörenden botanischen Gärtchens heißt uns herzlich willkommen und erklärt uns sehr hilfsbereit und bemüht das weitere Prozedere für den Rest des Tages und für die Grenzüberquerung nach Vietnam morgen.

Nach einer kurzen Pause geht es zum Abendessen in… die Kantine. Herr Wang hatte das Abendessen schon vorbestellt, eine Kiste Bier steht gekühlt bereit und auch eine Teekanne, von deren unscheinbaren Aussehen wir uns aber nicht blenden lassen. Manager Wangs Ruf eilt ihm voraus und wir wissen um seine Trinkfreude und den hochprozentigen Inhalt der Kanne. Trotzdem wir uns gewappnet haben, gebieten uns aber die Gesetzte des Gastseins aber ein Gläschen mitzutrinken. Was dann geschieht lässt sich nur schwer rekonstruieren. Herr Wang jedenfalls stellte im Laufe des Abends mit großer Freude fest, dass der Großteil unserer Gruppe aus dem ehemaligen sozialistischen Bruderstaat, der Deutschen Demokratischen Republik stammt. In Udo findet er gar einen ehemaligen, mittlerweile aber vom Klassenfeind bekehrten Parteigenossen. Während wir devot weiter die Gesetze des Gastseins befolgen, schwindet der Inhalt der Teekanne. Schließlich singen wir zur Entzückung von Manager Wang die deutsche Version der Internationalen. Schon wieder eine China by Bike Gruppe die Herrn Wang in die Falle getappt ist…

kling klang klong

An den Hängen des Himalayas, 18.10. bis 11.11.2013

Die Tour ist keine zwei Tage alt und schon lässt sich meine Gruppe gehen. Beim gepflegten Abendessen wird kollektiv auf dem Messinggeschirr rumgeklöppelt, noch immer unter dem Einfluss der gestrigen Einführung in die Welt der Klangschalen. Als Antwort auf die nepalesische Folklore im Beiprogramm werden lauthals schwäbische Lieder angestimmt (Hauptstimme: Martin M.). Sigi und Frank bleiben dem Restaurant und dessen Programm halb- entschuldigt fern, weil sie keine Gesänge und Tänze wollen (und das Ganze auch schon während der Tibet-Tour vor zwei Jahren genießen durften), ja was sind denn das für Sitten?

Das Bohjan Griha ist eine elegante Institution in Kathmandu, ein sehr gutes Restaurant mit nettem Showprogramm während des Essens, wir hatten großen Spaß. Es gehört Bahrat, dem Besitzer des Kantipur Temple House, er war heute vor Ort und hat uns in seine Philosophie eingeführt (er: siehe Foto). Seine Tochter Subechhya hat nebenan einen kleinen Bioladen, die Ideen dafür kamen aus Deutschland, wo sie auch eine Weile studiert hat. Sehr viel Idealismus und ein tolles Konzept, das interessanterweise zu funktionieren scheint in diesem kleinen chaotischen Moloch.

Heute nur Schmalspur-Programm, morgens zum nächsten buddhistischen Heiligtum der Stadt, Syayambhunath und wieder zurück ins Hotel. Ab morgen geht es Schlag auf Schlag und es gibt noch einiges vorzubereiten. Die Räder wurden eingestellt, letzte Einkäufe getätigt (in guter alter Tradition: unser Sommelier Jens H.). Morgen früh lassen wir uns an die tibetische Grenze fahren, wo wir unsere Radtour beginnen.

In den Nebelfeldern von Yuanyang

Tal des Roten Flusses, 12.10. bis 03.11.2013

Auf dem Tagesprogramm steht ein Ausflug in der Umgebung von Yuanyang. Fazit des Tages: 0 Radkilometer, 70 Buskilometer, schlechtes Wetter aber dafür für alle von uns ein bisschen Erholung vom straffen Reiseprogramm.

Am Morgen gibt es erstmal Räderpflege. Nach der Wäsche gestern gönnen wir den Rädern eine ordentliche Portion Öl. Natürlich haben wir auch mal wieder einen kaputten Schlauch. Es wird langsam eng an einsatzfähigen Ersatzschläuchen. Ein neu eingesetzter, aber schon geflickter reißt beim Aufpumpen, ein komplett neuer von Udo ist schlecht verarbeitet und lässt Luft… was ist hier eigentlich los??? Zum Glück können wir mit Hilfe unseres Busfahrers einen kleinen Radladen ausfindig machen. Wir decken uns für ein paar Yuan mit vier Ersatzschläuchen ein (chinesisches Fabrikat, darum zur Sicherheit mal ein paar mehr) und kaufen auch noch einen neuen Mantel (Dietmar hat einen Bremsplatten entdeckt). Unsere Weiterfahrt ist mal wieder bis auf weiteres gerettet.

Nach dem kleinen Shopping Ausflug gehts dann los. Heute schauen wir uns die weltberühmten Nebelfel… ähhh Reisterassen der Hani-Minderheit an. Vollbeladen mit Rädern und uns Radlern schleppt sich unser Bus die Serpentinen nach Xinjie hinauf – und kurze Zeit später wieder hinunter. Die Sicht ist zu schlecht und auf eine weitere Nebel- und Regenfahrt haben wir alle nicht so Recht Lust. Zumal man nichts von der eigentlich atemberaubenden Landschaft dieser Gegend sieht. Zum Vergleich habe ich mal eine Postkarte abfotografiert. Eigentlich ja schäbig, dass wir hier aus dem Nebel Hochglanzkarten verschicken, wo wir nix gesehen haben. Wir verbringen eine kurze Mittagspause am Laohu Zui, dem Maul des alten Tigers, wie die Ortschaft an der eintrittspflichtigen Aussichtsplattform heißt. Danach handeln wir mit unserem Fahrer Herr Zhang einen Preis für die Rückfahrt aus und machen uns auf den Weg zurück zum Hotel. Nach einem Anruf bei Freunden schlägt Zhang eine Strecke auf einer neuen Straße vor, wo das Wetter etwas besser sein soll. Tatsächlich sehen wir auch ein paar Terrassen, aber viel ist es nicht.

Zurück in der Stadt verbringen wir ein paar Stunden zur freien Verfügung. Einige von uns versuchen Geld abzuheben, aber viele Banken akzeptieren unsere Karten nicht. In der Vergangenheit gab es nie Schwierigkeiten in China mit gängigen Kredit und EC-Karten Geld zu bekommen, aber diesesmal macht sich gähnende Leere in den Geldsäckeln breit. Am Abend kratzen wir unsere Reste zusammen, zahlen das Hotel und rationieren soweit dass wir es an die vietnamesische Grenze schaffen sollten. Aus Kostengründen, und weil es meistens ein leckeres und schönes Erlebnis ist, gehen wir zum Abendessen denn auch in eine kleine „Klitsche“ am Straßenrand. Allen schmeckt es besser als am Vorabend im besten Restaurant am Platz. Leider haben aber nur fast alle hinterher keine Probleme mit der Verdauung.