Endlich Tee

Entlang der Teestraße, vom 03.10. bis 12.10.2019

Von Pu`er nach Puwen, 70 km, knapp über 1.000 HM

Heute Morgen sind die Muskeln schwer. Wir haben alle etwas unruhig geschlafen, als ob man im Traum noch weiterfährt, über den nächsten und übernächsten Hügel. Beim Radeln wird es besser. Nach der Stadtausfahrt auf der großen Straße, die auch viele LKW nehmen, biegen wir ab in die Teehügel. „Das hätten wir aber auch einfacher haben können“, wird Harald am Abend bemerken, als er unseren Umweg durch die Teeterrassen im 3D-Flug auf seinem Handy anschaut. Ja, hätten wir. Dann gäbe es aber auch keine Bilder vom Hauptanbaugebiet des Pu`er Tees. Zuerst fahren wir an einer riesigen Teefabrik vorbei, dann an kleineren. Neugierig schauen wir uns um, in der ersten laufen zwar Maschinen, aber es scheint niemand da zu sein. In der zweiten dürfen wir fotografieren. Aber hier wird Schwarztee hergestellt, der im Gegensatz zum Pu`er Tee durchfermentiert wird. Gepflückt wird der Tee zwischen Februar und etwa November, eben in der Wachstumszeit der Pflanze. Ursprünglich gab es Teebäume, die zur einfachen Gewinnung zu Büschen herunter gezüchtet wurden. Die Büsche werden mit Pestiziden gespritzt, weshalb die Verbraucherzentrale NRW vor einigen Jahren vor dem vermehrten Verzehr von Pu`er Tee gewarnt hat. Heute sind wenig Pflücker unterwegs, die Hochsaison ist wahrscheinlich vorbei. „Traditionell wird der Tee gepflückt, im Wok erhitzt, gerollt, in der Sonne getrocknet und zu Fladen gepresst.“ Erzählt Xiao Luo am Abend, als sie uns Fladen von ihrem eigenen Tee schenkt. Der stammt von Teebäumen, nicht von den uralten wild gewachsenen, sondern von gepflanzten. Pestizide kommen hier nicht zum Einsatz. Sie zeigt uns auch Bilder von über 200 Jahre alten Teebäumen, die selbst ihr Großvater schon gekannt hat.

Wir spazieren eine gute Stunde in den Teeplantagen bei Chabolan Yuan, wo wir eigentlich auch wohnen wollten, wenn das Hotel nicht gerade renoviert würde. Langsam kommt auch die Sonne heraus und das Licht für Fotos wird immer besser. Mit dem Fahrrad dürfen wir allerdings nicht in die Anlage fahren, obwohl China by Bike Gruppen schon x-mal hier gewohnt haben, es gut ausgebaute Wege gibt und außer uns niemand da ist. Wir müssen uns wohl zukünftig nach einem anderen Ort in den Teefeldern umsehen. Nach einem ausgedehnten Spaziergang schlürfen wir die Nudelsuppe, die Xiao Ding uns aus dem letzten Dorf besorgt hat. Denn bis nach Puwen sind es noch 45 Kilometer, die teils steil durch ein Waldschutzgebiet führen. Unterwegs sehen wir neben Tee noch viele blühende Pflanzen, eine riesige Raupe, Kaffeesträucher, Zuckerrohr und Drachenfrucht- und Bananenanbau.  

Am Nachmittag gibt es den mittlerweile schon üblichen Regenschauer. Heute fällt er kräftiger aus, wir nähern uns immer mehr dem tropischen Regenwaldgebiet. Die Temperaturen sind gestiegen und in Puwen erkennt man schon die Einflüsse aus Südostasien, zum Beispiel an der Thai-Bauweise und den Thai-Pagoden. Gegessen wird später, auch mal nach acht, wenn die Luft sich etwas abgekühlt  hat. In den nächsten Tagen wird es wohl noch wärmer, wenn wir weiter wir nach Süden und in tiefer gelegene Gegenden kommen.

PS: Gegenüber schallt es schrill aus dem Karaoke-Tempel, mal sehen, wieviel Schlaf wir heute bekommen.

PPS: Leider hat sich mein GPS heute mal wieder verabschiedet. Laut Haralds Aufzeichnungen sind wir 70 km und 1.081 HM gefahren.

Im Dorf der Kopfjäger

Die Schöne Insel, vom 29.09. bis 20.10.2019

Ein Beitrag von Susanne.

Am Morgen stehen unsere Räder startklar vor dem Hotel – frisch gerichtet, alles durchgecheckt. Amao hat am Abend noch hervorragende Arbeit geleistet.

Nachdem zum Frühstück wieder Kaffee und Tee serviert wird, auch wenn es nur Instant-Tüten-Kaffee ist, sind wir glücklich und starten mit unseren frisch gerichteten Rädern. Die ersten 30 km sind flach. Wir fahren der Küste entlang, die Sonne sticht. Wenn mal kein Auto kommt, kann man die Brandung des Pazifiks hören. Dann macht die Straße einen Rechtsknick und es geht hoch in die Berge. Auf einer Strecke von etwa 14 km erklimmen wir ca. 450 Hm. DIe Steigung ist gut zu fahren, die Straße auch, wenn nur die vielen Autos und LKWs wären. Oben kommt uns eine große Gruppe Radfahrer inklusive zweier Giant-Begleitfahrzeugen entgegen. Sie machen das Daumen-Hoch-Zeichen und winken uns zu. Einer davon ruft mir gegen Ende der Steigung zu „you are almost there!“ Oben angekommen, ziehen wir uns erst einmal etwas über, es ist kühl hier oben, und wir sind völlig durchgeschwitzt. Zum Glück hat sich die Sonne schon am Anfang der Einfahrt in den Berg verzogen. Und jetzt geht es wieder bergab. Mittagessen, wir kommen!

Nach etwa 13 km gabelt sich die Straße und wir essen in einem kleinen Restaurant zu Mittag. Die meisten von uns wählen die sauer-scharfe Maultaschensuppe. Sie schmeckt herrlich, auch wenn wir wieder mit Sojasoße nachwürzen, um unseren Salzhaushalt aufzufüllen. Jetzt sind es nur noch 8 km weiter bergab, bis wir am Ziel der heutigen Etappe sind.

Im kleinen Örtchen Xuhai ist unser Hotel. Wir befinden uns immer noch im Gebiet der Paiwan. Die Paiwan, erzählt Rudi, wurden vom Westen der Insel durch die chinesischen Einwanderer an die Ostküste zurückgedrängt. Früher waren die Paiwan recht gefürchtet, denn sie hatten den Ruf als Kopfjäger. Wenn sie von ihren Streifzügen nachhause kamen, brachten sie die Köpfe der getöteten Feinde mit, die dann an Steinsäulen aufgehängt wurden. Nur gut, dass sich das geändert hat.

Unser B&B ist klein und schnuckelig. „Legales Bed and Breakfast“ steht auf dem Schild vor dem Haus. Leider gibt es keinen Aufzug, wir stöhnen. Schon wieder die schweren Koffer die Treppe hochtragen. Aber Amao ist so hilfsbereit und unsere Koffer hoch. Die meisten auf jeden Fall. Ihm gebührt heute unser großer Dank!

Zum Abendessen fahren wir ein kurzes Stück ans Meer und essen dort in einem Restaurant zu Abend. Vor dem Restaurant sind kleine Aquarien mit Fischen, ein Fischrestaurant also. Für mich als nicht Fisch-Esser ist die Auswahl heute nicht besonders groß, aber ich werde trotzdem satt und das Essen ist gut. Rudi bestellt drei Portionen Fisch. Fischbällchen, Fischallerlei mit Mayonaise, Als letztes wird uns ein Schnapper (Seehühnchen) serviert. Der Fisch wird uns in seiner voller Größe auf dem Stövchen, mit den nicht mehr vorhandenen Augen schaut er mich an. Er wurde gegart in einem Sud aus Ingwer und allerlei fremdartigen Gewürzen. Die anderen sagen, er hätte hervorragend geschmeckt.

Zum Glück waren wir mit dem Abendessen recht früh dran. Das Küchenpersonal ist aber jetzt schon etwas hektisch, denn es sind zwei Busse zum Essen angekündigt. Diese kommen, als wir gerade gegessen haben. Das Restaurant füllte sich mit Menschen, es wird laut. Der erste Bus mit ca 50-60 Personen fand im Restaurant noch genügend Platz. Wir sehen zu, dass wir bezahlen und hier verschwinden. Jetzt wird jede Unterhaltung unmöglich. Der zweite Bus kam, als wir gerade das Lokal verlassen. Jetzt wird es hier richtig kuschelig, der Lärmpegel steigt vermutlich ins Unendliche.Kommentar von Hans: Schlimmer als bei der Lufthansa mit Doppelbuchung. Nix wie weg hier.

Als wir wieder im Hotel sind, ist es noch nicht einmal 19 Uhr. Wir kaufen im lokalen Lebensmittelgeschäft noch einen Absacker, den wir in unserem B&B trinken. Den haben wir auch nötig, den vor unserem B&B steht ein Bus. Wenn die alle hier untergebracht sind, kann die Nacht laut werden.

Ausklang

Auf dem Dach der Welt, vom 17.09. bis 10.10.2019

Kathmandu

Ausklang. So kann man es wirklich nennen. Nachdem wir nun die letzten drei Tage auf extremen Pisten in die nepalesische Hauptstadt eingeradelt sind, finden wir uns heute in der morgendlichen Hitze im Swayambhunath wieder, einer großer Tempelanlage im Westen Kathmandus, von der man, da auf eine Hügel gebaut, einen wunderbaren Blick über die Stadt hat. Gebaut ist wohl nicht das richtige Wort, denn die Legende besagt, dass der Monkey-Tempel, wie das Heiligtum wegen der vielen hier lebenden Rhesusaffen auch genannt wird, nicht von Menschenhand geschaffen wurde. Vielmehr erschuf sich dieser Ort aus sich selbst.

Jetzt stehen wir hier. In unseren Ohren erklingt das leichte Läuten der Tempelglöckchen, das hektische Flattern der Gebetsfahnen, die auch hier überall gespannt sind und nicht zuletzt das sirrende Dröhnen und Klingen der Klangschallen, die zu Hauf zum Verkauf angeboten werden. Ausklang. Eine Französische Reisegruppe älterer Damen malt und zeichnet, gescharrt um einen jugendlichen Lehrer, motiviert die zentrale Stupa ab. Wir werden sie später in der Altstadt vor dem einen oder anderen Tempel in gleicher Konstellation wieder treffen.

Hier, wie überall in Kathmandu, sind die Folgen der Erdbebens von 2015 nach wie vor unverkennbar. Auch wenn überall emsig aufgebaut und restauriert wird, zeugen eingestürzte Bauten und traurige Ruinen nicht nur vom Glanz längst vergangener Zeiten, sondern auch von der Kraft und Unbarmherzigkeit der Naturgewalten.

Wir steigen die Stufen des Tempels hinab, fahren nach Boudnath in den Nordosten Kathmandus. Einer der mit 36 m Höhe größten Stupas machen wir hier unsere Aufwartung. Traditionell umrunden wir das Gebäude im Uhrzeigersinn, tuen das gleiche nochmal auf dem Dach. Ein angenehmer Luftzug weht. Die Sonne scheint. Gestört wird das Idyll nur durch das ein oder andere Flugzeug – der Flughafen liegt recht nah, gemahnt uns an die nahende Abreise.

Die vielen Eindrücke müssen verarbeitet werden und so führte uns Bhasker, unser nepalesischer Guide, in ein Kaffee auf einern der Dachterrassen, hier genießen wir noch einmal einen schönen Blick auf die Stupa, während wir eisgekühlte Limonade und heißen Cappuccino schlürfen.

Zu guter Letzt in die Altstadt. Es ist bereits Nachmittag, wir sind schon einigermaßen geschafft, können uns aber dieses letzte Highlight nicht entgehen lassen. Leider sind die meisten Sehenswürdigkeiten heute nicht zu besichtigen. Wegen der gerade stattfindenden Feiertage laufen die Geschäfte nur auf Minimal-Betrieb, die meisten Mitarbeiter haben frei. Das wird auch deutlich, wenn man die Aufsteller vor vielen Restaurants sieht: only Beverage, no Food. Selbst die Kumari, kindliche Göttin, zeigt sich uns heute nicht. Dennoch bekommen wir einen guten Eindruck von der Stadt. Schlagen uns durch dunkle, enge Gassen ins Hotel zurück.

Es ist schon spät am Nachmittag. Letzte Einkäufe wollen besorgt werden. Gepackt muss gepackt werden. Das letzte gemeinsame Mahl – unser Abschiedsessen steht noch an.

Wir blicken auf drei Wochen gefüllt mit Erlebnissen, unvergesslichen Eindrücken und einmaligen Ausblicken zurück. Einmal von Lhasa bis Kathmandu. Einmal von der unermesslichen Weite Tibets in das bunte Chaos der nepalesischen Kultur. Mystisch anmutende Berglandschaften, deren Karg- und Klarheit fast schon im Auge schmerzt gegen quirlig, buntes, nach Gewürz duftendes Leben. Wir sind auf einige Grenzen gestoßen. Erstmal die chinesisch-tibetische. Die war schonmal sehr beeindruckend. Aber auch auf die Grenzen unserer Körper, die uns bewußt wurden mit jedem Meter, den wir über 4000 m weiter und höher und immer höher krochen. Und die Grenzen der Kulturen: Tibet – Nepal, so viele Unterschiede in so vielen Belangen.

Ich sehe den Flugzeugen nach, die über mir am Himmel kreuzen. Bald wird mich eins zurück ins kalte Europa bringen. Zeit all das Erlebte Revue passieren zu lassen Es gibt einiges zu tun.