„Mal abhängen“

Berg und Wasser, 08. bis 29.10.2011

Ich verliere meine Glaubwürdigkeit! Gestern habe ich meinen Begleitern von den handtellergroßen Spinnen des Laozishan erzählt (die wir da letztes Jahr zu Hauf am Wegesrand beobachten konnten), aber da waren keine. Heute habe ich alle auf das „abgeranzte“ Hotel ohne Warmwasser vorbereiten wollen und nun wohnen wir in dem neugebauten superschicken Teil des Hotels (genauer gesagt im 4. Stockwerk, alle übrigen befinden sich noch im Bau) mit Fenstern bis auf den Boden und einen umwerfenden Blick auf Baishou und Umgebung. Gerade verschwindet die Sonne hinter den graugrünen Bergen – ich kann es immer noch nicht fassen.

Unsere Reise hat uns heute zurück in die Karstlandschaft geführt, von der wir vor einer Woche aufgebrochen sind. Alle waren nach den entspannten Etappen der letzten Tage mal wieder froh, einen richtigen Berg zu fahren. Siggi hat sich schon beschwert, dass er gar nicht mehr ins Schwitzen kämme. Tja, dazu hat er heute genug Gelegenheit.

Als wir den ersten schwierigen Streckenabschnitt überwunden haben und uns einer Talsohle nähern, hören wir schon von weitem Musik aus einem Wäldchen tönen. Als wir näher kommen sehen wir zwei Männer, die in Hängematten „abhängen“ und uns gemütlich vor sich hin schaukelnd, nachschauen.

Auf halber Strecke legen wir unsere Mittagspause eine. Das Lokal gleicht eher einem Tanzsaal oder einer Spielhalle, die zum Abriss bereit steht. Die Wirtin vergisst die restlichen Biere zu bringen, Siggi wird ein bisschen grantig, aber Hans erträgt es mit Humor. Wir bekommen leckere Nudelsuppe mit Tomaten und Ei. Und auch die vier fehlenden Biere stehen bald auf dem Tisch. Genau das richtige bei der Hitze. Der Küchenchef kennt unsere Tour genau, da wir normalerweise jedes Jahr hier Halt machen. Er würde uns gerne ein Stück auf dem Rad begleiten, da er aber kürzlich einen Radunfall hatte und noch etwas lädiert ist begleitet uns seine Frau allein bis zum nächsten Pass.

Die letzten 10 km der Strecke ziehen Simone, Heinz und Hans plötzlich das Tempo an und wir lassen uns alle mitziehen. Wir rasen nur so durch die atemberaubende Landschaft.
Danach dringend ein Bier – muss sein!


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Pilgerleben II

Berge, Tempel, Thangkas, 24.09. bis 24.10.2011

Noch ein Ruhetag in Xiahe und noch einmal ein ruhiger Rundgang durchs Labrang Kloster, Besteigung der Hügel rund ums Kloster, meditativer ruhiger Tag bei trüben 14 Grad und nachmittags Regen

Es scheint, dass die Pilger sehr wetterabhängig ihre runden drehen, gestern war es mehr als belebt auf dem Rundgang und heute ist fast nix los. Die Sonne hat sich hinter dichten grauen Wolken versteckt und ab und zu nieselt es. Der wetterbericht für lanzhou stimmt mich nicht sonderlich optimistisch.
Zum Fotografieren der Gesichter ist es heute jedoch optimal, die starke Hochgebirgssonne kann keine dunklen schwarzen Schatten werfen, dafür muss man halt die ISO-Zahl etwas hochschrauben.
Zum Frühstück kehren wir in einem typischen Backpackerladen ein und dort gibt es natürlich dann auch Bananapancake und Yoghurt mit Früchten, der Lhasa Kaffee stellt sich dann als ein eher indisches Teegetränk heraus, trotzdem aber lecker.
Von den Hügel rund um das Kloster hat man eine hervorragende Sicht über das ganze Tal. Zwischen den Tempeln liegen, in gleichmäßige Quadrate aufgeteilt, die Wohnhöfe der Mönche. Die goldenen Dächer glänzen heute nicht im gleißenden Sonnenschein, sondern passen sich der herbstlichen Landschaft rundherum an.
Hinter dem Tempel liegt ein Kloster für die Novizen, hier sind sogar lange haare erlaubt, die die jungen Mönche zu einem Zopf geflochten und unter einem Tuch verdeckt um den Kopf gerollt haben. Es läuft gerade eine zeremonie für eine Pilgergruppe und nur mit Mühe dürfen wir in einer Ecke Platz nehmen und den Singsang beobachten. Danach, die Prozession ist nicht nicht zu Ende, werden wir recht mürrisch und unhöflich nach draußen gekehrt.
Hinter dem letzten Tenpel gibt es nichts Städtisches mehr, müde Hunde bewachen die festungsgleichen Höfe, an einigen Häusern wird noch gewerkelt, um einen Wassergraben oder eine Wand vor dem Winter fertig zu stellen. Ganz hinten im Dorf stehen zwei Yakkälbchen auf einer trockenen Weide, die beiden Tiere sind noch nicht mal eine Woche alt und haben keinerlei Angst und scheu vor der Welt und mir.
Auf dem Rückweg begegenen wir noch dem ein oder anderen Pilger, ich will eine frau befragen, wieviel Zeit sie für die Hardcore- Umrundung des Klosters benötigt, aber sie lacht mich nur an und versteht kein Wort Chinesisch, schade. Aber sie posiert gerne fürs Foto, es ist die Dame mit den „Holzschuhen“ an den Händen. Als wir wieder weg sind wirft sie sich wieder der länge nach hin, spricht ein kurzes Gebet, steht auf und wirft sich wieder hin. Ich versuche nachzurechnen, also die Frau ist 1, 70m groß und schafft zwei Körperlängen pro Minute, der Rundweg beträgt 6 Kilometer plus zwei Kilometer für die Umrundungen der inneren Tempel, dabei kommt sie auf 4705 Niederwefungen, wofür sie dann fast 40 Stunden effektiv und ohne Pause unterwegs ist. Wenn sie jeden Tag also 10 Stunden ihren Weg fortsetzt, ist sie also 4 Tage für eine Runde unterwegs…..danach ist der Geist definitiv von jeglichem bösen Gedanken befreit.
Zurück in der Stadt treffen wir auf zwei deutsche Radler aus Hamburg. Johanna und Andreas sind seit März unterwegs und haben als „Wessis“ natürlich die südliche Route gewählt. Mit massiv viel Gepäck haben sie sich durch die Türkei und Kirgsien bis nach China durchgestrampelt und wollen weiter nach Süden und dann nach Vietnam. Viel Glück und viel Spaß, ihr Abenteuer ist nachzulesen auf: www.cycle-the-world.de
Wir starten dann morgen auf unsere letzten drei tage in Richtung Lanzhou und kehren Tibet und den tempel und den Tankhas den Rücken, wieder geht es vor allem durch moslemisches Hui- Land und dann bald nach Hause, für meine Truppe ist es ein „Schon“, für mich nach mehr als 6 Monaten ein „Endlich“.

In Tata-Land

Auf dem Dach der Welt, 27.09. bis 22.10.2011

Wo wir hier wieder gelandet sind! Wer meint, dass Reisen immer gleichförmiger wird und immer weniger Überraschungen bietet, etwa weil die Welt sich insgesamt immer mehr annähert, der sollte mal die Grenze von Tibet nach Nepal überschreiten. Unterschiedlichere Welten lassen sich nämlich kaum vorstellen, es ist als sei man plötzlich in einem anderen Film gelandet. Die Grenze selber war die verrückteste, die ich bisher erlebt habe. Mengen nepalesischer Frauen haben sich darum gerissen, unser Gepäck zu tragen, die Chinesen waren professionell (und wieder viel freundlicher als erwartet), die Nepalesen gemütlich und sympathisch (dazu passend: Schreibfehler sogar auf dem Visumsformular). Dann ab ins bunte Chaos.

Tibet war kühl, karg, majestätisch in seiner Landschaft. Leer und weit. Nepal ist warm, üppig, bunt. Das Leben tobt anarchisch vor sich hin. Die Leute lachen, unsere Lungen sind zum Bersten mit Sauerstoff gefüllt und wir fühlen uns fantastisch. Es ist ungemein interessant, wie sehr die Natur die menschliche Natur beeinflusst, wie sehr der Himalaya das Klima, die Kulturen, die Mentalitäten trennt. Die wortkargen Tibeter von den lebhaften Nepalesen. Lhasa Beer wird zu Everest Beer, war für uns ja auch nicht unwichtig ist.

Unsere Beherbergungen waren schön, mit den Backpackern im „Last Resort“, jetzt mit den etablierten Reisegruppen im Bergresort von Dulikhel, was sehr mondän ist. Das Last Resort ist bekannt für sein Bungee, von der Hängebrücke geht es hier 160m runter. Nur Peter hat sich freiwillig in die Tiefe gestürzt, ein Sprung von hoher Eleganz (leider von meiner Kamera nicht dokumentiert, da kurz zuvor die Batterie ihren Geist aufgegeben hat). Der Weg heute war schön und holprig: die Straße war an vielen Stellen aufgerissen bzw. von Erdrutschen verwüstet, der Verkehr war wild. Allgegenwärtig sind die Tata-LKWs und –Überlandbusse, vollbeladen deren Innenräume und Dächer. Tata ist ein indisches Konglomerat, der größte Stahlproduzent der Welt und auch ein erfolgreicher Autobauer. In Nepal und wohl auch in Indien ist Tata überall präsent, bei uns unbekannt (obwohl man kürzlich Jaguar und Land Rover geschluckt hat).

Die LKWs sind lustig bemalt und mit einfallsreichen Hupen ausgestattet, deshalb will man ihnen fast verzeihen, dass sie einen ständig über den Haufen fahren wollen. Falls vor die Wahl gestellt: den Führerschein sollte man in Nepal und nicht in Tibet machen, dann hat man die Feuertaufe überstanden. In Tibet erschrecken die Fahrer vor jedem anderen Auto, so wenig ist da los. Morgen wird für uns noch mal extremer, Stadteinfahrt nach Kathmandu.


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Die Wende

Berg und Wasser, 08. bis 29.10.2011

Unsere heutige Wegstrecke ist eine recht kurze und so finden wir nach dem Frühstück noch Zeit über den Markt zu spazieren, der in den Gassen gegenüber des Hotels aufgebaut ist. Gemüse, Fisch, Fleisch, Gummistiefel – für jeden Geschmack ist etwas dabei.
Danach schwingen wir uns auf die Räder und fahren die knapp 30 km nach Rongshui, unserer nächsten Station. Hier steht die Besichtigung des Laozishan an, einem Karstberg mit buddhistischen Reliefs und Tempeln, die zum Teil in Felshöhlen geschlagen wurden.
Da unser Frühstück ziemlich reichlich ausgefallen ist, lassen wir das Mittagessen weg und machen uns nach einer kleinen Pause direkt in Richtung Laozishan auf.
Wir bieten wohl eine eigenartiges Bild in dieser Stadt, die bisher wohl nur selten Ausländer gesehen hat. Die Verkäuferin eines kleinen Supermarktes äußert sich überrascht darüber, wie viele wir sind (wir sind sieben). Unser Trupp schiebt sich langsam durch die Mittagshitze, die immer unerträglicher wird. Unterwegs begegnet uns mal wieder einiges Kurioses. Z.B. eine Zahnarztpraxis, die sich halb auf der Strasse halb im Schaufenster befindet, wir stehen direkt neben dem Patienten und sehen zu, wie ihm gerade ein Loch ausgebohrt wird.
Am Fuße des Berges angekommen, pausieren wir bei einem leckeren chinesischen Stieleis, die Hitze ist wirklich kaum noch auszuhalten, dann machen wir uns an die Besteigung.
Ein Weg führt direkt auf die Spitze des Berges, hier hat man wirklich eine wunderbare Sicht auf die Stadt und die sie umgebenden Kegelberge. Zeit zu verweilen, dem bereits gesehenen und erlebten nachzusinnen. Uns wird plötzlich bewusst, dass wir schon am Wendepunkt unserer Reise angekommen sind – heute ist Bergfest.
Auf dem Rückweg kehren wir in ein Strassenrestaurant auf ein Bier ein.

Heute ist der 18. Oktober, ganz offensichtlich ein guter Tag um zu heiraten. Das mag am Datum liegen. Im chinesischen spielen Zahlen eine wichtige Rolle – die Acht ist eine der absoluten Glückszahlen und wird mit Wohlstand gleich gesetzt. Wir entdecken gleich mehrere Hochzeitsgesellschaften und an verschiedenen Stellen der Stadt werden Feuerwerke entzündet. Simone, Siggi, Hans und Heinz werden sogar auf eine Hochzeit eingeladen. Heinz nimmt diesmal artig die vom Bräutigam angebotene Zigarette an und klemmt sie, wie beobachtet, hinters Ohr. Die eigentliche Einladung schlagen die vier aber aus, morgen liegt eine lange und etwas anstrengendere Etappe vor uns, die fährt sich nicht so gut mit Kater.
Vom Restaurant, wo wir zu Abend essen, können wir den großen Platz (der allerdings kleiner Platz heißt) überblicken. Mehrere Tanzgruppen haben sich hier versammelt, aus diversen Lautsprechern dröhnt Musik und die Damen wiegen sich dazu mit Fächer im Takt, andere tanzen mit ihren Freundinnen Standard-Tänze.
Wir feiern unser Bergfest mit einer Halbliterflasche 52prozentigem (vermutlich Rasierwasser) und ich bekomme zur Feier des Tages einen Wasserkocher geschenkt. Insgeheim bin ich recht froh, dass wir ein Begleitfahrzeug haben.
Nach dem Essen wollen wir die Tänzer auf dem Platz hautnah erleben. Die ganze Stadt scheint noch auf den Beinen zu sein. Eine junge Mutter präsentiert uns stolz ihr Kind. Siggi holt Bier und Silke und Andreas haben entdeckt, dass es hier sogar „Netz“ gibt und spielen gedankenverloren mit ihren IPhones.


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Pilgerleben I

Berge, Tempel, Thangkas, 24.09. bis 24.10.2011

Ruhetag in Xiahe und Besichtigung des Labuleng Klosters, ein Runde im Strom der Pilger an den langen Reihen der Gebetsmühlen entlang

Xiahe ist kein zu große Städtchen, ca. 100.000 Menschen wohnen hier. Als wir gestern von Osten eingefahren sind, haben wir zuerst den chinesischen teil der Stadt durchquert, hier tobt der Bauboom, zahlreiche Hochhäuser entstehen und die Stadt gleicht allen anderen chinesischen Boomkreisstädten. Im alten zentrum finden sich dann ein paar moderne Hotels und geschäftsbauten, aber schon in der zweiten Reihe dominieren die tibetischen Häuser und am westlichen Ende befindet sich dann das Labulen Kloster oder auf Tibetisch auch Labrang Kloster. Traurige Berühmtheit hat es 2008 im März erlangt, als hier nach ersten Ausschreitungen Proteste ausbrachen, inzwischen ist aber wieder Ruhe eingekehrt ins Alltagsleben der Stadt und seiner zahlreichen Pilger.
Das Labrang Kloster ist eines der sechs großen Klöster der gelmützen Sekte, gegeründer von Tsongkhapa, dessen Führungsfigur der Dalai Lama ist. gegeründet im Jahre 1709 beherbergte das Kloster Anfang des 20. Jahrhundert 2000 Mönche und war eine der größten tantrischen Universitäten des Reiches. Inzwischen gibt es wieder fast 1000 Mönche, die den großen Komplex bewirtschaften und mehrere zehntausend Pilger aus allen Teilen des landes finden sich ein.
Am Morgen hatten wir ein weißes Wunder erlebt, es schneite, als ich um 7 Uhr einen verschlafenen Blick aus dem Fenster warf. Jegliches hat seinen Sinn, dachte ich bei mir, denn eigentlich hätten wir heute über den letzten 3000er Pass klettern müssen, was uns aber erspart blieb, da wir ja gestern im Grasland keine Herberge gefunden haben. Nach dem lausigen Frühstück im Hotel kommt dann aber langsam die Sonne heraus und wir spazieren die 2 Kilometer westlich bis zum Kloster. Es ist noch ein wenig früh und so ziehen noch nicht zu viele Pilger ihre Kreise. Außen um den Komplex befindet sich ein vielleicht 5 oder sechs Kilometer langer Barkhor, der an drei Seiten lange überdachte Wandelgänge mit unendlich vielen Gebetsmühlen beherbergt. Hier rasen die Pilger in Höchstegeschwindigkeit vorbei, in der linken Hand den Rosenkranz und mit der rechten Hand die Gebetsmühlen drehend murmeln sie ihr „Omanipatmehum“ vor sich hin. Der Klang der Gebetsmühlen ist ähnlich meditiativ, manche Knarren oder Grollen oder Quietschen. Auf dem Rundweg liegen die Eingängen zu allen Tempeln der Anlage. Hier biegen dann die Pilger ab und drehen auch ihre Runden um die inneren Heiligtümer. Leider ist es nicht erlaubt im Inneren der Tempel zu fotografieren und auch zu den Zeremonien der Mönche werden die Touristen, als auch die Pilger rausgekehrt und man hört die Gesänge der Sutras nur durch die Türen.
Große Schilder in Englisch gehalten, weisen uns darauf hin, nicht zu spucken, nicht zu lärmen und nicht zu fotografieren. Nachdem wir in den letzten zwei Wochen keine einzige Langnase getroffen haben, sind wir nun wieder zurück auf den gängigen Touristenrouten, aber im Momnet ist nicht die Hauptsaison und so haben wir lediglich eine einzige Gruppe von Franzosen getroffen.
Aber es ist auch gar nicht so wichtig in den finsteren, nur durch Butterlampen beleuchteten Tempeln zu fotografieren, denn das eigentlich fasznierende Pilgerleben spielt sich davor ab. Vertieft in ihre Umrundungen und Gebete macht es Freude, die Gesichtervielfalt der Tibeter zu studieren. Läuft ein Fotomodell zu schnell vorbei, dann wartet man einfach, bis die alte Frau oder die Familie oder der Mönch eine weitere Runde um den Tempel absolviert hat und wieder im Sonnenlicht auftaucht.
Am westlichen Ende des Tempelbezirks warten die Weihrauchverkäufer, die Äste eine Nadelgehölzes, meist Wachholder, verkaufen, welches in einem großen Ofen verbrannt wird und dicke weiße Rauchschwaden in den Himmel schicken.
Dann geht es an der hinteren Klosterfront wieder zurück, hier drängen sich die Pilger dicht an dicht und auch hier gibt es noch einige kleine Tempel in denen sich alles staut, denn die Gebetsmühlen sind in dem schmalen Gang auf beiden Seiten angebracht und nun wird es doppelt so eng. Leider ist das Licht katastrophal schlecht, aber einige gute Schnappschüsse gelingen mir doch im Gedränge.
Nach einer Rund sind wir recht müde vom vielen Sehen und ziehen in ein kleines Restaurant mit Dachterrasse und gutem Blick übers ganze Kloster ein. Das Essen ist recht pasabel, der Yak auf unserem Teller erstunlich saftig und nicht zäh.
Der Nachmittag endet dann recht gemütlich mit einem Bummel in der Stadt und einem recht guten Feuertopfessen. dabei diskutieren wir, was wir mit dem gewonnenen Tag machen und einigen uns auf etwas Freiheit, so hat jerder noch einmal die Möglichkeit, das geschäftige Treiben im tempel zu genießen oder auf die umliegenden Berge zu klettern.

Wir kommen an in Rong‘an

Berg und Wasser, 08. bis 29.10.2011

Nudelsuppe und Baozi haben sich als Frühstück bewährt und sind auch heute unsere Wahl. Gestärkt brechen wir in das etwa 80 km entfernte Rong‘an auf.

Die Fahrt ist entspannt und führt durch schöne Landschaften, Reis- und Zuckerrohrfelder, Wälder und Bambushaine. Da und dort passieren wir ein Haus mit Kiosk, in dem der Verkäufer abgeschirmt von der Mittagshitze hinter dem Tresen döst.
Die Strasse ist gut und das Wetter prächtig und auch unsere Vorräte an Mandarinen und Bananen sind seit dem letzten Abend wieder aufgefüllt. So geht es zügig voran, nur ab und an unterbrochen von einem Foto-Stop.
Die Mittagspause fällt heute gegen 14:30 recht spät aus. Der Laden liegt direkt an der Strasse und scheint einerseits die örtliche Metzgerei und andererseits ein beliebter Kraftfahrer-Halt zu sein, zumindest ist er gut besucht. Die ganze Gruppe fühlt sich gut unterhalten.

Wir kommen recht früh in Rong‘an an. Unser Hotel ist durchaus entzückend zu nennen, und hat einen gewissen, schwer zu umschreibenden Charme. Nur Siggi und Hans überlegen, ob sie nicht besser im Love Hotel hätten einchecken sollen.
Die Rezeptionistin hat zudem einige Mühe unsere Pässe zu begreifen. Egal, wir haben Zeit und Siggi ist schon auf dem Weg zum Bier.

Wir sind zwar alle von der Hitze geschafft, aber wir raffen uns dennoch zu einem Spaziergang in der Stadt auf. Rong‘an liegt malerisch eingebettet zwischen Hügeln und Bergen. Der breite Fluss, an dessen Ufern Rong‘an liegt, ist die Lebensader der Stadt. Hier spazieren abends die Einheimischen (und die Ausländer-Wir). Einige schwimmen, andere angeln, wieder andere tragen ihre Kinder durch die Gegend oder plauschen mit Passanten. Wir werden neugierig beäugt und schnell angesprochen. Ein Mann wäscht lokales Wurzelgemüse im Fluss, lässt mich kosten (ich stelle mich mal wieder als Versuchskaninchen zur Verfügung) – es schmeckt stark salzig, aber nicht schlecht – wir werden es beim Nachtmahl wieder treffen.
Weiter vorn ist man noch schwer am Schaffen: Matratzen und ganze Bettgestelle werden auf Barken geladen.
Langsam versinkt die Sonne hinter den Bergen und auch wir machen uns auf den Weg zurück ins Hotel.


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Über den letzten Pass

Berge, Tempel, Thangkas, 24.09. bis 24.10.2011

90 Kilometer von Tongren bis ins Grasland plus 30 km Transfer nach Xiahe, 1600 hm bei sonnigen -2 bis 15 Grad, zwei Pässe und wunderschönes Grasland auf einsamer Straße und 20 km Piste

Morgens zeitig ist es mehr als eisig, deshalb wähle ich am Anfang eine Route in der aufgehenden Sonne. Leider segelt die Gruppe vor mir am Abzweig auf die Hauptroute vorbei und Angela und mir bleibt nichts anderes übrig als hinterherzufahren. Fast wie erwartet gibt es keinen weiteren Weg über den Fluss, erst viel weiter unten und das kostet uns 10 Kilometer Umweg und noch 100 hm zusätzlich und damit natürlich eine gute Stunde Zeit. hoffentlich fehlt uns die nicht am Abend.
Eine gute Nudelsuppe gibt uns Kraft für die letzten großen Pässe auf der Tour und dann geht es zwei Kilometer durch schlechte Baustelle, danach haben wir eine mehr als ruhige, neu ausgebaute Straße ganz für uns alleine. Jeder Pass ist ein anderes Erlebnis. Heute geht es erst durch kleine tibetische Dörfer. Auch hier wieder jedes Haus eine kleine Festung aus Lehm, dazwischen große Schober mit zum trocknen aufgehängtem Stroh. Dann geht es durch ein recht gut bewaldetes Gebiet in einer schmalen Schlucht nach oben, nicht sonderlich spektakulär, aber sehr schön heimisch, durch die vielen Wälder. Oben öffnet sich das Tal und wir erreichen eine weite Grasebene. Nur ganz weit am Horizont Gebirgszüge mit Schneekappen, sonst nichts als herbstbraunes Grasland. Und ein tibetischer Marktflecken. Dort wird emsig Handel getrieben und es gibt wieder ein idyllisch gelegenes Kloster. Die einzelnen Tempel bleiben uns zwar verschlossen, aber vom Dach des Haupttempels hat man einen sehr schönen Ausblick.
Dann heißt es noch einmal kämpfen, die Straße hat sich leider wieder in eine Baustelle verwandelt und durch den Staub geht es noch einmal knappe 500 hm nach oben bis auf 3650 Meter über dem Meer und auf der anderen Seite wieder unendlich Weite. Oben flirten wir ein wenig mit den Mädels von der Baustelle. Die drei jungen Frauen haben nicht viel zu tun, aller 15 Minuten kommt ein Bagger und sie müssen nur die Drahtketten durch die Hohlblocksteine ziehen, zwei Minuten später beginnt die nächste „Pause“ von 15 Minuten. Wir teilen unsere Kekse und machen Bilder von unseren vermummten Gesichtern.
Leider zieht sich die Baustelle noch viel weiter, so dass es nichts aus einer zügigen Abfahrt wird und die Sonne schon recht niedrig steht, als wir den Abzweig zu den Jurtencamps erreichen. Die Aussagen der Lokals können sich nicht stärker widersprechen. Dort gibt es Übernachtungen, dort gibt es nur im Sommer Übernachtungen und dort gibt es nie Übernachtungen, es ist zum Mäuse melken! Die Polizei im Ort bestätigt leider die letzte Aussage und auch in dem kleinen Kreuzungsdorf sieht es mehr als mies aus, es gibt eine Herberge mit zwei Zimmern. In einem Zimmer sind auf 15 Quadratmetern 5 Betten um einen Kanonenofen postiert, in den zweiten Zimmer gibt es nur ein schäbiges „Doppelbett“ von 1,2 m Breite, also müssen wir weiter, aber nicht auf dem rad, denn die Sonne steht nur noch ein paar Zentimeter über dem Horizont und es wird schnell und merklich kälter. Die halbe Gruppe bleibt deshalb im Dorf und unser Fahrer Pang heizt mit der anderen Hälfte die 30 Kilometer bis Xiahe, wo eine angemessene drei Sterne Herberge schnell gefunden ist. Nach 95 Minuten sind wir alle wieder beisammen und ziehen zum Abendessen, aber das Lokal ist nicht so toll und nicht beheizt, im Gegensatz zu den überheizten Zimmern in denen wir heute schlafen dürfen. Der Transfer hat aber auch seine guten Seiten. Wir haben somit hier in Xiahe einen weiteren Ruhetag und noch einmal die Möglichkeit im größten tibetischen Kloster außerhalb der eigentlichen Provinz Tibet das Pilgerleben mitzuerleben, doch davon dann morgen.


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Wind

Auf dem Dach der Welt, 27.09. bis 22.10.2011

Wind: das war heute unser Thema. Unsere beiden Begleiter heißen wörtlich „Wind“ (Lhacba): Lhacba Woesel, unser Guide und Lhacba Tsering, unser Fahrer. Bis heute war das ein gutes Omen, denn der Wind kam fast immer aus der richtigen Richtung und das Wetter war uns ohnehin hold. Obwohl wir also heute schwer mit dem Wind zu kämpfen hatten, dürfen wir nicht beleidigt sein sondern sollten demütig bleiben.

Es war jedenfalls in jeder Hinsicht ein Tag der Extreme. Im morgendlichen Frost sind wir noch in den Schneebergen gefahren, über unsere letzten beiden 5000er rüber. Vom letzten Pass, dem Tsang La, hatten wir eine fantastische Sicht auf das Shisapangma-Massiv, der Shisapangma ist der kleinste der vierzehn 8000er und der einzige, der vollständig auf chinesischem Territorium liegt. Wir haben in letzter Zeit einige der ganz großen Berge gesehen, diesen hier fand ich am schönsten. Dann die Abfahrt, die immer mehr vom Wind gebremst wurde. Auf dem Papier ist die Strecke von Tibet nach Nepal runter die längste Abfahrt der Welt (insgesamt über 4000 Höhenmeter lang), tatsächlich kamen wir teilweise kaum voran und mussten treten was das Zeug hält. Erst als es gegen Abend richtig steil wurde und wir durch eine immer grüner werdende Schlucht gefahren sind, ging es flinker voran. Landschaftlich war der heutige Tag gewaltig und unglaublich vielfältig.

Im wuseligen Grenzort Zhangmu waren wir alle kaputt, das Abschieds-Karaokesingen für unsere tibetischen Begleiter fiel bescheiden aus (nur chinesische und tibetische Lieder, da kann man dann nur zuschauen). Immerhin konnten wir uns wieder der Körperpflege widmen, warme Dusche! Wir hatten uns vom Erscheinungsbild immer mehr den kleinen Rotznasen angenähert, die uns auf den Straßen zugewinkt und angebettelt haben. Die Bettelei in Tibet ist ganz schön ernüchternd und umfasst alle Altersstufen, die Kinder können kaum stehen und begrüßen einen schon mit „Money“. Irgendwas ist da schiefgelaufen, ich kann mir auch gar nicht vorstellen woher das in den winzigen Käffern kommt, an denen der Tourismus bis auf ein paar Radfahrer dann und wann komplett vorbeizieht.

Die Bettelei war zwar sehr präsent, aber eine Raderscheinung und nicht aufdringlich. Wir haben insgesamt eine tolle Gastfreundschaft genossen. Und es war ein sehr karges, armes Gebiet durch das wir gefahren sind. Man schleppt ja immer einen Ballast an Erinnerungen und Erwartungen mit sich rum und misst dann alles mit den entsprechenden Maßstäben, das Pendel schlägt in die eine oder andere Richtung aus. Mit Tibet sind wir jetzt durch und obwohl die Provinz zerrissen und problembeladen ist, schlägt es ganz weit nach oben aus. Es war großartig hier, auch dank der beiden Lhacbas, die immer da und immer dabei waren.


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Öltee und andere Leckereien

Berg und Wasser, 08. bis 29.10.2011

Als ich erwache, ist das Leben draußen schon in vollem Gange. Auf dem Platz vor dem Trommelturm gegenüber des Hotels spielt eine Gruppe älterer Leute Kricket und eine weitere ist gerade dabei die andere Hälfte des Platzes zu bepflanzen.
Wir haben uns am heutigen Morgen für ein chinesisches Frühstück entschieden, Nudelsuppe, Mantou und Baozi, dazu eine Tasse Kaffee (Das Kaffee-Pulver haben Heinz und Simone vorausschauend mitgebracht) – ein Ost-West-Freundschafts-Frühstück also.
Danach brechen wir zu unserem Tagesausflug nach Chengyang, zu einer Wind-und Regenbrücke (ein für die Dong typisches Bauwerk aus Stein und Holz, ohne Nagel, überdacht bietet es zudem Schutz vor Wind und Regen) und einem Dorf der Dong-Minorität, auf.

Unser Weg führt am Fluss vorbei an Reis- und Baumwollfeldern, kleinen terrassierten Teeplantagen und chinesischen Kuriositäten (Bauhelm als Lampenschirm, siehe Foto). Wir treffen immer wieder Kinder, die uns vergnügt hinterherschreien und winken, ein kleine Schar fordert Andreas und Silke zu einem kleinen Wettrennen heraus.
Dann kommt uns ein größerer mit Hacken ausgerüsteter Trupp alter Frauen (und einiger Männer) entgegen. Sie umringen sofort neugierig Simones Rad und begutachten alles auf‘s genaueste. Sie sind die Ablösung einer anderen Gruppe, die gerade noch im Fluss steht und aus Flusssteinen eine Brücke/Deich errichtet.

Am Ticketschalter angekommen, wird mir nicht nur ein Studententicket angeboten, ich werde zudem gefragt, ob die anderen auch Studenten seien. Letztendlich werden uns die Tickets für je 5 Yuan weniger verkauft als Normalpreis. Anschließend spazieren wir über die Brücke und durch das Dorf. Wir trinken Öltee, einen für diese Region typischen Tee, den es in einer süßen und einer bitteren Variante gibt und dem Erdnüsse, Puffreis und ähnliche Knabbereien beigefügt werden. Süß ist er durchaus genießbar.
Die Reisernte ist hier in vollem Gange, überall liegt die Feldfrucht auf Planen ausgebreitet. In dem Dorf Ma‘an und auf der Brücke bieten sich mal wieder einige Möglichkeiten Mitbringsel einzukaufen, die von uns Frauen auch gern genutzt werden. Silke kann sich zwar letztendlich nicht entscheiden, dennoch nutzt uns ihr Kontakt mit der Händlerin. Die führt uns nämlich zu einem sehr schönen Restaurant mit Balkon und direktem Blick auf Fluss und Brücke. Wir sind erstmal froh der glühenden Mittagshitze entkommen zu sein und genießen alle das eiskaltes Bier (Das Bier hat uns Silkes Verkäuferin für einen günstigeren Preis besorgt). Die Toilette unseres Restaurants ist durch eine Flügeltür zu betreten und ziemlich luxuriös: sie wurde kunstvoll schräg in den Boden eingelassen, zudem hat man einen fantastischen Blick auf die Reisterrassen.

Heinz gelingt es mal wieder, bei dem anschließenden Spaziergang Kontakt zu den Einheimischen aufzunehmen (Foto). Ein „Park-Ranger“ will unbedingt mit ihm fotografiert werden und bietet Heinz im Gegenzug eine Zigarette, als Heinz sie ausschlägt wird sie sogleich an den Kollegen weiter gereicht und landet hinter dessen Ohr.
Nachdem wir die Brücke von allen Seiten betrachtet haben, geht es zurück. Wir radeln gemütlich in der spätnachmittäglichen Sonne in unser Hotel zurück. Diesmal gibt es kein Bier, sondern eine Schmutzbirne (aber gewaschen).


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