Die heiligen Birnen des Tsongkhapa

Berge, Tempel, Thangkas, 24.09. bis 24.10.2011

Noch ein Ruhetag in Tongren, Besichtigung dreier Klöster rund um die Stadt und eines alten tibetischen Dorfes, sonnig bei 0 bis 16 Grad

Rund um Tongren liegen dutzende von tibetischen Dörfern, Guom’er liegt etwas südlich vor der Stadt und ist ein Dorf mit einer Geschichte von über 1000 Jahren. Beeindruckend ist die erhaltene ursprüngliche Siedlungsstruktur. Nicht nur, dass die jeder Hof eine hohe Lehmmauer hat, sondern die Höfe liegen dicht aneinander gedrängt und sind von einer Stadtmauer umgeben, die gesamte Anlage ist daher wie eine schwer einzunehmende Festung, durch die sich schmale Gassen ziehen. Beeindruckend ist die Sauberkeit, alles ist blitzblank, wie in einem Musterdorf in Bayern, kein Schmutz und kein Müll in den Gassen. Die Mauern sind frisch mit einem Lehm-Stroh Gemisch verputzt und ab und an öffnet sich ein Tor und wir fragen, ob wir mal einen Blick hinein werfen können. Innen kleine oder mittelgroße Höfe mit zweistöckigen Gebäuden und auch hier fällt sofort die Sauberkeit ins Auge, es ist wie in einem Museumsdorf ohne Besucher, das normale Leben geht seinen Gang, zwei Tibeterinnen treiben zwei Esel durch die Gassen, ein paar ungekämmte, schön schmutzige Kinder spielen in der Sonne, eine Frau wäscht in einer Schüssel die Wäsche, eine andere schält Kartoffeln.
Hinter dem Dorf befindet sich ein wunderschöner Stupa. In den meisten tibetischen Gegenden sind die Stupa weiß, hier jedoch ist der Stupa mit farbenfreudigen Ornamenten und buddhistischen Fabelwesen verziert. Ein paar wenige Lokals drehen ihre Runden an den Gebetsmühlen. Im Kloster noch einmal ein Stück dahinter wird gerade eine Zeremonie abgehalten. Die Mönche sitzen auf dem sonnigen Hof vor dem Haupttempel und sind in ihre Meditation vertieft, der Hauptmönch sitze etwas erhöht vor einem Opferofen und schaufelt Gerste und andere Feldfrüchte in die Flammen, der Rauch füllt den ganzen Hof und steigt dann zu den Buddhas, Boddhisattvas und Schutzgöttern in den Himmel. Es ist eine etwas außergewöhnliche Zeremonie, denn die Mönche tragen festlichen Kopfputz und es werden außergewöhnlich viele Lebensmittel geopfert. Interessant ist, dass außer einer kleinen Gruppe von Mönchen kein einziger Zuschauer oder Gast anwesend ist, die Veranstaltung hat also keinen öffentlichen Charakter und ist reiner Selbstzweck für die Mönche.
Und damit bin ich wieder bei meiner Religionskritik, das nicht unbedingt klein zu nennende Kloster ist relativ abgelegen und hat für den Ort mit vielleicht maximal 5.000 Einwohnern doch eine beachtliche Größe. Etwa 50 Mönche haben wir gezählt, die müssen alle irgendwie versorgt werden, das Kloster und die Tempelanlage müssen gut in Schuss gehalten werden und auch die Lebensmittel für die Opfer werden nicht von den Mönchen selbst erarbeitet. Ähnlich sieht es ja auch in Burma aus, wo ein Großteil der Bruttossozialproduktes in neue Stupa und die gesamte Goldproduktion des Landes in Goldauflage für Tempel und Buddhas verwendet wird. „Der neue Stupa ist fertig und das Land ist ruiniert.“ heißt es in einem burmesischen Sprichwort. Letztlich kein Wunder, dass die Tibeter, gerade in den Randgebieten den „sozialistischen Wettbewerb“ mit den Hui und den einfließenden Chinesen nicht gewinnen können und so aus den Positionen in Handel und Business gedrängt werden. Ein chinesische Familie, gerade, wenn sie Neuland besiedelt, arbeitet emsigst und jeder gesparte Yuan wird wieder ins Geschäft investiert, während ein Großteil der Überschüsse der Tibeter in die Tempel fließen und zum Teil wohl nicht einmal nur die Überschüsse. So sind ein teil der sozialen Spannungen, die sich hier erzeugen eine folge des Zivilisationsdruckes und nicht unbedingt einer verfehlten Politik.
Doch wieder zurück zu den Tempel, zwei weitere stehen dann gegen Mittag noch auch dem Programm, der obere und der unter Wutun Tempel. Die erste Anlage schmiegt sich leicht an den Berg und überrascht mit einer riesigen stehenden tausendarmigen Guanyin Figur. Die Haupthalle ist wieder einmal dem Gründer der Gelbmützensekte Tsongkhappa gewidmet und der uns durch das Kloster begleitende Mönch verteilt an uns freigiebig die Birnen vom Altar. Die sind überaus lecker und stammen aus der Region. Was nun der Tsongkhappa zum Mittag bekäme, frage ich den Mönch. Ach, der brauche nicht viel antwortet dieser lachend, dafür seine die Birnen nun heilig und damit doppelt so lecker.
Am Nachmittag schlendern wir dann wieder durch die Stadt und genießen das tibetische Straßenleben und enden zum dritten male im gleichen Restaurant, dessen Speisekarte wir nun auswendig kennen, aber außer Nudelstuben ist in der Umgebung nichts weiter zu finden.
Morgen haben wir wieder eine schwierige Etappe vor uns und deshalb gehen wir nicht zu spät ins Bett, der letzte hohe Pass wartet schon auf uns.

Zu kurz ist auch nicht gut

Berg und Wasser, 08. bis 29.10.2011

Unsere heutige Etappe führt uns in das etwa 90 km entfernte Sanjiang.

Wir frühstücken diesmal in unserem Hotel. Der Koch ist nämlich von seinem Krankenbesuch wieder zurückgekehrt. Allerdings sind seine „Vorratskammern“ noch nicht wieder aufgefüllt und unser Mahl fällt eher spärlich aus. Nur Silke und Andreas sind auf der sicheren Seite. Sie haben die chinesische Variante gewählt und nun dampfen vor ihnen zwei große Schüsseln leckerer Nudelsuppe.

Bei strahlendstem Sonnenschein fahren wir die Serpentinen, die wir uns vor zwei Tagen im strömenden Regen hinauf gequält haben, wieder hinunter. Unten angekommen sieht uns ein etwa vierjähriges Mädchen. Es ist so begeistert, dass es auch gleich zu seinem kleinen (noch halbverpacktem) Kinderrad greift und mitfahren will.

Nach 50 km, bei starkem Verkehr und gleißendem Sonnenschein, kehren wir in einem sehr unscheinbaren Restaurant ein, es verteilt sich über mehrere Stockwerk und besteht ausschließlich aus Separés, die alle von einem langen Flur abzweigen. Die dicke Wirtin ist offensichtlich hocherfreut über die „waiguo pengyou“ (ausländischen Freunde), die bei ihr zu Gast sind. Nach dem Essen setzt bei allen sofort eine mittäglicheTrägheit ein (kennen wir schon), um ihr nicht nachzugeben, schwingen wir uns auf‘s Rad um die verbleibenden 40 km zu bewältigen.

Und es lohnt sich. Die Straße ist weitaus weniger befahren und vor uns öffnet sich ein weites Flusstal mit Brücken und kleinen Dörfern, Schiffen, die mit Schaufelrädern/Förderbändern große Gesteinsbrocken aus dem Flussbett reisen, die vor Ort gleich weiter bearbeitet werden.
Auf Wunsch von Siggi fahren wir auf eine Hängebrücke, neugierig beobachtet von einer älteren ganz kleinen Chinesin und einem Jungen mit einem lila Fahrrad.
Der Junge traut sich nicht über die Brücke. „Es sind zu Viele auf der Brücke, er hat Angst“ erklärt mir die ganz kleine Frau, die sich mittlerweile auf einen großen Stein gestellt hat, um mit mir auf Augenhöhe zu sein.
Inzwischen sind auch die anderen zurück. Heinz stellt sich (mit seinen 1,90 m) neben die ganz kleine Chinesin auf den Stein. Zum großen Vergnügen der Gruppe und ganz besonders unseres Fahrers, der fast umfällt vor lachen. Die kleine Frau lacht auch und ruft die ganze Zeit: Ich bin so kurz und er so lang, das ist nicht gut, das sieht nicht gut aus, ich bin so kurz, das sieht doch schlecht aus ich bin so kurz, ich bin so kurz….“ Und lacht dabei immer zu.
Als wir endlich weiterfahren, sehen wir sie noch lange auf dem Stein stehen und uns nachwinken.

Kurze Zeit danach, treffen wir auf eine kleine Gruppe ebenso kleiner Einheimischer, die uns völlig unverständliche Handlungen vollziehen: sie holen eine lange dunkle Wurst aus einer großen wassergefüllten Tonne, schneiden sie in Stücke und bringen sie an einen Platz, der mit dunklen Planen überspannt ist.Sie erklären uns, dass hier Ölteepflanzen-Setzlinge gezogen werden.

Nachdem wir im Hotel angekommen sind, besorgt Simone und allen erstmal ein Bier, dann machen wir noch einen kleinen Spaziergang in der Stadt, um zu Abend zu essen. Am Tisch ist es ungewöhnlich ruhig. Da und dort gähnt jemand verstohlen. Alle sind geschafft von der gestrigen Wanderung und der heutigen Etappe. Die Essenbestellung fällt diesmal ungewöhnlich reichlich aus.


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Anmerkung der Redaktion: Leider wurde diese Etappe nicht vollständig vom GPS-Empfänger aufgezeichnet 🙁

Wenn sich die Gebetsmühle acht Mal dreht…

Berge, Tempel, Thangkas, 24.09. bis 24.10.2011

Ruhetag in Tongren, Besichtigung des Longwu Tempels, Stadtspaziergang und Waschtag

Tongren ist noch eine wirkliche tibetische Stadt, vielleicht sogar mehr als Lhasa, denn es gibt hier weder inländische noch ausländische Touristen, sondern nur lokale Tibeter und Pilger aus anderen Teilen Tibets. Selbst die geschäftstüchtigen Moslems, die sonst Läden und Restaurants dominieren sind hier selten. verkauft wird neben tibetischen Klamotten, das heißt, richtig schwere Mänztel und dicke Wollstoffe, sowie Fellimitate und richtige Felle, vor allem Waren des täglichen Bedarfs, wie Waschschüsseln, Eisenwaren, Kanonenöfen. Ein wuseliges Treiben herrscht auf der Straße, die zum Longwu Tempel führt. Dieser ist einer der größten tempel in der Provinz Gansu und es sollen bis zu 1500 Mönchen hier leben. Entsprechend groß ist die Anlage, um die ein mit gebetsmühlen gesäumter Rundweg verläuft. An den langen Reihen der Gebetsmühlen hasten alte tibetische Großmütter, Opas, kleine Kinder und Mütter mit Kindern auf dem Rücken entlang, berühren die Gebetsmühlen und murmeln ihr „Omanipatmehum“ vor sich hin, egal wie alt, die Pilgergeschwindigkeit ist recht hoch und wenn man einer Kolonne in den Weg kommt, wird man gnadenlos beiseite geschubst. So laufen die Pilger dann mehrere Runden um die Gesamtanlage und dann weitere Runden um die Inneren Tempel. Einige drehen hier 8 Runden und kommen damit sicher auf eine Marathondistanz pro Tag.
Wir lösen uns ein Ticket und beginnen unseren gemütlichen Rundgang. dank des kompletten fehlens von Touristen läuft der Mönchsalltag hier in aller Öffentlichkeit ab, Fotografieren ist erlaubt und oft sogar erwünscht, auch den Boddhisattvas und Buddhas in den Tempeln scheinen die Fotos nichts anhaben zu können. Erstaunlich ist, dass in jedem Tempel ein großes Dalai Lama Bild zu sehen ist, das sei nicht erlaubt, sagt mir einer der Mönche, wird aber von den lokalen Auturitäten geduldet. Lediglich im Sommer sei einmal ein Kader aus Beijing ausgeflippt und habe den Glasrahmen eines Bildes zerschlagen.
das Geschäft mit dem Buddhismus läuft in tibet wieder gut, die Pilger kommen von überall her und spülen geld in die Klöster, überall wird gebaut und werden die Tempel renoviert. Wir verirren uns in einen Nebenhof und bekommen hier von einem Mönch Salztee und Tsampa angeboten. im nächsten Tempel läuft eine gebetszeremonie und es wird reichlich geröstete Gerste und andere Lebensmittel im Brennofen gen Himmel verbrannt und das in einem Gebiet, in dem die produktion von Lebensmitteln wegen der klimatischen Bedingungen recht schwierig und mühselig ist. Das war übrigens ein Hauptargument, als die Chinesen in Tibet einmarschiert sind, das ein großteil der produzierten ernte und der Yakbutter den Tempeln gestiftet und geopfert wurden, während der größte Teil der Bevölkerung schlecht ernährt war. Schade, dass der Buddhismus hier keine anderen Opferformen finden konnte. Auch scheint sich woieder ein wohlhabende Kaste von Mönchen zu etablieren, man sieht zahlreiche große Autos im Tempelbezirk und in den neueren Tempeln wird die Garage gleich mit eingebaut. Auch sind ein großteil der Mönche fülliger als die auf dem Feld arbeitenden Tibeter und das, obgleich den Mönchen eigentlich strenge Regeln, auch was die Ernährung betrifft, auferlegt sind. Der Weg ins Nirwana ist eben ein schwieriger und nur die wenigsten können den Versuchungen des irdischen Daseins widerstehen.
Für uns war es ein Erlebnis, dieses ungestörte Mönch-und Pilgerleben zu beobachten, wie es heute in kaum einer anderen, touristisch erschlosseneren Region möglich ist. Den Nachmittag verbringen wir schlendernd in der Stadt und beim notwendigen Wäsche waschen, sowie bei einem großen Abendessen.

Die Stadt der Hunde

Auf dem Dach der Welt, 27.09. bis 22.10.2011

Der Tag gestern fühlte sich nach Western an. Wir sind wir durch eine Landschaft gefahren, durch die sich selbst John Wayne nur tapsigen Schrittes bewegt hätte. Und den Ort, an den wir gekommen sind, hätte auch er nicht aufräumen können. Die Plattentektonik hat für vulkanische Aufbrüche gesorgt, außerdem stapelt sich Sediment auf Sediment: horizontal, vertikal, in alle Richtungen. Die verrücktesten Gesteinsformationen in braun und rot, soweit das Auge reicht. Am Nachmittag schließlich kam wieder der Mahalangur Himal in Sicht, das Hauptgebirge am Südrand des Himalaya.

Wir waren schon fast am Etappenziel angelangt, den heißen Quellen von Tsamda, das Hotel vor Ort stellte sich als halb abgerissen heraus, in den restlichen paar Zimmern verlustierte sich die lokale Polizei, da kann man dann wenig machen. Vor ein paar Tagen hat man uns dort noch gebucht und unser Geld genommen… Also zurück in den Ort, den wir bei der Durchfahrt noch herzlich verlacht hatten: Tingri besteht aus einer einzigen versifften verstaubten Straße und diese Straße haben die Hunde übernommen. Es gibt in Tingri mehr Hunde als Einwohner. Meistens liegen sie faul an den unmöglichsten Orten, dann rottet sich plötzlich alles zusammen und gräbt im Müll, dann wieder Pause. Glücklicherweise nicht aggressiv, und die Nacht war auch ruhiger als erwartet. Man hat sich hier miteinander arrangiert. Bei den heißen Quellen haben wir übrigens heute noch einmal vorbeigeschaut und alles war herzlich glücklich, dass uns das erspart geblieben ist.

Unsere Herberge war sogar einigermaßen anständig, Touristen sind hier keine Seltenheit: viele Bergexpeditionen starten von Tingri, vor allem zum Cho Oyu, der den gesamten Horizont beherrscht. Den Nachmittag verbrachten wir dann träge an der Straße sitzend. Hunde und Kühe liefen vorbei, ab und zu auch interessante tibetische Gestalten. Aber Strom gibt es im Ort noch nicht: Abendessen bei Kerzenlicht, wie auch zu unserer altruistische Skatrunde im Anschluss. Alle Gelder gehen in die Gruppenkasse und man erwartet nicht mal Dank dafür, obwohl das angebracht wäre.

Die Gegenden, durch die wir kommen, werden entlegener und entlegener. Kaum mehr Fahrzeuge, keine Ansiedlungen, kaum Menschen. Wir nächtigen heute in einem der ganz wenigen Straßensiedlungen des letzten Teilstücks der 318, hier ist dermaßen der Hund begraben, aber eigentlich sorgen die Hunde für die einzige Geräuschkulisse. Die Etappe heute sah auf dem Papier nach höchster Entspannung aus, dann hat nach dem Mittagessen plötzlich der Wind gedreht und uns die letzten 20km frontal erwischt. Fast 3 Stunden haben wir noch gebraucht, begleitet von regelrechten Sandstürmen. Ich hoffe mal morgen wird das anders, denn morgen wird spannend: unsere letzten richtigen Pässe und dann auf in die längste Abfahrt der Welt.


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Ein scharfes Programm – Wanderung nach Dazhai

Berg und Wasser, 08. bis 29.10.2011

Zu aller erst: Es ist kaum zu glauben – ich erlebe diesen Ort bei Sonnenschein! Ich habe mir bei der heutigen Wanderung sogar einen leichten Sonnenbrand geholt!

Zum Frühstück sind wir am heutigen Morgen in das Dorf hinunter gegangen. Der Koch unseres Hotel ist nämlich temporär abwesend, da er eine kranke Verwandte pflegen muss, die sich nicht bewegen kann. Der Restaurantbesitzer hat alle Hände voll zu tun, uns sieben und einen weiteren Gast zu bedienen. Seine Frau sei heute nicht daheim, entschuldigt er sich.
Alle sind glücklich über den strahlenden Sonnenschein und so fällt uns die Entscheidung nicht schwer, zum etwa 10 km entfernten Dazhai zu wandern.

Zunächst führt uns unser Weg noch durch die Reisterrassen von Ping‘an, wo wir, zu Simones Leidwesen, die erste Schlange entdecken. Später wird die Landschaft waldiger, dann wieder Reisterrassen, flacher diesmal als in Ping‘an. Grabstätten blitzen aus den Feldern. Nach jeder Kurve, scheint es, eröffnet sich uns ein noch atemberaubenderes Panorama. Immer wieder terrassierte Reisfelder, aber wir können nicht genug davon bekommen.

Wir begegnen unterwegs Frauen aus den umliegende Dörfern. Sie bieten uns ihre Dienste als Guide an, wollen mir einreden, dass ich keine Karte lesen könne und sind zudem darauf aus, für uns zu kochen.
Ein besonders hartnäckiges Exemplar, das uns kurz vor der Ortschaft Zhongliu mit einer Bauerin entgegen kommt, hat Andreas, der voran läuft, als Führer unserer Gruppe identifiziert, spricht unaufhörlich auf ihn ein, immer wieder unterbrochen von lautem Lachen. Sie läuft den schmalen Weg flink vor und zurück, um uns zu zählen und dann wieder auf Andreas einzureden. Irgendwann sieht sie ein, das wir wohl nicht bei ihr essen wollen, also schwenkt sie um auf ihre andere Einnahme-Quelle: Sie will ihr Haar öffnen. Die Frauen der Minderheiten dieser Gegend, lassen ihr Haar traditionell sehr lang wachsen und haben gelernt Gewinn daraus zu schlagen. Für Touristen öffnen sie ihr Haar und lassen sich gemeinsam mit diesen fotografieren.
Jetzt gesellt sich zu unserer Begleiterin eine weitere Frau und die Diskussion wird hartnäckiger. Wir entschließen uns schließlich, die Show anzuschauen und die Frauen lassen ihr Haar herunter.

In Zhongliu machen wir kurz Rast, essen unsere Kekse, trinken etwas Kaltes, dann geht es auch schon weiter. Erst durch die verzweigten Gassen des Dorfes, mit seinen alten Holzgebäuden – überall liegen Chilis zum Trocknen aus, selbst eine riesige Satellitenschüssel wir dafür zweckentfremdet, „Scharfes Programm“ meint Heinz nur dazu – Dann empfängt uns wieder die weite Landschaft, sich übereinander stapelnder Reisterrassen. In der Ferne erheben sich dicht bewaldete Berge.
Die Sonne steht nicht mehr so hoch, eine ruhige nachmittägliche Stimmung hat sich über den Felder ausgebreitet. Uns begegnet kaum noch ein Mensch, nur ab und an sehen wir Einzelne in den Äckern arbeiten oder ihr Maultier den Pfad hinauftreiben.
Siggi hat einen kurzen unkonzentrierten Moment, stolpert vom Weg und fällt ins Reisfeld, übersteht das aber ohne weitere Schäden.

Irgendwann nach 16 Uhr erreichen wir Dazhai. Offensichtlich ist gerade Schulschluss, denn kleine Gruppen von Grundschülern rennen uns entgegen.
Mittlerweile geht es nur noch treppab. Wir sind sehr nah am Zielpunkt unseres Ausfluges, das merken wir daran, da uns vermehrt mit Reisegepäck beladene Träger und Reisende entgegen gekommen. Einige von ihnen haben sich offensichtlich gegen den (kostenpflichtigen) Service entschieden und ziehen missmutig ihre Rollkoffer die Stufen hinauf. Zwei Grazien auf (für diese „Straßenverhältnisse“) unerhört hohen Absätzen, stöckeln ebenfalls nach oben und ein ziemlich übergewichtiger Tourist mit Koffer, fragt mich triefend vor Schweiß, wo ich wohne und ob es noch weit ist. Als ich ihm sage, dass mein Hotel etwa 9 km entfernt ist, hält er mich wohl im ersten Moment für verrückt oder des Englischen nicht mächtig. Er wolle doch nur wissen wie weit es bis zu seinem Hotel sei, insistiert er.

Unten angekommen, buchen wir einen Minibus und fahren nach Ping‘an zurück, alle sind von der Wanderung angenehm geschafft und voller schöner Eindrücke.


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Königsetappe nach Tibet

Berge, Tempel, Thangkas, 24.09. bis 24.10.2011

75 Kilometer von Xunhua nach Tongren, 1700 hm über einen 3316 Meter hohen Pass, Abfahrt durch ein weiteres Monument-Valley bis nach Tongren, die tibetische Klosterstadt mit den Tankha-malschulen, 3 bis 15 Grad bei leicht trübem Sonnenschein

Heute Morgen sind die Temperaturen fast schon angenehm, aber wir sind ja auch so tief, wie noch nie auf dieser Reise zuvor. Unser frühstück verzögert sich heute wieder etwas, denn unter den Augen von 20 Moslems müssen wir vor der Frühstückskneipe noch einen Glassplitter aus dem Mantel entfernen und flicken. Dann kann es endlich wieder losgehen und heute wird unsere wohl anstrengendste Etappe, denn es geht 1700 Meter nach oben und zwar von Anfang an recht straff mit immer gut 5 % Steigung. Recht schnell sind wir aus dem moslemischen gebiet heraus und kommen jetzt ins richtige Tibet. Das ist zwar immer noch nicht die Provinz Tibet, aber die Region gehört zu der ehemaligen tibetischen Provinz Amdo. Über den Häusern wehen bunte Fahnen und überall gibt es kleine und große Stupa. An den Lehmhäusern wird Yakdung zum Heizen im Winter getrocknet und auch die Leute sind sichtbar tibetischer. Die Frauen tragen schwere Mäntel, lange haare und schweren Schmuck und die Männer sind alle recht kräftig, aber meist auch etwas zerlumpt und zerzaust. Von den negativen chinesischen Vorurteilen der Chinesen den Tibetern stimmt zumindest für sehr viele Tibeter eines: Waschen ist nicht ihre Stärke. Wäre auch meine nicht, wenn die Temperatur abends unter den Gefrierpunkt sinkt und man es nur noch in der Nähe des Kanonenofens aushält. Und so ein oder zweimal im Jahr geht auch der Tibeter in Badehaus, zumindest die meisten.
Seit langem habe ich mir wieder einmal den MP-3 Player ans Ohr gehängt und das kommt bei dem langen und konstanten Anstieg richtig gut, während sich die anderen doch recht mühen, klettere ich Schleife um Schleife recht schnell nach oben und der Höhenmeter zeigt recht schnell schon wieder 3000 Meter an, dann noch ein paar kehren und da ist schon der Pass. Oben liegt ein kleines tibetisches Dorf und die Dorfjugend schwingt sich aufs Motorrad und begleitet uns ein Stück.
Runter geht es dann mit 60 km/h auf gutem Asphalt wieder in ein wunderschönes Tal mit grandiosen Felsformationen, aber heute, wo es nicht so kalt ist, überwiegt die Freude an der schnellen Abfahrt. Leider haben wir dann unten einen Kettenriss, aber ich hatte mir in Beijing noch einen neuen Kettennietendrücker geholt und so konnte das Problem schnell gelöst werden. Am schwierigsten war es, das Ersatzteil, einen 5mm langen kleinen metallenen Stift im Gepäck zu finden, aber in einer geordneten Packtasche geht nichts verloren.
Vor Tongren grüßt uns ein erstes größeres Kloster mir tollen vergoldeten Stupa und auf dem weg in die Stadt folgen noch ein paar kleine Tempel. Das Hotel hatte ich recht schäbig in Erinnerung und schon die Rezeption ist eher abschreckend als einladend. Deshalb umso schöner die Überraschung das sie Zimmer alle in Ordnung und sogar geheizt sind. Das heiße Wasser tröpfelt zwar nur aus der Leitung, aber in jedem Zimmer steht ein Computer mit Anbindung zum Rest der Welt.
Abends begehen wir Ursula Geburtstag in einem recht guten Lokal mit großen Portionen an Fleisch und Gemüse, so wie es die Mönche am Nachbartisch auch tun. Wir sind ziemlich erstaunt, die Mönche hier dicke Portionen an Rindfleisch und Lammfleisch verspachteln zu sehen und das auch noch in einem Restaurant und manchmal ist wohl auch etwas dran an der Kritik der Chinesen, dass sich die hohen Lamas auf Kosten des Volkes den Bauch vollgeschlagen haben.
In Tibet ist es den Mönche zwar erlaubt, Fleisch zu essen, allerdings nur, wenn das Fleisch nicht für sie geschlachtet wurde, das heißt, wenn der Mönch irgendwo zum Essen eingeladen wurde. Im Restaurant wird das Fleisch aber sehr wohl für den gast geschlachtet, oder sehe ich das falsch mit meiner Religionskritik.


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Nubtse Schicksalsberg

Auf dem Dach der Welt, 27.09. bis 22.10.2011

Eine junge Expedition – das waren wir – hatte sich auf den Weg gemacht um das Geheimnis hinter dem wundervollen Namen Nubtse zu lüften, um den gleichnamigen Berg zu erstürmen und damit der Menschheit zum Geschenk zu machen. Es sollte scheitern.

Im Bilddokument sind die Mitglieder der Expedition festgehalten. Hoffnungsfroh und angestrengt blickt man in die Ferne, auf der Suche nach dem Nubtse. Was der aufmerksame Beobachter feststellen wird: zwei wichtige Mitglieder fehlen bereits hier! Eckhard wurde wegen Ober Mörlen-Propaganda vom chinesischen Staatsschutz festgesetzt. Er ist wieder in unseren Reihen, sein Körper ist immun gegen Schmerz (das macht das Stahlbad von 45 Deutschen Sportabzeichen), sein Geist scheint wach. Aber er ist ein wenig stiller als sonst. Man stelle sich Jack Bauer in der Serie 24 vor, und zwar als dieser aus dem chinesischen Umerziehungslager freigesetzt wird, die Staffel habe ich jetzt leider nicht mehr im Kopf…
Und dann fehlt noch Frank, der wie im Rausch dem Berg entgegenlief, der dem Berg schon nach dem ersten Blick erlegen war. Er war übrigens der einzige, der in die richtige Richtung rannte, wir dagegen schauen nach Nordnordost, zugegebenermaßen komplett orientierungslos. Der Berg liegt dabei genau hinter uns! Und zwar noch hinter dem Everest, dort windet er sich empor, der feingerippte Kamm des Nubtse.

Also erst über den Everest. Das wäre das geringste Problem gewesen. Aber wären wir auf nepalesisches Hoheitsgebiet gekommen, das hat uns nachdenklich gemacht, einen diplomatischen Eklat wollten und konnten wir nicht verursachen, nicht jetzt. Wir mussten unsere Expedition abbrechen, bevor sie recht begonnen hatte. Nubtse heißt er also, der neue Schicksalsberg der Deutschen, damit hat er das tragische Erbe des Nanga Parbat angetreten. Aber oh du schöner Nubtse, bald wirst Du uns gehören. Zunächst sind wir jedoch wieder zurück nach Baipa gebrettert, über die legendär schlechte Holperpiste. Immerhin haben wir die Tibetische Bergantilope erspäht und haben Häuptling Nasenbär mit seiner Familie einen weiteren Besuch abgestattet. In Baipa konnten wir uns auch mal wieder duschen.

2. Etappe – Immer nach oben!

Berg und Wasser, 08. bis 29.10.2011

In den heutigen Tag starten wir mit einer kräftigen Nudelsuppe. Dann geht es auch schon los in Richtung Ping‘an, einem Dorf inmitten der Longji-Reisterrassen. Auf dieser Etappe müssen wir 1300 Höhenmeter überwinden, aber wir haben uns ja gut eingedeckt mit Bananen, Birnen, Mandarinen und Süßkram, so dass wir eventuelle Energie-Defizite problemlos überwinden können. Die Fahrt führt uns durch die grünen Hügel einer reizvollen Landschaft. Ab und an passieren wir Gehöfte und Dörfer. Wir geniessen die Fahrt und es sieht fast so aus, als ob es heute trocken bleiben würde.
Doch ca. 10 km vor unserem angepeilten Mittagshalt in Heping setzt ein leichter Nieselregen ein, der sich nach und nach zu etwas entwickelt, was man getrost als starken Landregen bezeichnen kann. Irgendwann hallten wir es nicht mehr aus und stellen uns unter einen Baum am Wegesrand. Es dauert nicht lange und die Bewohner des gegenüberliegenden Hauses haben uns entdeckt und bitten uns herein, Nach und nach kommt der halbe Hof herbei, um einen Blick auf uns zu werfen. Die drei Frauen, die uns so herzlich hereingebeten haben, sind völlig fasziniert von Karl-Heinz. „Ist der aber groß“ sagen sie immer wieder. Dann schlendert der Herr des Hauses gemütlich rauchend herbei, unser Fahrer offeriert eine Zigarette, die erstmal hinter seinem Ohr landet.
Als der Regen ein wenig nachlässt, brechen wir auf, hinter uns verschwinden langsam die Fenster mit den winkenden Frauen.

In Heping angekommen stärken wir uns, haben wir doch noch einen ziemlich steilen Abschnitt vor uns, denn wir aber ganz gut bewältigen. Als wir die Tore Ping‘ans erreichen , empfängt uns der übliche Tumult. Trägerinnen reisen sich um unser Gepäck, und wie immer gibt es Diskussionen um den Preis. Irgendwann stapfen wir durch das nasse, tropfende Dorf und ich frage mich ersthaft, ob ich diesen Ort jemals regenfrei erleben werde.

Am frühen Abend machen wir einen kurzen Spaziergang im Dorf, da die Sonne aber bald untergeht und wir auch etwas geschafft von der Fahrt im Regen, landen wir ziemlich schnell in einem Restaurant.
Wir fragen uns zuerst, ob es ein schlechtes Zeichen sei, dass wir die einzigen Gäste sind, werden aber eines Besseren belehrt, als das Essen auf dem Tisch steht. Der Wirt hat sich sogar bereit erklärt, den Fisch für uns zu filetieren.
Nach dem Essen trennen sich diejenigen, die in der vergangenen Nacht zur Straße geschlafen haben von dem Rest der Gruppe. Letztere, nämlich Simone, Hans und Heinz gehen noch was trinken, während Silke, Andreas und ich, geschafft von den vielen LKWs, die letzte Nacht durch unsere Zimmer gefahren sind, ins Hotel zurückkehren.


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Durchs Rote Tal

Berge, Tempel, Thangkas, 24.09. bis 24.10.2011

97 Kilometer von Qutan nach Xhuhua, 97 Kilometer und 1450 hm über einen Pass von 3818 Metern bei -1 bis 15 Grad, gigantische Abfahrt bis zum Gelben Fluss

Schon um halb 7 klingeln die Wecker und wir sind um 8 Uhr beim Frühstück und verlassen unseren einfachen Übernachtungsplatz. Draußen ist es glasklar und frostig kalt, auf den Pfützen ist dickes Eis. Doch dort wo die Sonne hinscheint fühle es sich schon recht wohlig an.
Unser Frühstück haben wir schon für sieben Uhr geordert, es kommt natürlich erst 25 Minuten später, trotzdem sitzen wir um 8 Uhr auf den Rädern und radeln unserer heutigen Hammeretappe entgegen. Vor uns liegen 1450 Meter Anstieg bis zum Pass und davon die Hälfte nicht asphaltiert.
Gleich von Anfang an geht es leicht bergan, die Sonne beginnt sich über die Hügel zu schieben. Dort, wo die berge noch lange Schatten werfen, hängt der Nebel dicht im Tal und dann bohren sich die ersten Sonnenstrahlen durch die weiße Wand. Man radelt durch eine fast mythische Zauberwelt, wenn da nicht Opa und Oma auf der Straße wären, die ihre Enkel zur Schule bringen, vielmehr erwartet man Fabelwesen, doch dann verwandelt sich der Schatten doch wieder in einen Esel.
Nach 10 Kilometer ist dann der Asphalt zu Ende, doch die Piste ist recht gut und wir gewinnen rasch an Höhe. Auf der anderen Seite im Tal werden die Pappelhaine durch Nadelwälder abgelöst und wir haben einen schönen Blick von oben, auf die jetzt vorwiegend tibetischen Dörfer.
Mit jedem Bogen und jeder Schleife nach oben wird es auch kühler. Zwar zeigt das Thermometer in der Sonne 17 Grad an, aber ab 3000 Meter sind auch die Pfützen und kleinen Bäche im Sonnenschein noch gefroren. Den einzigen, denen das kalte Wetter nichts auszumachen scheint sind die Yaks, die uns kurz vor dem Pass neugierig beäugen und wir sie. das ist eigentlich gar nicht typisch für die Tiere, die sonst immer scheu das weite suchen.
In jeder Kurve hat man dann die Aussicht über das ganze massiv, unser Startpunkt liegt mehr als 1000 Meter unter uns und auf den Bergen liegt ungefähr ab 4000 Meter Höhe Schnee. Oben am Pass, bei immerhin noch einmal 3816 Metern Höhe gibt es nur ein paar vereinzelte Schneefelder und auf der anderen Seite liegt eine weit flache Hochebene.
Nach einem Kaffee und ein paar Keksen vermummen wir uns und stürzen uns in die Abfahrt.
Rauschend geht es durch die Kühle in die weite Ebene und nach 10 km beginnen dann auch wieder der Asphalt und das Leben. In den kleinen Dörfern links und rechts wird die Gerste geerntet, das Stroh steht in großen dekorativen Bündeln in der Landschaft mit hohen Schneebergen im Hintergrund. Rasend geht die Abfahrt weiter bis nach Hualong, dort findet sich an einer Kreuzung ein kleines Lokal mit einer kräftigen Fleisch-Nudel Mahlzeit, die wir nach dem langen Anstieg und der Auskühlung auch brauchen.
Der rest des Tage ist dann nur noch Genuss, denn es geht auf guter Straße weiter abwärts und noch einmal rech steil, vorbei an einem kleinen Stausee mit wieder herbstlichem Laub hinein in ein steile und enge Schlucht. Leider sind die Lichtverhältnisse so, dass sich kaum ein vernünftiges Foto machen lässt, die Sonnenseite überblendet die dunkle Schattenseite um ein Vielfaches, jeder Versuch eines ausgeglichenen Fotos ist aussichtslos, bis sich das Tal etwas weitet. Dann beginnen auch rote Felsattraktionen unsere Blicke auf sich zu ziehen und es wird immer monumentaler. Dabei geht es immer weiter nach unten, bis auf 1850 Meter Höhe. Dort hat sich der Gelbe Fluß seinen Weg aus dem Tibetischen Hochland gegraben. Es war wirklich eine tolle Abfahrt über drei Stunden, allerdings wir uns bei dem Gedanken, dass wir morgen alles wieder nach oben müssen ganz schummerig.
Die mehreren hundert Meter hohen, roten und trockenen Felswände sind zerfurcht und zerklüftet von Wind und Wetter und wir stoppen aller Nase lang, um den Ausblick zu genießen. Das Tal ist in keinem Reiseführer erwähnt und könnt doch ähnlichen Attraktionen in Amerika Konkurrent machen.
Allerdings ist die Kommunikation schwierig, die hiesige Minderheit sind auch Moslems und keine Hui, sondern nenne sich Salazhu, also Sala-Minorität, die sich aber in ihrem Erscheinungsbild kaum von den Hui unterscheiden, allerdings eine eigene Sprache haben und deren Chinesisch tendenziell katastrophal ist.
Trotzdem finden wir in Xunhua ein neues Hotel, das mit Sauberkeit und heißem Wasser überzeugt und auch das lokal um die ecke ist nicht schlecht. Zwar auch ein Moslemlokal, aber wir dürfen unser abendliches Bier von draußen holen. Nach den Strapazen des Tages mundet es hervorragend und macht müde, so dass wir recht zeitig wieder ins Bett verschwinden.


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Die große Fahrt beginnt! 1. Etappe: Wantian

Berg und Wasser, 08. bis 29.10.2011

„Du bist dicker als letztes Jahr“ so begrüßt mich der Chef des kleinen Hotels, in dem wir die heutige Nacht verbringen werden. Die sprichwörtliche chinesische Ehrlichkeit ist schon manchmal deprimierend. Weil ich so blöd war, den anderen davon zu erzählen, werde ich jetzt nur noch die dicke Reiseleiterin genannt.

Aber von Anfang an: Wir hatten heute morgen die Innenstadt Guilins noch nicht verlassen und schon suchte uns die erste Reifenpanne heim. Wieder war Siggi der Pechvogel mit einem Plattfuß. Doch sollte das die letzte Panne für den heutigen Tag bleiben. Das Wetter war schwül-diesig, verhangen und knapp vor unserm Mittags-Halt holte uns dann auch noch eine recht heftige Regen-Husche ein.
Die Fahrt führte uns durch Pomelo-Plantagen und Orangenhaine. Es ist gerade Erntezeit und die Straßen werden flaniert von Bauern, die ihre Ernte verkaufen. Riesige gelbe Pomelo-Berge neben kleinen provisorischen Zelten, ausgestattet mit Bett und Fernseher, in denen die Verkäufer ihre Tage und Nächte verbringen.

Nach dem Mittagessen hatte sich der Regen verzogen und da es nur noch knapp 20 km zu unserer heutigen Unterkunft waren, entschlossen wir uns, einige Abstecher zu machen.
Wir fuhren zum Xuelang Hu (Schneewolf See), einem See voller Karpfen, eingebettet in einem blühenden Osmanthus-Hain. Kleine malerische, dem Verfall preisgegebene Herbergen säumen das Ufer und eine Brücke, sanft geschwungen – wohl zur Abwehr böser Geister (die ja nur geradeaus können) – mit kleinen Pavillons führt über den See, hier und da ein Angler. Tropische Schmetterlinge und bunte Libellen tanzten über die ruhige Wasserfläche. Fraglich ist allerdings, wie lange diese Brücke noch halten wird, die hölzernen Pfeiler sind verrottet und brechen an verschiedenen Stellen weg. Der erfindungsreiche Chinese hat einfach eine Ladung Zement darüber geschüttet….

Ein Stück weiter des Weges ragt eine Halbinsel namens Hualiandao in den Fluß, darauf große Hallen in klassischer Holzbauweise errichtet, die gastronomischen Zwecken dienen, dahinter eröffnet sich eine friedliche Auenlandschaft in der hie und da Kühe weiden.

Nur kurze Zeit später erreichen wir Wantian und müssen erstmal an Ort und Stelle ein Bier trinken. Danach geht es an die Zimmerverteilung. Nachdem für Siggi nur ein Zimmer zur Straße übrig bleibt, entschließt sich Hans spontan, sein Zimmer mit ihm zu teilen.
Als alles erledigt ist, schwingen wir uns noch einmal auf die Räder, um ins Dorf zu fahren. Hier ist gerade die (alljährliche?) Luohan-Frucht Verladung im Gange (wir waren auf dieser Etappe bereits an einigen Luohan-Feldern vorbeigekommen). Kiste um Kiste wird gestapelt und auf kleine LKWs verladen, das halbe Dorf scheint hier beschäftigt.
Die andere Hälfte ist im hinteren Teil des Dorfes zu Gange, wo an Marktständen verschiedene Waren feilgeboten werden. Wir decken uns erstmal mit reichlich Obst für den kommenden Tag ein, die Bananen kaufen wir direkt vom Laster. Dabei werden wir neugierig von den Dorfbewohnern, besonders den Kindern, beäugt.

Das Abendessen gipfelt in einer Flasche „Brett-Schnaps“. Die Betten sind hier nämlich so hart, dass alle der Meinung sind, man müsse sie gehörig weichtrinken, und das am besten mit 53-Prozentigem. Unsere Wirtin findet es wohl ziemlich stark, dass wir die größte Flasche mit dem stärksten „Baijiu“ bestellen. Sie gibt mir den guten Rat, nicht soviel zu trinken, sonst sei mein Kopf bald so rot wie der von Siggi.
Ein wenig besorgt bin ich dann auch schon, als mir einige von Fröschen auf der Toilette erzählen. Das ändert sich allerdings, als ich nach der Rückkehr auf mein Zimmer (in nüchternem Zustand) eine tote Fledermaus auf meinem Bett finde, offensichtlich vom Ventilator hingerichtet.
Im übrigen scheint die Gegend etwas unsicher zu sein, zur Nacht haben wir unsere Fahrräder und das Begleitfahrzeug ins Esszimmer gefahren.
Morgen freuen wir uns alle auf die Reisterrassen, wir haben auch alle aufgegessen, damit das Wetter gut bleibt.


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