Der verlorene Blog vom Dach der Tour

Die Oberen Schluchten des Mekong, vom 12.09. bis 03.10.2019

Von Shusong nach Deqin, zwei irreguläre und ein gesperrter Tunnel, wir knacken die 4.000er Grenze, 62 km, 1.098 HM

Ich war fest überzeugt, diesen Blogbeitrag geschrieben zu haben. Zumindest sind die Bilder schon ausgewählt gewesen und die Gedanken geordnet. Vielleicht liegt es an der Höhe und an dem ungewöhlichen Tagesverlauf, dass ich den Blog vergessen habe, oder er ist einfach irgendwo in den Tiefen des Netzes verschwunden. Aufgefallen ist es mir zu Hause, beim Zusammenstellen der Statistik. Also folgt sie hier im Nachhinein, die offizielle Königsetappe und das Dach der Tour.

Wir frühstücken um sieben, es ist noch dunkel, das erste Licht breitet sich über den Bergen aus. Bei der Abfahrt um acht Uhr ist es schon heller, und angenehm kühl im Vergleich zur extrem intensiven Nachmittagssonne. Durch dichte Wälder mit vielen Flechten geht es Serpentine um Serpentine nach oben. Es ist schon anstrengend, in der Höhe zu fahren, aber unglaublich schön. Ich freue mich auf den Gipfel, denn der Tag verspricht gutes Wetter und entsprechende Sicht – es geht auch anders, eine Gruppen hatte hier wohl Schneegestöber.

Aber dann, kurz vor dem Abzweig zum Gipfel, folgt die Überraschung des Tages: die neue Straße ist fertig, und in ihrem Bergmodus sind Emmerich, Harald und Klaus verständlicherweise dort weitergefahren und haben das Auto und den unscheinbaren Abzweig zum Gipfel natürlich rechts liegen gelassen. So weit so gut. Wären da nicht zwei Tunnels gewesen, jeweils etwa 5 km lang. Der erste war eigentlich noch nicht fertig, es fehlte die Beleuchtung und der Bodenbelag. Die Arbeiten daran wirbeln den Staub auf, die Sicht liegt bei einem halben Meter bis gleich null. Claudia, Ulrike und ich haben es vergleichsweise leicht, weil Xiao Ding direkt mit dem Begeitauto hinter uns herfährt und den Staub anstrahlt. Die drei Jungs vor uns hatten es schwerer. Jeder von ihnen hat sich allein auf den Weg ins ungewisse Dunkel gemacht. Tapfer tapfer. Harald war sich nach dem Tunnel seiner Sache nicht sicher und muss bei der ansteigenden Wartezeit einen so verlassenen Eindruck gemacht haben, dass ihn eine chinesische Reisegruppe erst mit Selfies unterhalten und dann mit Lebensmitteln versogt hat. Wir haben es überstanden und werden noch lange etwas zu erzählen haben.

Den Gipfel haben wir verpasst, die 4.000er Marke aber trotzdem geknackt. Ich muss also wohl oder übel wiederkommen, um das Versäumnis nachzuholen. Unterwegs treffen wir einen chinesischen Radfahrer, der seit 176 Tagen unterwegs ist, über 17.000 km zurückgelegt hat und noch knapp zwei Monate bis nach Kanton vor sich hat. Alle Achtung, er tritt mit seinem schweren Gepäck in die Pedale und ist mühelos den Berg hinauf entschwunden. 

Ein kurzer Tunnel stand heute offiziell auf dem Plan. Den hätten wir auch genommen, wenn er nicht gesperrt gewesen wäre. Manchmal kommt es eben anders. Doch dieser Umweg hat uns außer einigen Höhemetern auch noch eine tolle erste Aussicht auf die Meili Snow Mountains beschert. Ich bin mir nicht sicher, ob die Sicht vom Gipfel so gut gewesen wäre, und bin schon wieder versöhnt. Eigentlich kostet die Plattform Eintritt, aber heute sitzt niemand im Tickethäuschen, diesen Bonus nehmen wir gern an. 

Kurz vor Deqin, auf einer Aussichtsplattform mit Blick auf die Stadt, die sich im Tal entlang zieht, habe ich den zweiten und letzten Platten der Tour. Pffffffffffff, Luft komplett raus. Also noch schnell flicken, während sich die anderen mit dem zweiten Radfahrer, den wir immer wiedertreffen, unterhalten. Er hat sein Zelt als Nachtlager auf der Plattform aufgebaut. Auch nicht schlecht. Etwas später als erwartet treffen wir im Hotel in Deqin ein. Ich freue mich schon auf den morgigen Tagesausflug, und vergesse wohl darüber den Blog.

PS: Der Mingyong Gletscher, den wir heute gesehen haben, erstreckt sich anscheinend von über 6.700 m bis hinab auf 2.700 m Höhe und ist damit der am niedrigsten gelegende Gletscher Chinas und einer der tiefsten Gletscher weltweit. Er speist sich vom Niederschlag der Regenzeit. So etwas war mir Flachlandtiroler neu und ich nehme mir vor, unseren Bergspezialisten Emmerich danach zu befragen.


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Der Tag der geschlossenen Türen

Auf dem Dach der Welt, vom 17.09. bis 10.10.2019

Bummeln in Xining und 2000 km nach Lhasa …mit Zug

Unser Zug, der uns auf 22stündiger Fahrt nach Lhasa bringen wird, fährt gegen halb zehn Uhr abends ab. So bleibt uns noch ein voller Tag in Xining- Provinzhauptstadt und einzige Millionenstadt von Qinghai.

Mittlerweile sind auch Andrea und Ulrich eingetroffen und unserer kleine Gruppe ist vollzählig. Wir genießen das reichhaltige Frühstück in dem Bewusstsein, daß sich das bald ändern wird. Danach geht jeder so seiner eigenen Wege. Andrea und Ulrich wollen die Stadt und ihr Leben erkunden und begeben sich in Richtung Moschee.
Obwohl der weitaus größte Bevölkerungsanteil hier han-chinesisch ist (über 75%), ist vor allem im Einzugsbereich der beiden großem Moscheen das muslimische Leben sehr präsent.

Sven begibt sich auf die Suche nach chinesischen Comics für die Nichten und Neffen. Da er schon gestern, trotz umchinesisch großer Füße, erfolgreich beim Schuhkauf war, ist er auch jetzt guter Hoffnung. Wir, Susann, René und ich begeben uns zum Provinzmuseum um etwas mehr über die tibetische Kultur und die Geschichte dieser Stadt zu erfahren. Nach einer Fastumrundung des Museumsgebäudes müssen wir allerdings feststellen, daß das dieses wegen Renovierungsarbeiten bereits seit April diesen Jahres geschlossen ist. Kurz überlegen wir in das benachbarte Kunstmuseum zu gehen, entschließen uns dann aber zurück zu spazieren, anderthalb Stunden auf 5 km, das muss reichen um rechtzeitig zum Auschecken im Hotel zu sein.

Es ist 14 Uhr und wir sind abfahrbereit. Das Problem: Der Bahnhof liegt nur 5 Fahrminuten vom Hotel entfernt, wir aber haben noch etwa 7,5 Stunden bis zur Abfahrt des Zuges, die wir nicht unbedingt auf dem Bahnhof verbringen wollen. Was tun? Erstmal in der Hotelbar gemütlich Kaffee und Tee trinken. Eine Empfehlung unseres Guides ist das hängende Kloster am Lao Shan. Das ist uns schon auf dem Weg zum Museum aufgefallen. Die am roten Sandsteinfelsen klebenden bunten Gebäude haben einen guten ersten Eindruck hinterlassen. Insbesondere die steile Treppe! Ein gutes Konditions- und Höhentraining, das wir gerne absolvieren würden.
Um eine kurzen Einblick in die Geschichte dieses Ortes zu geben: bereits im 2 Jh v.Chr. soll es hier einen Konfuziustempel gegeben haben, der später durch einen lamaistischen Tempel ersetzt wurde, die jetzigen Gebäude dagegen sind relativ neu. In der Qingzeit wurden die Felshöhlen dann von Rebellen als Unterschlupf genutzt.

Vor der imposanten Eingangshalle angekommen, müssen wir allerdings auch hier feststellen, daß geschlossen ist. Oder vielmehr gesperrt. Für die kommenden drei Jahre, denn durch andauernde Regenfälle ist der Boden instabil und der Anstieg zu gefährlich geworden. Wir spazieren noch ein wenig den Weg vor der Anlage weiter bis der sich in einer aufgeweichten Lehm-Piste verliert.

Dann eben zurück.
Mittlerweile sind alle hungrig und wir halten eine ausgiebiges „Linner“ ab. In den dreieinhalb Stunden schaffen wir es auch fast, das ganze Festmahl zu verdrücken. Dann noch Obst, Snacks und Nudelsuppen kaufen und ab zum Bahnhof. Abgesehen von den gefühlt 77.000 Kontrollen unserer Pässe, Tickets und Permits läuft es hier ziemlich entspannt ab. So etwas bin ich von chinesischen Bahnhöfen nicht gewohnt.
Wir geben uns lesend, dösend und sinnierend der Verdauung hin, bis wir zur Ticketkontrolle gerufen werden. Erst da fällt uns auf, daß Andrea verschwunden ist. Also wieder ablegen, hinsetzen, warten – uns bleiben ja noch entspannte 30 Minuten biz zur Abfahrt.

Im Zug dann wird die erste Flasche Schnaps geköpft. Da die Höhe uns eh Kopfschmerzen verursachen wird, brauchen wir uns hier auch keinen Zwang mehr anzutun. Von Innen gut aufgewärmt verschwinden wir in unserer Betten.