Die sechs Heiligen aus dem Abendland mit ihren vierzehn Gesichtern

Auf dem Dach der Welt, vom 17.09. bis 10.10.2019

Besichtigung des Potala-Palastes und des Jokhang Tempels

Die Sonne scheint, es gibt Frühstück und wir haben noch bis 12:30 Uhr Zeit bis zu unserem ersten Besichtigungstermin, dem Potala-Palast. Also lassen wir es entspannt angehen. Erinnern uns an die Ankunft und an die weißen Schals, die wir zur Begrüßung umgelegt bekommen haben. Die Begrüßung mit weißen Schals ist eine tibetische Abwandlung einer indischen Sitte, wo den Neuankömmlingen zur Begrüßung Blumenketten gereicht wurden.

Wir sinnieren darüber, wie diese Schals am besten und nutzbringenden einzusetzen wären und finden die Idee des Schweißtuches am attraktivsten: 14 Radtage -14 Abdrücke unserer tibetstaubbedeckten Gesichter.

Pünktlich 12:30 fahren wir dann die kurze Strecke zum Potala-Palast. Unser tibetischer Guide Sam hat eine ganz besondere Beziehung zu diesem Ort, denn sein Großvater stammt aus der zweiten Linie des Dalai Lama und er selbst lebte bis 1959 auf diesem Gelände. So erfahren wir vieles auch sehr persönliches über die Geschichte und das Leben hier. Gut dreieinhalb Stunden lauschen wir gebannt Sams Ausführungen und Geschichten. Damit unsere Reise unter guten Sternen steht, hat Sam seine Beziehungen spielen lassen und wir erhalten die Segnungen und guten Wünsche zweier Mönche des Ordens.

Es ist bereits später Nachmittag als wir den Potala verlassen. Ein letztes Mal genießen wir die Aussicht, jetzt von der Rückseite des Palastes über das weitgestreckte Lhasa-Tal und die sanften Hügel auf denen die Wolken ihre Schatten werfen. Wir stärken uns mit Kaffee und Tee, dann geht es weiter zum Jokhang, Tibets Nationalheiligtum. Wir müssen uns sputen, denn man wird nur bis 18 Uhr eingelassen, aber wenn ist man erstmal drin, kann man mehr oder weniger bleiben solange man will. Dieser Tempel wurde vom tibetischen König Songtsen Gampo im siebten Jahrhundert errichtet. Dieser für den tibetischen Buddhismus so wichtige Herrscher, ehelichte drei Frauen: eine tibetische, eine nepalesische und eine chinesische. Genauso vereint der Jokhang den tibetischen, nepalesischen und chinesischen Stil. Es ist unglaublich wie gut erhalten und lebendig heute noch die 1400 Jahre alten Wandmalereien und Schnitzereien sind!

Als wir im Innenhof ankommen, wird gerade heilendes Wasser – ein Aufguss aus medizinischen Kräutern- an chinesische Touristinnen verteilt. Dieses Wasser, so unser Guide, heile Augenkrankheiten, sei gut gegen hohen aber auch niedrigen Blutdruck und verschönere die Haut der Frauen. Man müsse nur daran glauben. Einer seiner Freunde konnte eine Augen-OP abwenden, indem er sein krankes Auge dreimal täglich mit dem Heilwasser wusch.

Es sind zwar noch einige Gruppen unterwegs, dennoch wirkt das Areal in der Abendstimmung angenehm ruhig. Das liegt wohl auch daran, dass der Jokhang vor allem morgens und vormittags den vielen Pilgern vorbehalten ist.

Es war ein interessanter, ausgefüllter und schöner Tag. Die vielen Eindrücke, Gerüche, Farben und Bilder müssen erstmal verarbeitet werden.

Morgen steigen wir endlich auf die Räder und schauen mal, wie gut wir schon an die Höhe angepasst sind.

Von Kirchen und Wein am Mekong

Die Oberen Schluchten des Mekong, vom 12.09. bis 03.10.2019

Von Deqin nach Cizhong, 70 km, davon etwa 1.500 m Abstieg und meist am Mekong entlang

Die Grillen zirpen, nebenan rauscht der Bach, und auch die anderen Gäste aus Dali verabschieden sich langsam in ihre Betten. Wir sind angenehm satt und haben ausgiebig vom Rotwein gekostet, den wir den Missionaren aus der 1880er Jahren zu verdanken haben.

Heute früh hingen die Wolken tief, auf der steilen Abfahrt Richtung Mekong hat es noch geregnet. Am Mekong wird es dann besser, ein Panorama jagt das nächste. Was ist die berühmte erste Biegung des Jangste schon gegen jene Wendungen, die der Mekong hier nimmt. Gegen halb drei kommen wir in Cizhong an. Der kleine Ort ist bekannt für seine katholiche Kirche, die während der Tibetmission in den 1880er Jahren von französischen Jesuiten hier aufgebaut wurde. Wir unterhalten uns mit einem der beiden Pfarrer. „Wir halten hier unsere Sonntagsmesse mal auf Chinesisch und mal auf Tibetisch. Denn einer unserer Pfarrer kommt aus Tibet.“ erzählt er. Ein Gehalt bekommen sie nicht. Sie sind von den Spenden der 600-Seelen-Gemeinde abhängig. „Sonnatgs ist die Kirche voll, etwa 100 Gläubige kommen hierher“. Der Rest muss auf dem Feld arbeiten oder ist anderswo beschäftigt. Ein ganz guter Schnitt, wie ich finde. Ganz in der Nähe gibt es noch vier andere Kirchen, die die Pfarrer bedienen müssen. Auch in China herrscht ein Mangel an Nachwuchspriestern. Eine Haushälterin haben sie nicht, Rente gibt es keine, also arbeitet der hiesige Pfarrer so lange es geht. Ich frage nach Messdienern. Die kenne er, habe aber keine. Ich erzähle, dass in Deutschland die Pfarrer oft Freundinnen haben, heimlich natürlich. Er lacht, ja, natürlich sei das in China auch so, genauso heimlich. Aber in der Stadt sei es einfacher, in einem kleinen Dorf eher unüblich.

Nach dem Rundgang durch die Kirche finden wir uns bald wieder in unserer Herberge ein. Wir haben schöne Holzzimmer im Obergeschoss, davor eine kleine Dachterrasse, auf der wir unsere Wäsche trocknen. Das Abendessen stammt wieder aus dem Gemüsegarten hinter dem Haus, der Weinberg ist etwas weiter entfernt. Der Wein schmeckt etwas ungewöhnlich, aber nicht schlecht. Schließlich sitzen wir zu zehnt am Tisch. Zu uns sechst gesellen sich unsere Fahrer Xiao Luo und Xiao Ding, ihre Tochter WenWen und die etwa gleichaltrige Tochter des Hauses, die froh ist, eine Spielkameradin gefunden zu haben. Nebenan sitzen ein paar Gäste aus Dali, die sich ihr Abendessen selbst gekocht haben. Bei Wein und Schnaps wird es gesellig, so lässt es sich leben. Unser Dank gilt hier den Missionaren, die mit der Religion auch den Weinanbau in diese Gegend gebracht haben.

Abendessen bei den katholischen Gastgebern: