Garmin steht Kopf

Auf dem Dach der Welt, vom 17.09. bis 10.10.2019

72 km nach Qushui

Das Auto ist vollgeladen, die Thermoskannen gefüllt, wir – abfahrbereit. Es geht zuerst geradeaus durch den dichten Stadtverkehr zum Kloster Drepung. Dieser kleine Abstecher beschert uns unseren ersten kleinen Anstieg auf der Tour. Ein Gradmesser für alles, was da noch kommen mag.

Wir fahren schon einige Minuten, da fällt mir auf, dass mein kleiner elektronischer Navigator komische Sachen macht. Ich bin mir sicher richtig zu sein, aber es scheint so, als wolle mich das Teil unbedingt in die andere Richtung schicken. Dann ist plötzlich alles wieder korrekt. Irgendwann begreife ich endlich, dass die Karte Kopf steht. Mehrmals schalte ich das Gerät aus und wieder ein, aber was ich auch mache, das Teil steht Kopf! Muss ich jetzt also andersherum denken? Mir reicht schon mein Links-Rechts-Problem! Fast schon füge ich mich der verkorksten Technik (Vielleicht ein gutes Training für die Koordination der linken und rechten Gehirnhälfte versuche ich mich selbst zu beschwichtigen), da hat René die Idee mal auf Fahrzeugmodus umzuschalten und das scheint der richtige Trigger zu sein, es geht wieder!

So kommen wir am Torbogen des Klosters an. Wir dürfen mit den Rädern passieren. Diese erste kurze Steigung ist wirklich ein Test! Auf dieser Höhe spüre ich mein Herz so deutlich schlagen, als wolle es mir aus der Brust springen! Aber wir schaffen es alle.

Dieses Kloster ist wie alle Klöster Tibets auf der weißen Tara (Die weiße Tara ist eine der am meisten geehrten buddhistischen Schutzgottheiten, sie ist der weibliche Bodhisattva des Mitgefühls und gilt als die Verkörperung der mütterlichen Liebe) gebaut und somit ist das Bächlein, dass durch das Gelände fließt die Ader der Tara. Stellenweiße sehen wir Menschen Reis- und Hirsekörner in das Wasser werfen. Durch diese Opfer wird das Wasser, oder eben das Blut, gereinigt.

Nach der Besichtigung sausen wir den ganzen weg wieder hinab. Dann geht es relativ eben auf gut asphaltierter, aber sehr stark befahrenen Straße nach Qushui. Die Landschaft präsentiert sich in sanften Farben. Immer am Fluß entlang geht es unter tiefhängenden Wolken. Am Straßenrand stehen gebeugte Weiden und Espen in deren silbernen Blättern der Wind spielt.

Tibetische Nudeln und Kartoffeln mit Rindfleisch und Reis gibt es zu Mittag, danach Kaffee und Gebäck. Während wir gemütlich in unseren Bänken hocken, ist, von uns fast unbemerkt, ein heftiges Gewitter direkt über uns hereingebrochen. Wir ziehen uns ins innere des Restaurants zurück, dehnen unsere Kaffee-Pause aus. Bald scheint (fast) wieder die Sonne und es geht weiter. Wir treten kräftig in die Pedalen, aber wir können dem nächsten Gewitter kaum entkommen. Mit den ersten Regentropfen stolpern wir in einen Raum voller Tibeterinnen, die um einen warmen Ofen hockend gemeinsam Tee trinken und Suppe essen. Schnell wird zusammengerückt und auch wir finden Platz am Ofen. Bekommen süßen Tee serviert, der uns gut durchwärmt. Neugier von beiden Seiten. Viel Gespräch, viel Lachen. Meine Sitznachbarin ist überzeugt, dass ich zu kalt angezogen bin und zieht heftig an meinem Hosenbein um es irgendwie zu verlängern. Nach einer gefühlten Ewigkeit müssen wir uns eingestehen, dass dieser kleine Schauer, doch etwas ausdauernder ist, als gedacht. Also werfen wir uns in die Regenklamotten und machen uns wohl oder übel auf dem Weg. Doch wir haben Glück, der Regen wird immer schwächer und die letzten 25 km vergehen wie im Flug.

In Qushui angekommen gibt es eine kleine Verzögerung, da Guide und Hotelier erstmal mit unseren Pässen zur Polizei müssen. Wir nutzen die Zeit für unser erstes Schmutzbier. Während unseres Abendspaziergangs werden wir leider Zeuge wie ein Hund ziemlich heftig angefahren wird. Das sorgt an diesem etwas gräulichen Abend nicht gerade für eine Aufhellung der Stimmung. Auf dem Rückweg gehen wir noch mal zum Fluß und entdecken in einem üppig bewachsenen Hinterhof einen Laubengang voller erntereifer Weintrauben. Erstaunlich, was hier so alles in dreieinhalbtausend Meter wächst!

Chinesische Landpartie

Die Oberen Schluchten des Mekong, vom 12.09. bis 03.10.2019

Von Weixi nach Tacheng, 86 km, 885 Höhenmeter

Mit nur 86 km und unter 1.000 Höhenmetern war es heute ein schön entspannter Radtag. So viel chinesisches Landleben wie heute habe ich selten fotografiert. Ob Reisernte, Holzblockhäuser oder winkende Kinder, diese Strecke an der Straße 215 könnte ganze Fotobücher füllen. Dabei haben wir einfach nur vom Mekong- ins Jangtsetal gequert, hier ist vor allem die Volksgruppe der Lisu ansässig. Nach einem 700m Aufstieg folgen wir einem kleinen Wasserlauf, der sich durch die grünen Hügel windet.

In der Gegend herrscht gerade eine Schweinepest, an allen Ausfahrten und Ortseingängen sind mit Desinfektionsmittel durchtränkte Tücher ausgelegt, über die gefahren werden muss, die Fahrzeuge werden teilweise sogar abgespritzt. Auch wir rollen immer wieder über diese Tücher. Einmal wollen wir eine kleine Brücke überqueren, die aber gesperrt ist, uns bleibt nichts anderes übrig, als die Räder über die Absperrung zu tragen.

Übringens ist Emmerich der unangefochtene Bergkönig, in dem alle anderen ihren Meister gefunden haben. Morgen legen wir aber erst einmal einen Ruhetag ein, um auszuspannnen und uns die Yunnan-Stumpfnasenafffen anzusehen.


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