Land der Tausend Elefanten, 16.12.2011 bis 8.1.2012
Von Luang Prabang über Muang Ngoi nach Muang Khua
Nachdem wir uns in den letzten Tagen mit Radeln und Feiern so gefordert haben, kommt eine Entspannungspause sehr gelegen. Wir lassen also heute fahren und nehmen auf den bequemen Reisebussitzen Platz, die auf dem schmalen Langboot unseres Kapitäns ein neues Zuhause gefunden haben. Die solide Bauweise des hölzernen Dachaufbaus mit markant nach innen hervorstehenden Querbalken macht schon das Einsteigen für uns Langbeine zum Abenteuer: Das Boot ist lang, aber nicht sehr hoch – nur ein in angemessener Demut gesenkter Kopf garantiert beulenfreies Passieren. Ramón bietet der Gefahr furchtlos die verlängerte Stirn und landet einen Volltreffer.
Es geht zuerst zur Bootstankstelle, dann ein paar Kilometer den Mekong hinauf bis zur Mündung des Nam Ou, des längsten Binnenflusses von Laos. Wir biegen sodann in den Ou ab und halten direkt auf eine gewaltige Wand aus Kalkstein zu. Um diese Jahreszeit (dem ersten, kühleren Teil der Trockenzeit) ist der Wasserstand niedrig, aber der Fluss noch auf seiner ganzen Länge schiffbar. Die nächsten sieben Stunden pflügen wir stromaufwärts durch die Wellen in Richtung Muang Ngoi, durch Stromschnellen und im Zickzack herum um aus dem Wasser hervor ragende, bizarre Felsformationen.
Anfangs erscheint das eine oder andere Manöver unseres Bootsmannes halsbrecherisch: Es wirkt, als hielte er verwegen direkt auf die Felsen zu, so als wolle er absichtlich einen Zusammenstoß provozieren. Aber nachdem uns die Strömungen, in die er das Boot auf diese Weise hineinsteuert, ein ums andere Mal mit unsichtbarer Hand sicher um die Blöcke herumspülen, wächst unsere Zuversicht, dass der Mann (wie zu erwarten) genau weiß, was er tut. Für ihn birgt der Fluss schon lange keine Überraschungen mehr. Wir entspannen uns also allmählich und schauen in die Landschaft. Die Berge zu beiden Seiten sind mit Wald bedeckt: lianenbehangene Urwaldriesen durchmischt mit Bambushainen, Papayas, Bananen und unzähligen anderen tropischen Pflanzenarten, die unseren botanischen Sachverstand äußerst beschränkt erscheinen lassen.
Der nicht wilden, aber noch weniger beschaulichen Fahrt entsprechend sind wir mit Windjacken, Fahrrad- und Sonnenbrillen und Regenhosen gerüstet. Nicht zu vergessen unsere kleine blaue Verpflegungskiste, in der sich (noch) die Leckereien stapeln. Regelmäßig werden die Kameras aufregenden Fotomotiven an dem einen der beiden Ufer entgegengereckt und stellen uns vor kleine Teamaufgaben, wenn durch die einseitige Gewichtsverlagerung die prekäre Balance des schmalen Kahns gefährdet ist. Alle Aufregung hindert uns immerhin nicht daran, bisweilen in tiefe Meditation zu verfallen.
Zu Mittag picknicken wir heute ausgiebig auf einer Sandbank mitten im Fluss, es gibt Indisches und Quiche. Nach gut acht Stunden mit straffem Fahrtwind und dem mit der Zeit leicht monotonem Geräuschteppich aus Motorenknattern und Wasserplätschern erreichen wir dann Muang Ngoi, wo uns auf dem Weg zu den Bungalows die Mutterschalen begrüßen, die hier als Eingangstor arrangiert von den US-amerikanischen Segnungen künden, mit denen Laos im Zweiten Indochinakrieg zwischen 1964 und 1973 aus der Luft bedacht wurde. Offiziell wird bis heute daran festgehalten, es sei hier von den USA kein Krieg geführt worden – während die Spuren eben jenes Krieges noch immer und nur allmählich bereinigt werden können.
Am Namen unsereres Gästehauses zeigt sich, dass völlig zu unrecht typischerweise Japaner und Chinesen zu Zielscheiben von L-R-Witzen werden. Lattanavongsa? Rattanavongsa? Der unbefangene Wechsel zwischen den Schreibweisen auf den Hinweisschildern und Informationstafeln selbst innerhalb der Bungalows zeigt, dass auch die Laoten große Freude daran haben können, den (für sie) unerheblichen Unterschied zwischen beiden Lauten demonstrativ mit cooler Indifferenz zu behandeln.
Muang Ngoi hat sich in den letzten Jahren dem wachsenden Strom der Flussbefahrer aus aller Welt perfekt angepasst, ohne jedoch den Charme des verschlafenen Bauerndorfes eingebüßt zu haben. Auch einige Auswärtige haben sich bereits hier niedergelassen und verleihen dem Ort Eine kosmopolitische Note. Die von einem Schweden betriebene Wellness-Oase mit Dampfsauna und Massage ist aber äußerlich nicht zu unterscheiden von den Einrichtungen des laotischen Roten Kreuzes, wie sie in vielen Städten zu finden sind. Whisky-Eimer und Stampfbässe sind bis auf Weiteres nicht in Sicht. Der klassische Aufenthalt hier findet hauptsächlich auf einer der Restaurant-Terrassen statt, von denen sich der malerische Fluss und das weitere Umland überblicken lassen. Eine einzige vollwertige Dorfstraße bietet der Bummellust Auslauf, und so verbummeln die meisten aus der Gruppe die Zeit bis zum Abendessen.
Der zweite Tag unserer Flussfahrt ist kürzer, das Ziel nicht annähernd so charmant – wir lassen uns mit dem Aufbruch also soviel Zeit wie möglich und tanken gegen den kühlen Fahrtwind erst einmal Sonne. Abgesehen von einem halbstündigen Stopp im ebenso berühmten wie sympathischen Schnappsbrennerdorf (wo allerdings gerade Ebbe in den Tonkrügen herrscht) widmen wir uns heute noch intensiver der Meditation. Denn: Für das kommende 100-km-Tagespensum ist die richtige mentale Vorbereitung das A und O(u)!