Die silberne Beerlao-Radelmedaille

Land der Tausend Elefanten, 16.12.2011 bis 8.1.2012

8. Tag, von Kasi nach Kiu Kacham

Eine Königsetappe zu bewältigen erfordert ein hochmotiviertes Team und exzellente Rahmenbedingungen. Unter anderem eine angemessene Energieversorgung unterwegs. Entsprechend üppige Vorräte haben wir in Kasi angelegt, so dass unser Begleitfahrzeug für heute zum ‚Gebäcktransport‘ umgetauft wird. Als wir während der Mittagspause in Phou Khun überdies auf einen Stand stoßen, der eine Art Faschingskrapfen feilbietet, und eine mächtige Portion erbeuten, ist abzusehen: An der Versorgung wird es heute nicht scheitern.

Wir schwingen uns zeitig in den Sattel und kommen so in den Genuss der frühmorgendlichen Stimmung, in der sich die Sonne langsam durch den Nebel zwischen den Karst-Zuckerhüten vorarbeitet, während in beide Richtungen die Schulkinder zu Fuß und mit Fahrrad zum nächsten größeren Dorf unterwegs sind. Um das respekteinflößende Pensum von über 2400 Höhenmetern bei 93 km Strecke zu meistern (Höhenprofil wie immer am Artikelende) – für die meisten von uns die bisher anspruchsvollste Radetappe überhaupt -, haben wir uns vorgenommen, ohne Hektik und mit einem angemessenen Pausenrhythmus zu fahren.

Den ersten Halt legen wir nach knapp 14 km am höchsten Punkt des Aufwärmbergs ein, bevor wir die Deluxe-Steigung angehen: über 800 m, verteilt auf 14 Streckenkilometer (ein durchschnittlich immerhin gut 7%iger Anstieg), mit nur einer kurzen Ausruhpassage auf halber Höhe. So respektabel die Statistik sein mag – im Praxistest erleben wir einen freundlichen Aufstieg, der für die Reststrecke optimistisch stimmt. Kurz vor dem Pass treffen wir einen gutgelaunten thailändischen Motorradclub. Alle fahren phänomenal gepflegte Qualitätsbikes eines nicht ganz unbekannten deutschen Herstellers; kein Wunder, dass wir schnell im Gespräch sind. Mit Stielaugen schauen wir dem winkend abfahrenden Tross nach (die Motorradfahrer-Quote in der Gruppe ist eher überdurchschnittlich).

Wir pausieren uns nun von Passhöhe zu Talsohle zu Passhöhe zu Talsohle etc. weiter, wo wir jeweils unseren Gebäcktransport (der wie immer auch Obst und Wasser geladen hat) erleichtern und erleichtert über die gewonnenen Kilometer aufs nächste Teilstück gehen: km 26, km 33, km 41, km 51, km 60, km 71. Es wird noch einmal spannend: Nach einer langen Abfahrt windet sich die Straße in drei weiteren größeren Anstiegen noch einmal aufwärts auf unsere Zielhöhe von knapp 1400 m. Wir bleiben cool und pausieren uns geschlossen eisern durch: km 78, km 86, km 92. Bei jeder Pause werden intensiv die bevorstehenden Kräuselungen des Höhenprofils studiert und die Waden mental vorprogrammiert.

Nach gut 11 Stunden erreichen wir in einem triumphalen Zieleinlauf Kiu Kacham und unsere Herberge, ein eher sachliches Fernfahrermotel, dessen Zimmerausstattung asketischen Charme hat: Bett, Tisch, Stuhl, Kleiderständer. Zwei Duschen für alle, von denen eine wegen des defekten Durchlauferhitzers aus der Küche eimerweise mit Heißwasser versorgt wird. Einige bevorzugen da die gute alte Katzenwäsche mit Waschschüssel.

Die Küche tischt solides, aber einfaches Essen auf – wenig geeignet, unseren heutigen Erfolg ordnungsgemäß zu feiern. Das soll natürlich in Luang Prabang am Weihnachtsabend nachgeholt werden. Schließlich haben wir heute neben neun Königsetappenkronen zusätzlich die inoffizielle Beerlao-Radelmedaille in Silber erlangt, die höchste bisher tatsächlich erreichte Stufe lokaler Pedalmeisterschaft – vergeben für außerordentliche km-Leistungen auf bergiger, asphaltierter Strecke. Als Steigerung wäre noch möglich: die Goldene Radelmedaille (Berge auf Staubpiste) und die Große Klebereismedaille am Band (Berge auf Staubpiste mit Winkekindern zur Regenzeit). Die beiden höchsten Ehrungen sind jedoch bislang nur von theoretischer Bedeutung, so dass wir uns auch mit Silber schon zur Elite zählen dürfen.

Dieser erhebende Gedanke unter dem brettharten Kopfkissen mildert die Unnachgiebigkeit der Matratzen heute nacht allerdings nicht spürbar. Eher schon die Aussicht auf das morgige Domizil am anderen Ende der Komfortspanne.


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Deutschland – Laos : 1-0

Goldenes Dreieck, 10.12.2011 bis 04.01.2012

Schweren Herzens mussten wir heute wieder unsere Zimmer räumen. Hier in Muang Ngoi könnte man für gut eine Woche versumpfen: Handy aus, kein Strom, keine Fahrzeuge bis auf die kleinen tuckernden Boote, schöner Ausblick, nette Dorfidylle. Vermutlich einer der besten Orte auf der Welt um einfach mal abzuschalten und alles um sich herum zu vergessen. Aber dafür sind wir nun mal nicht hier. Also wieder ab ins Boot und Wellenreiten. In Nong Kiaw verabschiedeten wir uns von dem Nam Ou und begrüßten wieder unsere Räder. Voller Freude durch das Wiedersehen zuckten unsere Wadenmuskeln auf und wir schwangen uns auf die Sättel und düsten weiter auf der Hauptstraße Richtung Luang Prabang.

Nach einem Mittagsstopp im großen Markt von Baan Nam Tuam und immer noch von „Hello“ und „Sabai Dee“ Rufen begleitet fuhren wir durch zahlreiche Dörfer. Plötzlich kam ein „Sabai Dee“ von der Seite, das mir doch etwas bekannter vorkam. Toh, Dirk, Martin und Frank saßen bereits am Wegrand und genossen ihr Schmutzbier. Vor lauter Dörfern und angenehmen Fahrtempo wäre ich fast am Ziel vorbei gedüst. Also gesellten sich auch Hardy und ich dazu und tranken uns Mut an, bevor wir unsere Gastfamilie für den Abend begrüßen durften, denn heute wartete kein Guesthouse mit Warmwasserdusche auf uns. Heute Abend war Bodenmatratze und asiatische Elefantendusche angesagt. Die Mutter des Hauses kam raus und begrüßte uns freundlich und Hardy packte den Joghurt aus, den er unterwegs für die Gruppe geholt hat. Als wir endlich alle Mutter, Schwestern, Brüder kennengelernt haben machten wir einen kleinen Spaziergang durch die Ortschaft. Gleich zwei Mal mussten wir anhalten und wurden mit weißem laotischem Feuerwasser begrüßt. Hardy zuckt nur die Achseln und verweist auf die Flasche aus dem letzten Schnapsbrennerdorf, die wohl noch ein paar Umdrehungen mehr hat. Der Rest schluckte und hustete freundlich. An der Schule angelangt spielte gerade eine kleine Gruppe der Dorfjugend Fußball. Wir fragten freundlich und durften auch ein paar Ballkontakte haben und unsere gepflegte deutsche Ballkunst vorführen. Das deutsche Angreifer-Duo bestehend aus Frank „The Glasman“ Ribery und mir erwies sich allerdings als weniger torgefährlich als erwartet. Ein Tor haben wir dennoch erzielt. Der kleine laotische Keeper hatte keine Chance. Zurück bei der Gastfamilie unterstützte Hamm die Familie tatkräftig und das Abendmahl war bald angerichtet. Der Satz „Zu Hause schmeckt es immer noch am besten.“ lässt sich anscheinend auch auf ein Gast-Zuhause übertragen. Denn Hamm und die Familie haben ganze Arbeit geleistet und sehr schmackhafte Gerichte gezaubert.

Die Abende in den Dörfern sind recht kurz. Nachdem wir den Hausvorrat an Bier geleert haben schlüpften die meisten von uns unter die Moskitonetze. Dirk, Hamm und ich saßen noch gemeinsam mit der Hausmutter, Hausvater, Hausschwester ein Weilchen am Lagerfeuer, nippten am hausgemachten Reiswein und diskutierten über die Unterschiede im Familienleben in Deutschland und Laos.


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