Eine Busfahrt mit Herrn Pimmel

Goldenes Dreieck, 10.12.2011 bis 04.01.2012

Die Morgenstunden werden immer mehr zur Qual. Statt tropischer Hitze, sind es jeden Morgen frühwinterliche Temperaturen, die uns die ersten Stunden erschweren. Selbst Wikipedia erwähnt in seinem Artikel den in Oudomxay am Vormittag vorherrschenden Nebel zur Wintersaison. Die dicken Dunstschwaden halten die wärmenden Sonnenstrahlen ab und wir starteten die letzten Tage meistens bei Temperaturen zwischen 12 und 15 Grad. Allerdings hatten wir bisher Glück und mussten anfangs immer kleinere Pässe überwinden, sodass der Körper sich aufwärmen konnte. Eine Nudelsuppe zum Frühstück schmeißt den Wärmegenerator an, und der hält dann bis nach den ersten Pässen die Sonne die Nebelschicht verdunstet hat. Sobald man oben angekommen ist, klärt der Himmel gegen Mittag auf und man genießt für den Rest des Tages die Sonne. So kommen bis zu 15 Grad Unterschied zustanden innerhalb von einer bis zwei Stunden. Das macht nicht jeder Körper mit und einige von uns sind mittlerweile leicht angeschlagen mit Darm- und Schnupfproblemen.

Nach der Königsetappe sieht man die Höhenprofile etwas anders: „Och ja… Hier und da ein zwei Pässe. So’n bisschen hoch und n bisschen runter. Das wird schon.“ Meine Fahrradkette ist allerdings bereits einmal gerissen und gefixt worden. Den großen Pass hat sie auch heute noch überlebt, dann aber gab sie ihren Geist auf. Vielleicht hatte ich doch zu viel Werkzeug im Gepäck, vielleicht fresse ich auch einfach zu viel hier. Die Gruppe war bereits außer Sichtweite und Mr. Hamm, unser Fahrer (wortwörtlich übersetzt Herr Pimmel), ist bereits vorgefahren um das vordere Feld zu versorgen. Mein Nietendrücker gab nach 20 Minuten verzweifeltem Schrauben und Drücken nun endgültig den Geist auf und ich schob mein treues Drahtross über den letzten kleinen Hügel. Resigniert rollte ich den Hang hinab und hielt bei LKW-Fahrern, die ebenfalls Probleme mit ihrem Gefährt hatten. Gemeinsam lachten wir über unser ähnliches Schicksal. Es stellte sich dabei heraus, dass einer von ihnen ein ehemaliger Fahrradmechaniker ist… Das trifft sich ja mal gut! Er holte Spitznadel, riesen Hammer und Schraubenmutter raus und hämmerte mir meine Kette wieder zu Recht und ich freute mich über die gerechtfertigte brachiale Behandlung meiner Kette… Geschieht dir Recht, du blödes Miststück! Wer mein Werkzeug verstümmelt hat Kloppe mit einem Eisenhammer verdient. Als er gerade fertig war, kam aber auch schon Herr Pimmel mit dem Begleitfahrzeug um mich abzuholen. Der Rest der Gruppe hatte während dessen bereits ihre Kaffee-und-Kuchen-Pause hinter sich und rollte gen Hotel in Muang Xay. Kurz vorm Ziel holten wir sie ein und bogen gleichzeitig mit Hardy ins Litthavisay Guesthouse ein.

Vor dem Abendessen spazierten wir noch hoch zum Tempel auf dem Phu That-Hügel direkt gegenüber vom Hotel und genossen einen schönen Überblick über das kleine Städtchen im Restlicht der Abendsonne. Toh und ich zündeten noch 3 Räucherstäbchen vor der riesigen Buddhastatue an, die vom Stadtgouverneur nach seiner Promotion gestiftet wurde, und wünschten uns eine erfolgreiche Tour und ich vor allem eine heile Kette. Hardy kennt ja bereits die meisten Örtchen in Laos und empfahl das Restaurant gegenüber vom Hotel, wo jeder für sich bestellte und somit keiner verantwortlich war, wenn es denn nicht schmeckte. Das Essen war sehr zufriedenstellend, nur die Preise ganz schön gesalzen. Generell ist Laos unheimlich teuer geworden in den letzten 2-3 Jahren. Lokale Garküchen gibt es im Vergleich zu China oder Thailand kaum. Wenn dann sind es nur Nudelsuppen für die schnelle Kundschaft oder Grillläden für einen kleinen Snack mit Freunden. Sonst wird hier noch zu Hause gegessen.


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Oh, Alter!

Land der Tausend Elefanten, 16.12.2011 bis 8.1.2012

5. Tag, vom Nam-Ngum-Stausee nach Vang Vieng

Beschaulich lässt sich für uns der Tag auf einer Barke an, wir gleiten in der Morgensonne über den Stausee. Noch leicht jetlägerig räkeln sich einige auf den Holzbänken in der Sonne, andere lesen und der Rest schaut den vorbeiziehenden Inselchen hinterher. Trügerische Idylle: Auf zwei der Inseln unterhält die Vientianer Regierung Gefängnisse für politische Gefangene, im kommunistischen Fachjargon ‚dekadente Elemente‘ genannt. In einem Staat, in dem faktisch keine Meinungsfreiheit vorhanden ist und die Urheber unliebsamer öffentlicher Äußerungen schnell als umerziehungswürdig beurteilt werden, kann der Weg hierher für jeden Laoten gegebenenfalls sehr kurz sein.

Wir gehen am nördlichen Ende des Sees am Fischerdorf Tha Heua von Bord und verabschieden uns vom Kapitän. Am Uferhang ist gerade eine Ferienanlage in noblem Teakholzgewand im Bau. Der französische Besitzer der Anlage kommt ebenfalls zum Steg, um uns in Empfang zu nehmen. Er weist auf einen Stapel Holzstämme, die in einigen Metern Entfernung liegen. Dies sei alles feinstes Teakholz, das aus dem Unterwasser-Holzeinschlag im See stamme. Es kämen Taucher zum Einsatz, die in der Tiefe mit Luftdruck betriebene Sägen schwingen. Was man dabei an Mehraufwand investiert, wird beim Transport wieder eingespart: Die Stämme flutschen durch ihren eigenen Auftrieb zur Wasseroberfläche und können unaufwändig mit Booten ans Ufer geschleppt werden, wo aus ihnen der nächste Ferienbungalow gezimmert wird.

Die Hauptstraße im Ort ist gesäumt von zahllosen Verkaufsständen, die hauptsächlich getrockneten Fisch aus dem See in allen Größen und Arten feilbieten, dessen Aroma sich in der Mittagshitze gut entfaltet. Olfaktorisch harmlos nimmt sich der Fisch allerdings aus gegenüber der Krabbenpaste, mit der Yong sich beim Mittagessen wie gewohnt seine Chilies bestreicht. Wir haben inzwischen – nicht ohne Genugtuung – beobachtet, dass auch er ab und an mit der Schärfe zu kämpfen hat und nach Luft ringend hektisch zu Reis und Wasser greift. Uns mundet die Nudelsuppe bislang auch ohne streng riechende und allzu feurige Zusatzwürze, und vom Glas mit der graufarbenen Krabbenpaste wird nur als Mutprobe (sehr!) kurz der Deckel gelüftet.

Die Strecke nach Vang Vieng, die wir anschließend in Angriff nehmen, ist nur laue 23 km lang, bietet aber eine Menge. Eine Menge Landschaft, denn bald schrauben sich beiderseits der Strecke die berühmten Karstformationen in den Himmel, denen unser heutiges Etappenziel seine große Beliebtheit verdankt. Leider auch eine Menge Schotter, denn bereits seit einiger Zeit ist hier eine Erneuerung des Straßenbelags in Planung. Gewissenhaft ist dazu in regelmäßigen Abständen der Asphalt aufgeschreddert worden. Seitdem ruhen die Arbeiten mit ungewisser Zukunft. Der Euphorie der Winkekinder entlang der Strecke tut dies zwar keinen Abbruch, verlangt uns aber eine neue Dimension radeltechnischer Finesse ab. Als wir Vang Vieng erreichen, haben alle aus der Gruppe eine neue Qualifikationsstufe auf dem Weg zum Prädikat ‚laosgeprüfter Radspezialist‘ erreicht. Mit Schmutzbier respektive fruchtigem Schmutzshake belohnen wir uns für den beachtlichen Lernfortschritt.

Vom Gewusel der Rucksackabenteurer, die Vang Vieng unlängst zu einem der wichtigsten Stationen des sogenannten „Banana Pancake Trail“ geadelt haben, bleiben wir vorerst unbehelligt. Das CBB-Büro hat unser Domizil hier mit Bedacht nicht zuvorderst nach zentraler Lage ausgewählt. Statt der wummernde Bässe der Partymeile begrüßt uns daher dankenswerterweise nur das dezente Plätschern des Xong-Flusses, an dessen Ufer wir heute unsere Bungalows beziehen.

Abends wagen wir uns zwecks soziologischer Erkundungen dann doch freiwillig ins Ortszentrum bis auf die Party-Insel vor. Für den Fall, dass irgendwelche Teenager eine(n) von uns kritisch beäugen und sich nach unserem Begehr erkundigen sollten, haben wir uns mit einer fabelhaften Ausrede gewappnet: ‚Ich? Äh… Ich suche nur meine Tochter‘. Wir finden, das dürfte absolut glaubhaft klingen. Das klägliche Resthäufchen Feiervolk, das wir antreffen, ist jedoch überwiegend zum Fragen zu betrunken; die meisten scheinen um diese Zeit bereits ihren Rausch auszuschlafen. Für die leckeren Crèpes vom Straßenstand und den echten Espresso in der örtlichen Bäckerei hat sich der Ausflug immerhin mehr als gelohnt.

Als uns auf der schmalen Brücke über den Fluss ein knapp Zwanzigjähriger mit einer ordentlich angetüdelten Schönheit auf dem Arm entgegenkommt und prompt anspricht, weil er uns Deutsch sprechen hört, ist die Anspannung nicht mehr zu halten und das zurechtgelegte Sprüchlein bricht aus Matthias heraus: ‚Ich suche doch nur meine Tochter.‘ Niedergeschlagenheit und Mitleid mischen sich im Blick des Zwanzigjährigen, als er daraufhin schwankend stehenbleibt und Matthias kopfschüttelnd intensiv mustert. Betroffen entfährt es ihm leise: ‚Oh, Alter!‘


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