Exhibitionist im Museumsdorf

Land von Fisch und Reis, 01.09. bis 24.09.2012

Von Suzhou nach Tongli. 41 km

Der Tag begann wieder mit einem ausgiebigen Frühstück, dass sich durchaus die Bezeichnung international Breakfast verdient hatte: Sushi, koreanische Spezialitäten, Nudelsuppe, Ei-Brat-Station, Müsli, Cornflakes, Jogurt,… ich weiß es alles gar nicht mehr. Hier hätte man den ganzen Vormittag verbringen können. Wir lösten uns jedoch bald schweren Herzens mit gefüllten Mägen von unserem Esstisch und gingen unsere erste Radetappe an.

Die Befürchtungen des Vortages haben sich bestätigt: Grünflächen waren nur wenig auszumachen. Stattdessen fuhren wir an gigantischen Wohnsiedlungen vorbei, die nicht mehr aufhören wollten. Die Blähungen der Immobilienblase Chinas werden hier recht gut erkennbar. Nun ja, aber wenn jeder Mann, der in China heiraten möchte, ein Haus haben muss, dann müssen die Wohnungen auch irgendwo herkommen… auch wenn die neugegründete Familie letztendlich dann doch oft genug mit den Eltern zusammen wohnt und die neugekaufte Wohnung leer steht. Sei’s drum. Ich, für meinen Teil, denke diese Tradition wurde nur erschaffen um das chinesische Wirtschaftswachstumswunder aufrecht erhalten zu können.

Die Wohnsiedlungen wirken alle wie ausgestorben. Die 6-8 spurige Straßen komplett menschen- und autofrei. Entweder sind alle in der Stadt zur Arbeit, oder wohnen eben doch bei den Schwiegereltern. Ganz plötzlich überqueren wir einen Kanal und kommen in Tongli an, ein mittelgroßes Museumsdorf, dass durch die vielen kleinen Kanäle aus mehreren kleinen Inseln besteht. Die Renovierungen sind nicht übermäßig durchgeführt worden, sodass alles, trotz der ganzen Touri-Läden noch sehr authentisch wirkt. Gegenüber von unserem Hotel befindet sich ein Sexmuseum. Das hat uns beide dann doch interessiert, wie so ein prüdes Land wie China mit so einem Thema in der Öffentlichkeit umgeht. Offensichtlich doch recht offen, denn im Eingangshof begrüßte uns schon ein Riesenpenis. Den Rest der Ausstellung kann man sich dann glaub ich denken.

Abends wurden die Brücken und Straßen stilvoll beleuchtet und so konnten wir nach unserem Eisbein-Abendessen noch ein wenig am Kanal die Atmosphäre genießen und an unserem Nebentisch zuschauen, wie Chinesen Geburtstage feiern.


Großstadtmilieu

Transmongolia, 23.07. bis 23.09.2012

Noch ein Ruhetag in Datong, Spaziergang auf der neuen alten Stadtmauer und Besichtigung der „restlichen“ Tempel der Stadt.

Wieder verlockt das großzügige Frühstücksangebot dazu, viel zu viel zu essen und entsprechend schwer fällt der Aufbruch. In der Hotelstraße gibt es einen guten Radladen, hauptsächlich mit Bianchi Rädern, die hellgrün im Schaufenster leuchten. Die preise sind mit Rädern in Europa vergleichbar. Wer fährt hier solches Edelgerät, wo man dafür 4 oder 5 E-Bikes bekommen kann.

Wieder beginnen wir mit einem schönen Tempel gegenüber der Stadtmauer und wandeln durch neue altre Anlagen, hinter dem pseudohistorischen Gebäuden, angeblich aus der Yuan Dynastie wird gerade ein schöner Park angelegt, aber es wird noch ein paar Monate dauern, bis man hier staubfrei lustwandeln kann. Die Stadtmauer von Datong war im letzten Jahr nicht viel mehr als ein Lehmwall, aber die Handwerker haben fleißig gearbeitet und ihr Budget ordentlich verbaut, zwei Drittel der Stadtumwallung mit fast 6 Kilometern Länge sind bereits wieder hergestellt und vermutlich bombastischer als jemals zuvor, denn um die Tore gibt es gigantische Fortanlagen. Von hier oben hat man einen herrlichen Blick, draußen vor den Mauern liegen die Sattelitenstädte mit 10 bis 15-stöckigen Wohnsilos und in der Stadt prallen neu, pseudoalt und alt aufeinander. Fast zwei Stunden verbringen wir auf der Mauer und werden kaum gestört, denn außer uns gibt es nicht mehr als ein Dutzend weiterer Spaziergänger. Beim Osttor steigen wir dann wieder herab und stehen vor einem weiteren alten Tempel, eigentlich haben wir keine Lust mehr, aber von oben hatten wir einen schönen weißen Stupa erblicken können und so nehmen wir diesen Tempel dann als Abschluss unseres Besichtigungsprogrammes. Auch hier gibt es kaum Touristen und wir sind in der großen Anlage fast alleine und genießen die Ruhe und Abgeschiedenheit, bis wir durch den Baulärm zurück zum Hotel ziehen. Abends gehen wir wieder in das tolle Restaurant vom ersten Abend und genießen noch einmal in vollen Zügen.

Datong wird wohl in den nächsten Jahren massiv in den Reiseführern auftauchen und kann seinen Gästen gute zwei Tage volle Sehenswürdigkeiten bieten. Dazu kommt natürlich noch die Straße mit den großen Kaufhäusern und in der Neualtstadt werden sich wohl zahlreiche Boutiquen ansiedeln und die Bücher werden die Stadt als „chinesisches Rom“ oder so etwas loben. Aber wahrscheinlich wird man bald nicht mehr den Luxus haben ungestört unter Pinien und zwischen alten und neuen Tempeln zu wandeln, sondern sich mit aberhunderten von Chinesen und ein paar Ausländern den Kulturgenuss teilen müssen.