Wo sind sie denn, die Massen?

Die Oberen Schluchten des Yangzi, 15.09. bis 07.10.2012

1,5 km einfach, 400 HM, auf der Mauer bei Huanghua

Es war wohl Andreas, der diese Frage zum ersten Mal ausgesprochen hat. Bekannte hatten von Massen berichtet, sie sich an Verkaufsbuden vorbeischlängeln, um das berühmte Foto fürs Familienalbum zu machen. Wer nie die Mauer bestiegen hat, kann nicht als echter Chinese durchgehen, so oder ähnlich lautet ein chinesisches Sprichwort, an das ich mich dunkel aus dem Sprachunterricht an der Uni erinnere. Also, wo waren sie dann, die Massen, an diesem Tag mit Bilderbuchwetter, ein paar weiße Wölkchen auf blauem Grund, Zikadengezwitscher, eine Sonne, die nicht mehr ganz unbarmherzig vom Himmel brennt… einfach ideal für einen kleinen Spaziergang auf der Mauer, dem Bauwerk, dass man zwar nicht vom Mond aus sieht, an dem aber sämtliche Dynastien seit dem ersten Kaiser gearbeitet haben, um die Barbaren in ihre Schranken zu verweisen, also außerhalb des Reichs der Mitte. Wobei es schwer vorstellbar ist, wie ein Reitervolk aus dem Norden zumindest an dieser Stelle die Berge bezwingen soll, um überhaupt erst zur Mauer vorzudringen. Steil geht es bergauf und bergab, immer am Kamm entlang, es ist eine schweißtreibende Angelegenheit, die einiges an Konzentration erfordert.

Jedenfalls waren wir allein dort, um der Fantasie freien Lauf zu lassen und uns anrückende Barbaren und bestechliche Soldaten auszumalen. Nur auf dem Rückweg trafen wir auf die obligatorische Handvoll Westler, die auch auf diesem steilen Stück unterwegs waren.

Einige Stunden später, zurück in der Stadt, haben wir sie doch noch angetroffen, die Massen: im Olympischen Gelände, zwischen Vogelnest und Schwimmstadion. „Hier muss man gewesen sein“ war der Kommentar unseres Fahrers, als ich über die Kolonnen parkender Busse gestaunt hatte. Wir diskutieren ein wenig über Nutzung eines solchen Geländes (wenn die Touristenströme einmal ausbleiben sollten)…

Krönender Abschluss des Tages war die Pekingente, die zu einem letzten Abend in der Hauptstadt unbedingt dazu gehört. Im Hotel kamen uns unerwartet zwei bekannte Gesichter entgegen: Tom und der Rest der Reisegruppe, die gerade frisch mit dem Rad aus Irkutsk eingetrudelt waren. Gratulation nochmal zu dieser 4000 km Tour. Unsere Reise führt uns morgen in aller Frühe nach Yunnan, die Wanderung kann beginnen.


Where are your bikes?

Auf den Spuren des Drachen, 08. bis 30.09.2012

Auf der Mauer, auf der Lauer. Eine Halbtagesbeschäftigung bei dem besten Wetter, welches man sich dafür wünschen kann.

Schon klar, wenn man mit einem China By Bike T-Shirt auf der Großen Mauer kraxelt wird man natürlich alle 52,3 Meter gefragt wo denn die Fahrräder wären. Anfangs fanden wir die Frage originell und antworteten wahrheitsgemäß. Aber spätestens nach 209,2 Meter wurden wir kreativ:

  • Die Falträder stecken in unseren Tagesrucksäcken.
  • Am nächsten Wachturm blasen wir die Räder wieder auf und fahren weiter.
  • Wir erkunden gerade die Strecke und fahren sie dann morgen mit dem Rad ab. Dürfte kein Problem sein!
  • Die Fahrräder haben uns einen Tag frei gegeben und amüsieren sich heute in der Stadt.

Manchmal mussten wir wirklich hinzufügen, dass wir mit unserer Antwort etwas geflunkert haben. Manche Menschen glauben einfach alles.

Heute also unser zweiter Tag auf der Chinesischen Mauer. Gleich nach dem Frühstück sind wir losgestiefelt. Erfolgreich konnten wir zuvor alle Cola- Water-Beer Ladies abschütteln, dann waren wir auf dem Bauwerk. Zwar nicht ganz unter uns (sonst hätten wir uns die Frage nach den Rädern nicht so oft anhören müssen), aber überwiegend allein und vor allem genießend.

Ich war ja schon oft auf der Mauer, kann aber durchaus die Gefühle von APH nachvollziehen. Es ist einfach etwas Erhabenes und wortwörtlich Erhebendes, wenn man da auf einer breiten Mauer steht, die vor über 500 Jahren errichtet wurde. Und zwar nicht irgendwo in der Landschaft, sondern über Bergkämme, die einen phantastischen Ausblick über die weitere Umgebung gewähren. Eine Mauer, errichtet unter schwierigsten Arbeitsbedingungen mit gebrannten Ziegeln, die irgendwie hier hoch geschleppt und aufeinander gesetzt wurden. Dagegen erscheinen die Aufgaben und Probleme der Welt von heute doch eher nichtig und klein…

Nach rund drei Kilometer Wanderung schlugen APundC den Rückweg ein. H ließen wir zurück, er wollte noch die letzten zwei Wachtürme besuchen. Danach ist nämlich auf diesem Teil der Mauer Schluss, weiter geht es nicht und man muss umkehren.


[map style=“width: auto; height:400px; margin:20px 0px 20px 0px; border: 1px solid black;“ gpx=“https://china-by-bike.de/blog/wp-content/uploads/2012/09/2012-09-18_Long121.gpx“]

Ente gut, alles gut

Transmongolia, 23.07. bis 23.09.2012

68 Kilometer vom Minggräberstausee bis nach Beijing, Besichtigung des Sommerpalastes und des Olympistadions, abends Pekingente, 51 Höhenmeter bei sonnigen 27 Grad.

Nun also der letzte Radeltag in die chinesische Hauptstadt und der beginnt mit dem Abschied von unserem Fahrer. Wir wollen uns Zeit lassen und noch den Sommerpalast besichtigen, also schicken wir Xiao Zhang mit dem gepäck gleich zum Hotel und sagen „Tschüß“. Das amüsiert die Chinesen immer wieder, wie komisch sich die Deutschen verabschieden, den „tschü-se“ bedeutet auf Chinesisch „Fahr zur Hölle“. Wir klären den Irrtum auf und nehmen unseren Meisteresser noch einmal in den Arm.

Dann rollen wir langsam los. Der letzte tag ist noch einmal sehr schön, denn es geht fast 30 Kilometer nur auf kleinen Straßen und Wegen durch kleine Wälder und an Kanälen entlang. Kaum zu glauben, dass hier in der Umgebung 10 Millionen Chinesen wohnen, wo sind die alle hin. Erst auf den Sommerpalast zu haben wir dann belebte Straßen, bis zu 6 Spuren und da sind sie dann auch die Menschenmassen. Welch ein Kontrast zu unseren Etappen durch die Wüste in der Mongolei.

Trotz des Gerangels ist der Sommerpalast immer wieder ein Erlebnis, die Anlage wurde vom Kaiser Qianlong im 18 Jahhundert errichtet und steht im starken Kontrast zur Verbotenen Stadt im Zentrum. Denn im Sommerpalast dominieren weitläufige Anlagen, Seen mit Inseln, Brücken und einzelne Paläste und Pavillions. Durch den Park führt ein mehr als 700 Meter langer Wandelgang, der mit tausenden von Bildern geschmückt ist. Waren die Anlagen einst nur zum Vergnügen des Kaisers gedacht, haben hier heute täglich mehrere 10.000 Leute ihren Spaß, besteigen die Halle der Freude und Langlebigkeit und genießen den Blick über den See mit der Skyline Beijings im Hintergrund. Im hinterne Teil des Sees liegt ein Pavillion aus Marmor in der Form eines Bootes. Um den teuren Bau finazieren zu können hat die Kaiserinwitwe Cixi den Bau unter „Ausgaben für die Marine“ deklariert, so möchte ich auch gerne meine Steuererklärung manipulieren können.

Mit einem „richtigen“ Boot schippern wir dann zum andern Ufer bis zur Insel im See und laufen über dien 17 Bogen Brücke zurück zum Ausgang. Zwei Stunden in dem Trubel reichen, denn wir haben ja noch den Stadtverkehr vor uns. Der läuft jedoch relativ ruhig, zumindest für uns, denn jede der breiten Straßen hat auch einen extra breiten Radstreifen und so sind wir entlang des vierten Rings recht schnell am Olympiagelände.
Auch hier noch einmal Volksmassen, die das Vogelnest und Aquawürfel bestaunen und auch wir machen unsere Touristenfotos. Dann folgen die letzten Kilmeter der Tour und bei 3412 schalte ich am Hotel den Kilometerzähler aus. Irkutsk-Beijing ist geschafft; für dieses Jahr und weil es so schön war, gibt es die Tour auch im nächsten Jahr wieder.

Was bleibt zu tun heute noch? Na klar, die obligatorische Pekingente! Immer wieder superlecker ist der knusprig gebratene Vogel, von dem nur die goldbraune Haut mit Fettschicht und ein wenig Fleisch serviert werden. Dazu gibt es Gurke und Zwiebeln und Pfannkuchen, in den die Ente und die Beilagen eingewickelt werden. Dazu kommt eine dunkle, leicht süßliche Soße. Ein Geschmackserlebnis der besonderen Art.

Abenteuer aus 101 Kilometern…

Land von Fisch und Reis, 01.09. bis 24.09.2012

Kaihua nach Wuyuan. 101 km

Auf dem Plan standen 100 km. Hört sich viel an. Ist es auch. Da kommt es vor allem darauf an, wie die Strecke ist. Und die hat einen heute zwischenzeitlich immer wieder vergessen lassen wie viele km noch vor einem liegen. Geradezu einsam ging es durch ein Tal ins nächste, oft an einem Bach oder kleinem Fluss entlang. Das war ein idealer Radweg, wie man sich ihn vorstellt: Nicht allzu viele Steigungen, schöne Landschaft und fast autofreie Straßen. Irgendwo auf der Strecke verließen wir auch die Provinz Zhejiang und kam nach Jiangxi rein. Leider wies nicht mal ein Schild daraufhin und wir konnten es nur an den Nummernschildern der vorbeifahrenden Traktoren festmachen, dass wir in Jiangxi angekommen sind.

Kurz vor unserem Ziel streikte jedoch Katharinas Rad noch einmal und wollte eine Zwangspause haben. Ein Platten ist immer ärgerlich. Aber 6 km vor dem Ziel auf so einer Etappe ist das nochmal was ganz anderes. Wir nutzten die Pause und konnten so nochmal die nötige Restkraft tanken für das letzte Stück in die Stadt hinein.

Geschafft! 101 Kilometer. Für alle drei Teilnehmer eine Premiere mit der 3-stelligen Tagesbilanz. Mächtig stolz stürzten wir unser Schmutzbier hinunter. Das Bild muss von außen allerdings weniger stolz ausgesehen haben, wie wir zu viert auf der Treppe vor dem Hoteleingang, wie Obdachlose, jeder mit einer Pulle Bier in der Flasche, völlig verdreckt und vor uns hin miefend, fläzten. Nicht einmal mehr die Treppen in die Lobby schafften wir. Ein Chinese machte natürlich auch gleich ein Foto mit seinem Handy. Das landet wahrscheinlich in der Wuyuaner Morgenpost mit der Überschrift „Eurokrise härter als befürchtet. Auch Touristen schlafen nur noch vor statt im Hotel.“

Wuyuan aber bot nicht die erhoffte Genugtuung, die man nach so einer Tour verdient hätte. Es ist lediglich ein Massen-Tourismus-Umschlagsplatz für Gäste, die entweder Wildwasser-Rafting, kleines chinesisches Naturprogramm oder traditionelle Dörfer besuchen wollen. Für uns stand letzteres bevor. Aber wie als Kontrastprogramm, hatte die Stadt nur moderne Häuser und Riesenhotelklötze zu bieten.

Zur Feier der 100-km-Marke gingen wir in ein Feuertopf-Lokal und kochten und dippten was das Zeug hält. Als hätten wir heute noch nicht genug getan… So mussten wir uns auch noch das Abendessen selber zubereiten… Trotzdem wurde es ein gelungenes und angemessenes Mahl für die heutige Etappe.