Harmonie

Auf den Spuren des Drachen, 08. bis 30.09.2012

315 Kilometer in 2 Stunden und 34 Minuten von Shanhaiguan nach Beijing. Dann noch ein paar Kilometer in der Stadt weniger schnell.

Am Vortag waren wir bereits am Bahnhof gewesen weil wir dort unsere Fahrräder aufgeben wollten. So hatten wir das auf dieser Tour bisher immer gemacht, am Vortag die Räder mit dem Frachtzug nach Beijing schicken und am nächsten Tag dann hinterher reisen. Aber dieser Versandservice wurde eingestellt, wie wir gestern erfahren mussten. Wir sollen doch die Räder einfach mit in unseren Zug nehmen sagte man uns. Na ob das gut geht?

Musste es ja, wir brauchten doch noch unsere Räder in Beijing. Also sind wir heute Morgen mit den Rädern und Gepäck zum Bahnhof gefahren. Dort hieß es zwar zunächst, dass wir die Räder auseinander nehmen sollten, aber ich fand es reichte aus, wenn wir nur die Lenker quer stellen. Das fanden die Sicherheitsleute vom Bahnhof dann auch und gewährten uns Einlass.

In China kann man nicht einfach so auf den Bahnsteig gehen, sondern muss in einem Warteraum oder der Vorhalle warten, bis der gebuchte Zug aufgerufen wird. Also warteten wir. Dann ging es aber plötzlich ganz fix, wir mussten unseren Krempel durch eine Unterführung wuchten (eine Treppe runter, eine rauf), dann war der Zug auch schon da und wir wurden zur Eile getrieben. Die Räder stellten wir einfach in den Eingangsbereich. Einsteigen bitte, Türen schließen automatisch, Vorsicht an Gleis 2, Abfahrt.

Aus unerfindlichen Gründen hatte das lokale Reisebüro zwei Fahrkarten gebucht, einmal von Shanhaiguan nach Beidaihe und von Beidaihe nach Beijing. Gleicher Zug, aber andere Sitzplätze in einem anderen Wagen. Den Wagen zu wechseln kam aber wegen der Räder nicht in Frage, also blieben wir einfach dort und überließen unsere Plätze anderen. H und ich saßen ohnehin auf dem Boden bei den Rädern, A und P studierten stehend das chinesische Zugleben und die Geschwindigkeitsanzeige.

Unser Zug gehörte zwar zur Hochgeschwindigkeitsserie, kam aber nie an die 200 km/h Marke heran. Die Strecke ist wohl noch nicht dementsprechend ausgebaut. Die Züge tragen den Namen Harmonie (和谐). Damit war es aber kurzfristig mal vorbei. Irgendwann während der Fahrt kam nämlich der Zugchef an und meinte die Räder könnten dort nicht stehen bleiben. Nach meinem Hinweis, dass es doch nur noch zwei Stunden bis Beijing wäre und der Frage, wo wir die Räder sonst hinstellen sollen, kam er sichtlich in Gewissensnöte. Dann hatte er den gesichtswahrenden Einfall: Wir sollten unbedingt bei den Rädern bleiben (was wir ohnehin gemacht haben) und andere Mitreisende auf die Gefahr hinweisen. Besonders kleine Kinder. Kein Thema, versicherte ich ihm, wir werden dafür sorgen, dass sich niemand ernsthaft verletzen wird. Wir achten auf die Sicherheit (注意安全)! Das war dann der Deal.

Ankunft in Beijing kurz vor 2 Uhr am Nachmittag. Der Tag ist noch jung! Also radelten wir kurz bei unserem Hotel in Beijing vorbei, schmissen die Klamotten in die neuen Zimmer und düsten gleich weiter zum Lamatempel (Yonghegong 雍和宫). Dieser gehört ganz zweifellos zu einer der schönsten Tempelanlagen in China. Nicht so groß und erschlagend, einfach wohlproportioniert, alles ist in sich stimmig und schlüssig. Mit andren Worten: Ein rundum harmonischer Tempel. Beijing hatte uns mit einem phantastisch blauen Himmel empfangen und wir genossen den Tempel in der spätnachmittaglichen Sonne bei immer weniger Besuchern, denn ab 16:00 Uhr ist kein Einlass mehr, um 17:00 Uhr ist dort Feierabend.

Ruhetag am Lugu See

Die Oberen Schluchten des Yangzi, 15.09. bis 07.10.2012

Der Tag am See beginnt mit einem Umzug in die Jugendherberge, die für diesen Regentag über sehr geeignete Aufenthaltsräume verfügt (die andere Herberge war bei allen durchgefallen). Mitten auf dem Lugu See prasselt es auf uns herab, wir haben keine Chance zu entkommen. Auf der Wanderung hätte dieser Regen die Stimmung sehr gedrückt. So kommen eben alle mitgebrachten Regensachen zum Einsatz. Auf zwei Inselchen besichtigen wir kleine Tempelklöster und erreichen das Ufer, bevor der Wind richtig zulegt und wild über den See fegt.

Am Lugu See ist es touristisch geworden, es gibt eine kleine Flaniermeile, Cafés und Restaurants, aber die großen Massen bleiben noch aus. Es sind vor allem junge chinesische Individualtouristen, die den weiten Weg hierher finden. Paare oder kleine Gruppen tummeln sich am Ufer, um das gefühlt hunderttausendste Foto der Saison zu machen. Gut, dass ich diese Gegend nicht „von früher“ her kenne, denn so gefällt mir das Fleckchen Erde ganz gut. Der Lugu See ist eine der Gegenden, in denen das Matriarchat noch gelebt wird. Die Mosuo Frauen schicken (wie schon berichtet) ihre Männer tagsüber vom Hof, mehr haben wir diesmal nicht herausfinden können.

Das Wasser ist klar (Schwimmen ist aus Umweltschutzgründen leider nicht erlaubt), die Berge ringsherum sind noch dicht bewaldet, ein wenig (Regen)Idylle können wir nach der Wanderung schon vertragen.