Yin und Yang

Auf den Spuren des Drachen, 08. bis 30.09.2012

47 Kilometer vom Yunmeng Xianjing Hotel zum Yunhu Hotel. Viele kumulierte Höhenmeter.

Sicherlich kennen Sie Yin und Yang, diese Jahrtausend alte chinesische Weisheit von den beiden Gegensätzen, die einander bedingen, denn das eine kann nicht ohne das andere existieren. Das Männliche und das Weibliche zum Beispiel, Tag und Nacht, Schönheit und Hässlichkeit, aktiv und passiv, Soll und Haben, Hemd und Hose, linke Socke und rechte Socke. Das Symbol dafür ist ☯.
Heute hatten wir einen perfekten Yin und Yang Tag!

Yin
Das Wetter spielt noch immer mit, als wir um neun Uhr anfangen in die Pedalen zu treten. Also blauster Himmel mit ein paar Wölkchen zur visuellen Auflockerung dazwischen.
Wir fahren eine Traumstraße entlang, anders kann man es kaum bezeichnen. Es geht auf Flüsterasphalt mit kaum Autoverkehr durch den Canyon des Bai Flusses, immer ein paar hundert Meter oberhalb der Schlucht.

Die Straße schlängelt sich den zerklüfteten Bergen entlang, alle dreißig Meter macht sie eine Biegung nach links oder rechts und alle 500 Meter gibt es eine Haltestelle, eine Panoramabucht. An vielen von ihnen bleiben wir stehen, genießen und bewundern den Ausblick und knipsen Fotos was die Speicherkarten her geben. Für 15 Kilometer benötigen wir zwei Stunden.

Hätten wir nicht ein anvisiertes Tagesziel gehabt wären wir sicherlich jetzt noch dort. Man kann die Schönheit dieser Stecke einfach nicht beschreiben. Ich jedenfalls kann es nicht!

Yang
Kurz hinter Heilongtan, dem Schwarzen Drachen Teich bei Kilometer 28, beginnt unerwartet eine Baustelle. Chinesische Straßenbaustellen sind echt fies! Da wird über mehrere Kilometer eine Straße aufgerissen und daran rumgewerkelt. Das ist in Deutschland nicht anders, aber in Deutschland wird in solchen Fällen der Verkehr über eine Umleitung umgeleitet. Nicht so in China, da fließt bzw. kriecht der Verkehr direkt über die Baustelle. Was für uns bedeutete: Kein Flüsterasphalt mehr, sondern holpriger Erdboden und jedes Fahrzeug, welches uns passierte, egal ob von hinten oder vorn, bedeckte uns mit einer weiteren Lage feinen Staubs.

Just auf diesem ungemütlichen Abschnitt entschloss sich Holgers Fahrradkette zu reißen. Einen Kettenriss hatte ich schon seit Jahren nicht mehr gehabt, daher dauerte es eine Weile, bis wir das Problem gelöst hatten. Holger und ich werkelten kräftig an der Kette währen der Verkehr an uns vorbei zog. Wie schon geschrieben mit viel Feinstaub. Wir legten also noch ein paar Schichten davon auf unsere Haut.

Wieder ein paar Kilometer später und noch immer mitten in der Baustelle entweicht meinem Hinterrad Luft. Wieder Zwangspause, wieder eine Reparatur. Diesmal jedoch schneller, Reifen flicken bin ich gewohnt.

Um 16 Uhr erreichen wir unsere Unterkunft, drei Sterne und im Vergleich zu den letzten Tagen ziemlich luxuriös. Aber bevor wir die Zimmer beziehen ein schmutziges Bier.

Das haben wir uns redlich verdient und überlegen dabei welcher Teil der Strecke uns länger in Erinnerung bleiben wird: Yin oder Yang? Sicherlich beide, denn schließlich bedingen sie einander.


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Auf der Mauer

Transmongolia, 23.07. bis 23.09.2012

43 Kilometer von Kangzhuang zum Minggräberstausee bei warmen 25 Grad und vielleicht 200 Höhenmetern, Besteigung der Großen Mauer bei Badaling, gemeinsam mit zwei Millionen anderen Touristen

Die gestrigen Kilometer machen sich dann am Morgen doch ein wenig bemerkbar, so richtig Lust in die Pedale zu treten haben wir nicht, müssen wir auch nicht, denn bis zur Großen Mauer in Badaling sind es gerade einmal 10 Kilometer. Wir haben Glück, dass wir recht zeitig am Morgen eintrudeln. Obwohl der Parkplatz unter dem Gemäuer noch nicht einmal halbvoll ist, tummeln sich gefühlte zwei Millionen Chinesen hier. Busladungen volle Touristen werden ausgeworfen. Man hört Dialekte aus dem Süden, dem Norden, dem Osten und dem Westen. Deren Reiseleiter sind mit Fähnchen und tragbarem Lautsprecher ausgerüstet und die Gruppen werden fast im Laufschritt die Treppen hinauf und hinunter gehetzt. Dazwischen ein paar Langnasen und eine Gruppe von Angolaner sorgt für aufsehen. „Mein Gott sind die schwarz und dick!“ höre ich ein paar Mädchen tuscheln. Trotzdem wollen sie sich mit den Angolanern fotografieren lassen, oder gerade deshalb.

In der Pekinger Umgebung gibt es fast ein Dutzend mehr oder weniger bekannter Mauerstücke, die man von der Hauptstadt aus besichtigen kann. Badaling ist der beliebteste oder zumindest der meistbesuchte. Die Mauer kommt hier recht spektakulär über die Berge hinunter ins Tal, dort befindet sich um das Tor eine Fortanlage und dann windet sich der Wall wieder auf der anderen Seite den Berg hinauf. Seit mehr als 30 Jahren hat man hier an der Logistik gearbeitet. Es gibt auf beiden Seiten gigantische Parkplätze, eine Autobahn führt hierher und auch die Eisenbahn stoppt hier. Inzwischen hat man auf beiden Seiten Lifte gebaut und rundherum gibt es Restaurants und Hotels.
Der Verdacht liegt nahe, dass die modernen chinesischen Mauerkonstrukteure hier mehr als nur Restauration betrieben haben. Einige böse Zungen behaupten sogar, die Mauer habe hier gar nicht entlang geführt. Uns und den Chinesen ist es egal, denn nur wer einmal im Leben die Mauer beklettert hat, der ist ein „richtiger Chinese“. Für mich ist der Abschnitt eigentlich wegen des bunten Getümmels am interessantesten. In Doppelreihen schiebt sich das bunte Volk nach oben und wieder nach unten und überall klicken die Fotoapparate und die Handykameras. Gut, dass sich bei den vielen Fotos die Landschaft nicht abnutzt, denn sonst wäre hier alles weiß wie Schnee und selbst die hohen Berge wären komplett „wegfotografiert“.

Wir genießen das bunte Treiben und steigen bis zum fünften Turm hinauf, die Sicht ist wirklich spektakulär. Auf beiden Seiten bis zum Horizont der Schutzwall gegen die Steppenvölker voller bunter Punkte. nach zwei Stunden sind wir wieder unten angekommen, wo es noch voller geworden ist. Mit den Rädern gelingt es uns dann sogar durch die Fußgängerzone zu fahren und durch das Tor zu schlüpfen. Dann geht es in schneller Fahrt nach unten der Hauptstadt entgegen. Doch dort wollen wir noch gar nicht hin, sondern nur zum Stausee an den Minggräbern, die wir morgen besichtigen wollen.

Das Abendessen ist wieder einmal grandios. Unweit des Sees gibt es ein hervorragendes kleines Grillrestaurant. Wir bestellen fast alles, was sich grillen lässt: Lammfleisch, Hühnerherzen, Aubergine, Pilze, Schnittlauch …. und schleppen uns dann mit vollem Bauch zum Hotel zurück.

What goes up, must come down…

Land von Fisch und Reis, 01.09. bis 24.09.2012

Hushan nach Quzhou. 86 km

Es ist soweit. Heute befuhren wir endlich mal was, was sich Berg schimpfen kann. Die Sonne knallte, aber egal. Das Spa-Treatment von gestern verhalf zumindest mir ein bisschen zu mehr Schub. 22 km lang kraxelten wir den Berg hinauf. Es lässt sich drüber streiten, ob schieben nicht doch schneller gewesen wäre. Wie dem auch sei… Durch die frühe Abfahrt hatten wir die Möglichkeit uns die Zeit etwas freier einzuteilen. Wir hatten uns vor lauter Angst vor Unterforderung für Mittag mit Snacks & Obst eingedeckt, sodass die Packtaschen noch ein bisschen schwerer waren. Da nützt nur Augen auf und durch. Denn die wundervolle und für chinesische Verhältnisse einsame Landschaft lenkt einen gut ab, vom Kilometerzähler am Lenker. Immer wieder wurde man belohnt mit einem tollen Ausblick in die Landschaft.

Oben auf der Spitze angekommen, steckten die 3 Raucher von uns sich erstmal eine Sieges-Zigarette an. Geschafft… Sowohl Berg-technisch, als auch körperlich. Allerdings hatte ich die Abfahrt ganz schön unterschätzt und die restlichen 40 km wollten einfach nicht enden. Während der Auffahrt hatten wir durchgehend so wunderbar glatten Asphalt. Die Abfahrtstrecke war jedoch gefährlich bespickt mit Schlaglöchern. Und was auf Papier aussah, wie ein entspanntes Ausrollen bis zum Hotel, entpuppte sich doch nochmal als hügelige Landschaft. Dann der Countdown bis zum Hotel… 5 km, 4 km, 3 km, 2 km, 1… Vorbei… Wie froh ich war, dass das Hotel einen Koffer-Boy, bzw. in unserem Falle einen Koffer-Opa hatte… Und selten hat ein Schmutzbier so gut getan.

Zum Essen gingen wir in die lange Fressgasse in der Nähe des Hotels. Die Auswahl an Lokalen war riesig, doch uns fehlte die Kraft um jetzt noch nach einem zu suchen und setzten uns in das allererste. Eine komplett falsche Entscheidung kann man hier eh nicht machen. Fast im Stillen verschlagen wir unsere Abendration, denn kaum einer von uns brachte noch ein Wort raus. So schnell wie heute bin ich auch lange nicht mehr eingeschlafen.