La Tour Eiffel de petite Paris en Chine

Transmongolia, 23.07. bis 23.09.2012

96 Kilometer von Hunyuan nach Yuxian, 560 Höhenmeter bei sonnigen aber kühlen 16 bis 20 Grad

Rund um Beijing gibt es genug Landschaften für lange Fahrradtouren, die einen mehrere Wochen beschäftigen können. Touristisch wirklich erschlossen sind vor allem die Gebiete nördlich von Beijing, entlang der Großen Mauer bis hin zum Gelben Meer. („Kaiserliches China“). Doch landschaftlich ist es in die östliche Richtung ebenso schön, dafür hat man weniger Verkehr, wenige Touristen und so gut wie keine Ausländer. Dafür gibt es links und rechst der Straße schöne kleine Dörfer und ab und an steht auf den Hügeln noch der Lehmsockel eines alten Signalturms. Überall sind die Bäuerlein auf den Feldern, auf denen vor allem Mais angebaut wird und auf der Straße wird man ab und an von einem Eselskarren und dessen Lenker bestaunt. Ansonsten passiert nicht viel an diesem Tag durch die leichte Berglandschaft westlich von Beijing.
Eine Überraschung bietet dann unser Zielort. Schon von weitem erkennt man den Fernsehturm im Zentrum der Stadt, es ist wie ein Dejavu, diese Stahlkonstruktion habe ich doch schon einmal irgendwo gesehen, allerdings ein bisschen größer. Hinter diesem kleinen Eiffelturm befindet sich eine belebt Geschäftsstraße mit viel kleinem Handel und weiter hinten liegt eine nette kleine Altstadt mit richtig viel Leben. In zwei Dingen unterscheidet sich die Stadt vom „richtigen“ Paris, es gibt keine Baguettes und Käse und niemand spricht Französisch. Zurück von unserem Stadtbummel wird es langsam dunkel und der Turm ist mit bunten flackernden Neonlichtern erleuchtet, auf dem zentralen Platz erschallt laute Musik und es wird gesungen. Eine Gruppe in rot gekleidete Frauen singt neben chinesischen Volksliedern auch Hymnen an den Großen Vorsitzenden Mao Zedong. Das Interesse der vielleicht dreihundert Leute drumherum ist groß, uns reichen 10 Minuten des Gesangs in schrillsten Tönen. Pünktlich um 22 Uhr wird die Musik ausgeschaltet und die Bürgersteige werden hoch geklappt, dann ist es ruhig bis morgens um 6 Uhr, wenn die Beschallung für die zahlreichen Frühsportler auf dem Platz wieder hoch gefahren wird.

Lydia, das Seil hängt durch!

Auf den Spuren des Drachen, 08. bis 30.09.2012

51 Kilometer von Huanghua zur Ferienanlage Laqianshan bei Liulimiao, ganz viele Höhenmeter bei viel Sonne und ein paar Wolken.

1999 war die Geburtsstunde unserer Radtour Kaiserliches China, deren Verlauf wir noch ein paar Tage folgen werden, bevor es für uns dann weiter nach Osten geht. Die Reise hatten Volker und ich anhand schlechter chinesischer Karten ausgearbeitet (Google Maps, Google Earth und all die anderen Internet-Hilfsmittel gab es damals noch nicht!) und als Pilottour ausgeschrieben. Es fanden sich tatsächlich vier Teilnehmer, die sich auf das Abenteuer einlassen wollten.

Ein echtes Abenteuer, denn außer unserer groben Planung mit dem besagten Kartenmaterial wussten wir so gut wie nichts. Wir wussten nichts über die Beschaffenheit der Straßen, wussten nichts über die topografischen Verhältnisse und wussten nicht, wo wir übernachten würden. Wir wussten nicht mal, ob es in den von uns angedachten Übernachtungsorten ein Hotel gab. Keine Unterkunft war vorreserviert. In Fachkreisen nennt man eine solche Unternehmung Himmelfahrtskommando.

Unsere vier Teilnehmer 1999 (Lydia, Ulrich, Norbert und Renate) waren zum Glück darauf vorbereitet und eingestellt. Nun ja, Lydia war nicht so richtig darauf eingestellt, denn sie hatte zuvor noch nie eine Radreise unternommen, hatte davor ohnehin eher selten auf dem Rad gesessen. Ihr Freund Ulrich hatte sie zu der Reise überredet. Die beiden waren damals übrigens nicht im Sturm und Drang Alter, sondern Best Agers, wie man es heute sagen würde.

Lydia hatte also ihre Schwierigkeiten Steigungen mit dem Fahrrad zu bewältigen. Ulrich hingegen dafür das Hilfsmittel: Ein Seil. Verwendet als Abschleppseil verband er damit an steilen Abschnitten ihr und sein Fahrrad und er schob im Laufen beide Räder kräftig nach oben, während sie nur dafür sorgen musste, dass ihr Rad nicht das Gleichgewicht verlor. Manchmal jedoch schob Lydia mit, dann kam prompt von vorne der Ausruf „Lydia, das Seil hängt durch“. Besonders auf unserem heutigen Abschnitt. Aber ich schwelge schon wieder und schweife in Erinnerungen ab.

Dabei hatten wir heute eine phantastische Etappe! Meine Teilnehmer waren in jeder Hinsicht besser vorbereitet. Die Strecke war ausreichend bekannt und wurde entsprechend kommuniziert. Außerdem waren wir mit besseren Rädern unterwegs (damals von der Stange gekauft, heute eine Spezialanfertigung für China By Bike). Die rund 1.000 Höhenmeter haben wir zwar nicht mühelos erklommen, aber recht entspannt. Wir hatten (weiterhin) schweißtreibende Anstiege und rasante Abfahrten. Und nun überwiegend auf Flüsterasphalt. Das war 1999 noch anders. Geblieben hingegen ist der Verkehr mit nur sehr wenigen Kraftfahrzeugen auf der ganzen Strecke. So soll es bleiben!

Diesen Blogeintrag widme ich Lydia und Ulrich.


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Die deutsche Pumpe und der chinesische Tee

Land von Fisch und Reis, 01.09. bis 24.09.2012

Sonyang nach Suichang. 40 km

Radfahrtechnisch war heute eher entspanntes Füße austreten angesagt. Auf dem Tagesprogramm stand ein Besuch bei Tee-Bauer Fan. Er war einer der Wenigen in der Gegend, die in den Genuss kamen von Atmosfair eine hydraulische, ökologische Pumpe für die Irrigation seiner Tee-pflanzen eingebaut zu bekommen. Diese wollten wir uns ansehen… Jawohl… auf dem Besichtigungsprogramm stand eine Pumpe! Na gut… Wir übten schon mal vorher unsere Begeisterungsaufrufe: „Ohh… Ahh… Wooow!“.

Auf dem Weg zu Herrn Fan kamen wir aber noch bei einem Frisch-Tee-Markt vorbei und konnten zu sehen, wie die Bauer ihre Ernte in einer Gasse aufgestellt anpriesen und feilschten. Der Tee, so wie er hier angeboten wurde, war allerdings noch nicht trinkbar und musste erst noch einige Bearbeitungsprozesse durchlaufen, wie wir später dazulernten. Die Preise variierten zwischen 15 und 30 Yuan pro Kilo.

Herr Fan empfing uns gemeinsam mit seiner jüngeren Schwester, Frau Fan. Während er eher betreten daneben stand, erklärte uns seine Schwester detailliert und mit praktischer Vorführung die Ernte des Tees und beantwortete jede Frage, die wir ihr stellten. Doch plötzlich meldete sich Herr Fan zu Worte: „Wir haben hier noch was, das auch aus Deutschland kommt!“. Ach ja… Die Pumpe… Hätten wir schon fast vergessen. Wir bestaunten kurz die Pumpe und versuchten vergebens unsere Ohhs und Ahhs überzeugend rüberzubringen. Wen es interessiert: die Pumpe stammt von 2008 und wird angetrieben durch den Wasserdruck des kleinen Baches, der durch das Teefeld fließt. Damit hätten wir das auch abgehakt.

Zurück zum Tee… Frau Fan führte uns ins Dorf und zeigte uns, wie der Tee getrocknet und später dann verarbeitet wurde. Herr Fan hatte sich zwischenzeitlich verdrückt. Anscheinend schien er das Gefühl zu haben seine Pflicht sei mit der Pumpenführung erfüllt gewesen.

Nach all der Tee-Besichtigung, wollten wir diesen natürlich auch probieren. Frau Fan nahm uns hierzu mit zu sich nach Hause und ließ von ihrem Mann Bilouchun und weißen Tee aufkochen. Nach all der Besichtigung und dem Haufen an neuen Informationen bekamen wir jedoch langsam auch Hunger und konnten uns kaum wehren, als Frau Fan uns dann zum Essen einlud. Sie meinte, sie sei nicht vorbereitet und habe daher nicht viel anzubieten, tischte aber ein Gedeck auf, dass uns doch ein wenig schlechtes Gewissen aufkam. Aber jetzt war es auch zu spät. Die Nudeln waren gebraten, die 2 Flaschen Bier geöffnet. So erzählte Frau Fan aus ihrem Leben: unter anderem von ihrer Tochter, die mit 13 lernen musste alleine zu Leben und jetzt Schaufensterpuppendesignerin in Shanghai ist, wie sie aus Huzhou hierher gezogen ist und die Landluft genießt, wie sie im Winter, wenn es keine Arbeit gibt mit Karten und Mahjongspielen die Zeit tot schlägt, usw. Nach dem Essen holte sie ihre Fotoalben und Ansichtskarten ihrer Tochter hervor. Wir stauten und waren dankbar für die Einsicht in das chinesische bäuerliche Leben, die uns Frau Fan gewährte.

So nett es auch war, mussten wir dennoch weiter. Noch ein Abschiedsgruppenfoto, noch ein Versprechen, dass ich es ihr zukommen lassen werde und wir fuhren wieder aus den Feldern auf die Hauptstraße in Richtung Suichang. Die nichtssagende Beschreibung, die mir über dir Stadt mit auf den Weg gegeben wurde: „keine schöne aber interessante Stadt“ machte plötzlich Sinn. Suichang schien voller Leben und hatte trotz seiner rein modernen, meistens grauen Architektur einen gewissen Charme.

Es bleib uns endlich mal ein bisschen Zeit zum Trödeln, Uhrreparieren und anderen Dingen, für die man sonst auf ach so stressigen Fahrradreisen keine Zeit hat. Martin hatte heute die glorreiche Idee mal Billiarde zu spielen. Im Hotel gab es zwar die Möglichkeit dazu, draußen zwischen den Suichanger Teenies macht es aber gleich doppelt Spaß. Vor allem wenn Anke noch nie in ihrem Leben Billiarde gespielt hatte und Katherina ihre Karriere am Queue wegen Tischdemolierung aufgeben musste. Beide stellten sich aber als Naturtalente heraus und wir lieferten uns spannende Partien. Zuschauer hatten wir auch eine ganze Menge. Die waren aber vermutlich doch eher am Bild des Ausländers am chinesischen Biliardetisch interessiert als an unserer Kunst mit dem Queue. Der Duft vom benachbarten Stinketofustand verscheuchte uns dann aber doch noch irgendwann zurück ins Hotel.