Vom Regen in den Tunnel

Land von Fisch und Reis, 01.09. bis 24.09.2012

Wuyi nach Songyang. 72 km

Wenn bei Abfahrt es schon wie aus Kübeln regnet fällt es einem schwer die Taschen aufzuladen und loszuradeln. Aber wir sind ja hier um Fahrrad zu fahren… Mit dem nötigen Schuss Optimismus schwenkten wir uns auf unsere Sattel und starteten unsere Tagesetappe. Der Regen aber ließ vorerst nicht nach und wurde noch ein bisschen stärker. Nach 20 km suchten wir erstmal Unterschlupf in einer kleinen Garküche, wo ich mein Frühstück nachholen konnte, dass ich wegen Weckerüberhörens verpasst hatte. Doch Tee und Chili-Bohnen wärmen auch nur so lange man im Trockenen sitzt.

An solchen Tagen freut man sich auch mal ausnahmsweise, dass es eher leicht stetig bergauf ging und noch keine Abfahrt in Sicht war. Zum Mittag hatte der Regen zwischenzeitlich aufgehört. Die Kleidung hing aber immer noch leicht tropfend vom Körper. Als Erkältungsprofilaxe, so hat es meine weise Schwiegermutter mir beigebracht, bestellte ich chinesische Ingwer-Suppe. Das ist eigentlich das, was wir in Deutschland als Ingwer-Tee kennen. Nur wird hier nicht mit dem Ingwer gegeizt und statt 5-6 Scheibchen werden 5-6 ganze Stücke in den Topf geschmissen und mit Rohrzucker aufgekocht. Nach der chin. Ernährungslehre gibt es kaum etwas, was mehr Yang, bzw. Hitze, beinhaltet. Wenn wir nicht von außen durch den Regen gekühlt worden wären, wären wir vermutlich innerlich zerkocht worden.

Der Himmel hatte Gnade mit uns armen Freilufttouristen und ließ für einen Moment das Wasser abstellen. Doch bald schon ging es wieder los und wir ärgerten uns vor allem, dass man bei der schönen Landschaft auf Grund des Wetters sich nicht traute, sein Fotoapparat rauszunehmen.

Als wir nach der Auffahrt uns an der Spitze erholten wollen, konnten wir uns jedoch nicht recht entscheiden, ob wir lieber im Regen oder im Tunnel mit Windzug und grölenden Lastwagen-Monster stehen wollten. Als wir dann aber den Tunnel nach ca. 2 km Fahrt im Dunkeln hinter uns gelassen haben, war es plötzlich wieder trocken und wir rollten das letzte Stück fast bis zum Hotel hinab.

Vor dem Abendessen entschloss sich Martin nach solch einem Tag noch einen Masseur aufzusuchen. Dieser stellte sich jedoch mehr als Chiropraktiker heraus und wirkte dem ersten Eindruck nach zu urteilen mit seinem Muskelshirt und Goldkette, wie ein Handlanger der lokalen Mafiosi. Mit einem mulmigen Gefühl überließ ich Martin seinem Schicksal. Etwas gerädert kam er wieder aus der kleinen Seitengasse, meinte aber, dass der Mann wohl doch mehr vom Gelenke einrenken als vom Knochenbrechen verstehe.


The Great Wall Shooting

Auf den Spuren des Drachen, 08. bis 30.09.2012

33,8 Kilometer vom Minggräberstausee zur Großen Mauer bei Huanghua, fast trocken.

Den Vormittag bringen wir fix hinter uns. Der Tag beginnt mit einem abgeräumten Frühstücksbuffet im Hotel. Nicht wir haben es abgeräumt, das hat eine Reisegruppe vor uns erledigt. Wir dürfen uns lediglich mit den mageren Überresten begnügen. Egal, ein chinesisches Frühstück ist so oder so kein Feuerwerk der Gaumenfreude. Eigentlich erstaunlich wenn man bedenk, was die chinesische Küche sonst so zu bieten hat.

Also ein schnelles Frühstück und eine pünktliche Abfahrt kurz nach neun Uhr. Die ersten acht Kilometer waren uns wohl bekannt, die hatten wir gestern schon in anderer Richtung befahren. Danach ging es rechts ab, teilweise über Plattenwege aus der Ming-Zeit, vorbei am Chang Grab mit Fotostopp und dann hoch zu unserem ersten Pass. Eher ein Pässchen, nicht wirklich hoch und nicht wirklich lang, aber mit ein paar knackigen Steigungen. Den Pass haben wir einfach so mitgenommen, denn danach ging es auch gleich wieder runter und nach nur weiteren 18 km hatten wir unser Hotel erreicht.

Eine kurze Verschnaufpause, in der wir den einzigen Regen des heutigen Tages gewährten, dann stand unsere erste Begegnung mit der schmackhaften Chinesischen Mauer auf dem Programm. Für Astrid, Peter und mich endete die Begehung bereits nach ca. 20 Metern, denn die Mauer auf der westlichen Seite von Huanghua ist Anfangs verdammt steil und man muss ja auch immer den Abstieg im Hinterkopf behalten. Also sind wir, auch angesichts der Tatsache, dass wir im weiteren Verlauf der Reise noch mehr Gelegenheiten haben werden einen Fuß auf die Mauer zu setzen, diesmal einfach dort geblieben und haben auf Holger gewartet. Der ließ es sich nicht nehmen und ist locker-flockig mehrere Wachtürme nach oben getippelt.

Wir da unten hatten dafür ein anderes Highlight: Wir durften einem zukünftigen Ehepaar bei einem professionellen Fotoshooting auf der Mauer zusehen. Neben dem Paar selbst hatte noch ein Kameramann, sein Assistent und eine Visagistin über eine klapprige Holzleiter ein halbes Fotostudio sowie eine fünftel Garderobe auf die Mauer gewuchtet. Danach hieß es Umziehen – Maske – Aufstellung – Bitte lächeln!
Wir lächelten mit.


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Die gute Tat von Hunyuan

Transmongolia, 23.07. bis 23.09.2012

22 Kilometer zum taoistischen Hengshan-Berg und wieder zurück, 8 Kilometer Wanderung und 1000 Höhenmeter, die Hälfte davon zu Fuß, bei wechselhaftem Wetter und 20 Grad.

Heute nun der zweite Versuch zum taoistischen Heiligtum Hengshan, das Wetter sieht ein wenig besser aus als gestern und wir schwingen uns fröhlich aufs rad und strampeln wieder am Hängenden Kloster vorbei und dann ordentlich nach oben bis zum Eingang und Parkplatz des Hengshan Gebietes.

Obwohl einer der fünf heiligen Berge des Taoismus, hält sich der Andrang in Grenzen. Die meisten Touristengruppen werden nur zum Hängenden Kloster gescheucht und hetzen dann weiter zum Wutaishan, dabei gibt es hier auch genug zu sehen. Taoistische Kloster und Tempelanlagen sind in der Regel weniger spektakulär als buddhistische, dafür suchte man sich aber eher spektakuläre Landschaften und die unzugänglichsten Plätze zum Errichten der Tempel aus.

Die Ursprünge des Taoismus gehen zurück bis ins 4. Jahrhundert vor unserer Zeit, die ersten Gebäude hier am Hengshan sollen auch auf diese Zeit zurückgehen. Viele Schulen des Daoismus streben Unsterblichkeit an, dazu haben sich die Meister dann in die Berge zurückgezogen und an sich selbst herumexperimentiert. Bei einem solchen Experiment ist dann auch wohl der Tofu, mein so geliebtes Lebensmittel entstanden (siehe auch: www.tomtomtofu.com).

Der Weg zu den Tempel führ vorbei an an einer bildschönen Landschaft. Es gibt sie also wirklich und nicht nur auf mal mehr oder weniger kitschigen Bildern in Chinarestaurants auf der ganzen Welt (außer in China). Steile Berge, Gipfel in Wolken eingehüllt und knorrige Kiefer auf kargen Felsen. Vor allem letzteres bekommen wir reichlich zu sehen.

Die Tempel sind in Felsspalten eingekeilt und fast ebenso spektakulär wie das Hängende Kloster vom Vortag. Langsam kämpfen wir uns bis zum höchsten Aussichtspavillon vor, dann schlägt das Wetter langsam um und zwingt uns zur Rückkehrer. Bei leichtem Niesel erreichen wir die Stadt noch bevor es am Nachmittag richtig stark gewittert.

Eigentlich hatten wir heute einmal das Lokal wechseln wollen, doch wieder zieht es uns in unsere Stammkneipe. Kaum sitzen wir in dem kleinen Lokal, rumpelt es vor der Tür ein wenig. Ein Chinese war mit seinem großen koreanischen Geländewagen beim Rangieren über ein Kante gefahren. Nun hing das Fahrzeug hinten halb in der Luft und vorne im Graben mehr als einen Meter tiefer. Der Fahrer war total aufgelöst, seinen schönen teuren Wagen so in der Luft hängen zu sehen und schnell sammelt sich ein kleiner Auflauf von Leuten, aber so richtig helfen kann keiner. Man fummelt ein wenig mit dem Wagenheber herum, aber das bringt eigentlich nichts. Wir haben uns auch mit nach draußen begeben und plötzlich habe ich eine Idee und frage unser Autokenner Wolfgang: „Sach‘ mal, der hat doch Allrad, oder?“ Und damit war dann alles kinderleicht, ich lasse den Fahrer die Heckklappe öffnen und unser (dicklicher) Fahrer Zhang und ich steigen auf die Stoßstange. Schon im nächsten Augenblick neigt sich der Wagen wieder in die Waagerechte, der Fahrer fährt vorsichtig rückwärts und hat schnell wieder alle Räder auf dem Asphalt. Die Freude bei allen Beteiligten ist groß und hier schnell noch Grüße an meinen Physiklehrer!