Das Wolkenmeer

Land von Fisch und Reis, 01.09. bis 24.09.2012

Mit dem Bus von Huangshan nach Nanjing.

Der heutige Tag ging weiter, wie der gestrige aufgehört hatte: Wir stapften über Treppen durch eine nasse, weiße Wand. Diesmal mit dem klaren Ziel, der rettenden Seilbahn, die uns aus diesem riesen Nebelhaufen bringen sollte. Die chinesischen Gruppen, denen wir gestern hin und wieder über den Weg gelaufen sind, taten es uns gleich. Enttäuscht machten sich alle auf den Rückweg. So viel Anstrengung um nichts. Eine Werbetafel mit Deng Xiaoping wirkte da fast wie Hohn, als er mit: „Dies ist ein guter Ort den Tourismus zu entwickeln!“ zitiert wurde.

Doch als wir unsere Seilbahn-Tickets schon in der Hand hielten und gerade dabei waren in die Gondel zu steigen, riss der Nebel auf einmal auf und es zeigte sich das berühmte Huangshaner Wolkenmeer, aus dem einzelne Felsspitzen wie Inseln empor stiegen. Kurz vor unserer Abreise zeigte sich der Huangshan nochmal von seiner anderen Seite, als wollte er sagen: „Kommt wieder, es könnte sich lohnen!“. Alle Touristen drängten sich an die Rehling um noch ein letztes Urlaubsfoto mit eine anderen Hintergrund als einer weißen Wand zu schießen. 10 Minuten dauerte das Schauspiel, bevor wir selber wieder von dem Wolkenmeer verschluckt wurden und man wieder die gewohnte Sicht hatte.

Nun konnten wir auch besseren Gewissens unten zu unserem Fahrer, Herr Suppe, in den Bus steigen um die 4 stündige Busfahrt nach Nanjing, unserem letzten Ziel dieser Reise, anzutreten. Bei so einer langen Busfahrt merkt man immer wieder, wie angenehm doch eine Fahrradtour ist. Trotz der ganzen langen Anstiege, Sonnenbrände und Regengüsse, ziehe ich noch fast alles einer langen ermattenden Busfahrt vor. Auch die Dörfer rauschen nur so an einem vorbei, ohne dass man einen genaueren Blick drauf werfen kann. Einige Pinkelpausen, Bananen und Zigaretten später, kommen wir endlich in Nanjing an, der südlichen Hauptstadt.

Als erstes fielen mir sofort die riesigen Bäume der hiesigen Alleen ins Auge. Nicht umsonst gilt Nanjing als die grünste Stadt des Reichs der Mitte. Unser Hotel lag in mitten des alten Geländes des Konfuziustempels. Als wir die Gegend erkundeten wurde uns schnell klar, dass das Gebiet nicht mehr viel mit der Philosophie und Denkweise des alten Meisters gemein hatte: Die alte Lehrstätte und Tempel der Ehrlich- und Aufrichtigkeit und ist einem Tempel des Konsums und Vergnügung gewichen. Allerdings ist dieser Wandel nicht erst ein Ergebnis unserer modernen Welt, wie man zuerst annehmen möchte. Bereits während der Ming-Dynastie, war der Qinhuai-Kanal eine Haltestelle der „Blumenboote“, die Prostituierte der Extraklasse an Bord hatten. Wie oft sich Konfuzius wohl in seinem Grab umgedreht habe musste, das kann man vermutlich nur in Umdrehungen pro Minute messen.

Nicht nur Konfuzius, sondern auch wir waren etwas überfordert von dem Trubel um uns herum. An sich, hatten wir ja heute endlich etwas Zeit und die Möglichkeit nach Mitbringsel und Souvenirs Ausschau zu halten. Aber gefühlt, kamen wir nach 4-5 Läden immer wieder an denselben vorbei. Als gäbe es nur die Läden und sie haben hunderte von Filialen, alle hier in dem Gebiet eröffnet. Entsprechend verwirrt und orientierungslos irrten wir durch den Abendmarkt. Die Idee war eigentlich sich ein bisschen Übersicht und Orientierung zu verschaffen, um das Ganze Gewusel morgen evtl. etwas strukturierter angehen zu können… Pustekuchen! Selbst das Hotel ließ sich eher mit Glück als mit Geschick und Orientierung finden. Immerhin… wir haben zurückgefunden. Um unser Huangshan-Erlebnis etwas zu verarbeiten trafen wir uns nochmal in meinem Hotelzimmer und schauten uns rückblickend die Fotos auf dem riesigen Flachbildschirm an.


告别早会

Auf den Spuren des Drachen, 08. bis 30.09.2012

Gemütliche 62 Kilometer von Pingquan nach Kuancheng. Wenig hoch und viel runter. Weiterhin trocken.

Wo war ich gestern stehen geblieben? Ach ja, unsere Radelfreunde aus Pingquan. Die trafen wir nach einem lausigen Frühstück (in unserem Hotel) vor unserem Hotel. Irgendwie hatte sich zu der Radsportgruppe noch jemand dazu gesellt, aber ich habe leider seinen Namen nicht erfahren. Werde es wohl auch nie.

Egal, man hatte uns eine halbstündige Sightseeingtour durch Pingquan angekündigt. Allerdings scheint die einzige touristische Attraktion von Pingquan (Pingquan bedeutet Quelle in der Ebene) ein Brunnen zu sein, der kein Wasser führt. Die Anlage umfasst 25 Quadratmeter, wurde 2008 erbaut, stammt aus der Zeit des Kaisers Qianlong (1711 bis 1799) und liegt 450 Meter von unserem Hotel entfernt. Pingquan ist also der ideale Ort für Touristen in Zeitnot.

Wobei das mit der halben Stunde schon stimmte. Denn an einem so bedeutenden Bauwerk müssen natürlich Fotos geschossen werden. Die Leute vor dem Bauwerk müssen Aufstellung nehmen, zurecht gerückt werden, lächeln. Dann ist die nächste Kamera dran. Die Leute davor müssen Aufstellung nehmen, zurecht gerückt werden, lächeln. Got the picture? In der Galerie weiter unten sehen Sie, werter Leser, zum Glück nur eines der gefühlten 2.000 Bilder, die dort verschossen wurden.

Die Sightseeingtour erfolgreich beendet durften wir in Richtung unseres heutigen Tageszieles entschwinden. Die ersten 15 Kilometer weiterhin begleitet von unseren Radelfreunden aus Pingquan. Das war viel interessanter. Zum Beispiel unterhielt ich mich von Sattel zu Sattel mit Herrn Lu. Er erzählte mir von den Problemen, die China aktuell hat (nein, nicht der Konflikt mit Japan, sondern Umwelt und Korruption), und dass er 1989 als Soldat nach Beijing kommandiert wurde.
Klingelt es bei Ihnen, wenn die Stichwörter 1989, Soldaten und Beijing quasi in einem Atemzug genannt werden?

Den Rest der Strecke legten wir ohne unsere neu gewonnen Freunde zurück. Fast schon ereignislos. Wäre da nicht der silberne Kleinbus gewesen, der zunächst bei einer Rast an uns vorüber fuhr. Nach ca. 300 Meter stoppte er. Der Fahrer legte den Rückwärtsgang ein und fuhr – nun ja, was macht man im Rückwärtsgang? – zurück zu uns. Fahrer und Beifahrerin sprangen aus dem Minibus, öffneten die Heckklappe und wühlten in den Kartons, die im Wägelchen gestapelt waren. Hervor kamen vier Packungen mit je vier Mondkuchen. Eine Packung für jeden von uns, umsonst und draußen. Eine Wegzehrung für uns. Das Pärchen stieg nach erfolgreicher Verschenkung wieder in den Wagen und setzte seinen Weg fort. Diesmal wieder im Vorwärtsgang.

Zurück ließen sie uns fast sprachlos. Denn die ganze Aktion ging so schnell von statten, dass wir nicht mal Gelegenheit hatten anständig Danke zu sagen.

Unsere Dosis an Gastfreundschaft wurde heute mehr als gedeckt.


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Tage in Beijing III und IV

Transmongolia, 23.07. bis 23.09.2012

Besichtigung im Lamatempel, letzte Besorgungen, Verpacken der Räder und Abschlussessen.

Fast alles ist Getan auf dieser Tour. Wir tingeln noch durch den Lamatempel, das tibetisch-buddhistische Heiligtum der Stadt und genießen die verräucherte Atmosphäre. Wolfgang und Martina wollen noch einmal durch die Hutongs ziehen und ich organisiere das verpacken der Räder und den Transfer zum Flughafen und dann ist er auch schon da, der letzte Abend. Wir tafeln noch einmal im Hutong um die Ecke auf der Dachterrasse und essen wie in ganz China, viel zu viel.
Die Erinnerung schweifen ab zu unseren ersten tagen in Irkutsk und Sibirien, das gelage mit den Russen am Angaraufer, den Regen am Baikalufer, die satten grünen Hügel in der Nordmongolei, die Holperpisten durch die Gobi. Wir denken an unsere Begleiter Doro, Michael und Carola.

Gut sind wir über die 3400 Kilometer gekommen, um die 20.000 Höhenmeter sind wir geklettert und haben dabei nur drei Plattfüße gehabt. Die waren aber vor allen den Dornen in der Gobi geschuldet. Wolfgangs gerissene Felge hat bis zum Ende durchgehalten und ich habe nach schaltfreien 800 Kilometern einen neuen Schalthebel bekommen können.

Bleibt mir noch einmal Danke zu sagen für eine schöne Tour mit mehr als angenehmen Gästen und Danke für das Trinkgeld, wenn ich das wirklich alles vertrinken muss, dann erwartet die nächste Gruppe einen schweren Alkoholiker.
So hoffe ich natürlich nicht nur meine Teilnehmer auf anderen Touren wieder dabei zu haben, sondern auch, dass sich 2013 wieder ein paar mehr Reisende für eine unserer abwechslungsreichsten Touren begeistern zu können. Gerade auf dieser Tour prallen drei Welten aufeinander, da sind einmal Sibirien und die Russen, da sind die Mongolen und die unberührten Landschaften und da ist das vor Energie und Widersprüchen so strotzende China.
So anspruchsvoll die Etappen auch sind, haben wir jedoch nie die Lust am Radeln verloren, das Begleitfahrzeug hatte immer nur die Aufgabe unser Gepäck zu transportieren, aber es beruhigt natürlich ungemein, immer ein Backup zu haben.
Ich verabschiede mich für einen guten Monat von meinen Lesern, leider ist die Tibettour in diesem Jahr ausgefallen, aber ich freue mich daher umso mehr auf Burma und bis dahin werde ich hier einfach noch ein bisschen durch die Gegend tingeln, meine Lieblingschinesinnen besuchen, Yoga machen und meditieren. Also dann bis später

Tomtomtofu

Terrassenfelder – soweit das Auge reicht

Die Oberen Schluchten des Yangzi, 15.09. bis 07.10.2012

Von Walnut Garden nach Baoshan

Mit Sack und Pack fahren wir zur Fähre bei Daju und queren zum ersten Mal den Yangzi, der hier noch Goldsandfluss heißt. Anscheinend macht er hier seinem Namen alle Ehre, wir bestaunen die Goldwäscher und ich muss unwillkürlich über Wasserqualität nachdenken. Nach einer kurzen Bootsfahrt steigen wir wieder ins Auto um. Es wird immer wärmer, und einem nach dem anderen fallen die Augen zu. Rechtzeitig zum Beginn der Terrassen, die sich immer höher in den Berg ziehen, wachen wir auf und verlangen nach einem Fotostopp. Ich komme mir vor wie ein Pauschaltourist und freue mich um so mehr auf die morgige Wanderung.

Baoshan ist ein nettes Örtchen am Hang des Yangzi. Seine Geschichte reicht bis in die Mongolenzeit zurück. „Etwa 1270 sind hier etliche Eroberungsschlachten geschlagen worden“, erklärt uns ein Einheimischer, als wir die Steinfestung von Baoshan besichtigen (die erstaunlicherweise noch keinen Eintritt kostet), ein Aussichtsturm, der hoch über dem Fluss thront. Einige Zeichen auf der Eingangstafel sind uns Wanderern schon bekannt, eines davon ist natürlich der Berg. Im Ort hat es sich herumgesprochen, dass Ausländer angekommen sind – nicht zu Eroberungszügen, sondern um ein paar Tage zu wandern. Natürlich waren unsere Gepäckberge, auf Pferderücken vom Parkplatz durch das Dorf getragen, nicht zu übersehen.

Den restlichen Nachmittag verbringen wir bei einer netten Familie und betrachten das Hofleben. „Hier passen alle auf die Kinder auf, sogar die Männer“ bemerkt Irene erstaunt. Die Oma befreit Maiskolben von ihren Enden, ihre Tochter kocht, die Männer versorgen die Pferde – alle sind geschäftig und kümmern sich zwischendurch um den Kleinen. Nach einigen Minuten hat er die Angst vor uns abgelegt und freut sich über den Bartwuchs der Ausländer. Gut gesättigt fallen wir bald (müde vom Nichtstun) ins Bett.