Besuch bei der Präsidenten Familie

Land von Fisch und Reis, 01.09. bis 24.09.2012

Wuyuan nach Xiaoqi. 40 km

Für viele Leute klingt es schon skurril, wenn man sagt, dass man in seinem Urlaub ein Tag mit 40 km Fahrradfahren als einen Entspannungstag ansieht. So war es aber für uns. In knapp 3 Stunden waren die km weggestrampelt… auch inklusive eines Platten, wieder mal auf den letzten 6 km. Und schon kamen wir an in Xiaoqi, einem kleinen Museumsdorf, wo wir Eintrittskarten kaufen und Fingerabdrücke abgeben mussten. Da bekam ich doch ein bisschen Sorge, dass es nicht vielleicht wieder zu viel Museum und zu wenig Dorf ist, wie das neu hergerichtete Wuzhen. Die Fahrräder durften wir nicht mit durch das Haupttor nehmen, sondern mussten damit durch eine kleine Gasse quasi durch die Hintertür. Hier lauerte wieder an Mann mit einem Fingerscangerät. Hätte Andreas mich nicht vorgewarnt, so wäre ich vermutlich vom Fahrrad gefallen, so plötzlich wie er aus seinem Versteck geschossen kam und uns mit seinem futuristischen Gerät bedrohte. Die Befürchtung hatte sich aber keineswegs bewahrheitet. Klar waren Touristen hier und da. Das Dorf selber wirkte dennoch sehr authentisch und hatte durchaus seinen Charme.

Einige Gassen und verwinkelte Wege weiter kamen wir an unserer kleinen familiengeführte Unterkunft an. Frau Jiang und Herr Hong sorgten sich sofort um uns und bereiteten schon mal das Mittagessen vor. Ein Bier war auch schon kalt gestellt. Da haben die Vorgruppen mal wieder beste Arbeit geleistet. Im Museumsdorf tummelten sich einige Touristengruppen. Wir wollten daher lieber erst einmal das ruhigere Hinterdorf besichtigen. Frau Jiang hielt das für eine schlechte Idee bei der Hitze und versuchte uns das schnell wieder auszureden. Wir gingen trotzdem und wurden belohnt, erst mit einem netten kleinen Steinweg durch die Felder, und dann mit einem völlig Touristen-freien süßen Dorf entlang eines dahinplätschernden Baches. Hier hatten wir auch die Möglichkeit, unser erworbenes Wissen über die Tee-Herstellung auf die Maschinen älteren Baujahrs in einem kleinen Tee-Museum zu übertragen.

Wie gesagt… Heute ist Entspannungstag. Da kann man auch mal eine Tasse-Tee genießen und ein bisschen chinesisches Schach spielen. Allerdings waren Katharina und ich so schlecht, dass unsere Tutorin uns irgendwann kopfschüttelnd aufgegeben hatte.

Anschließend besuchten wir das Familienhaus der Vorfahren der wohlbekanntesten Persönlichkeit in der Gegend: Jiang Zemin. Der ehemalige Präsident setzte Deng Xiaopings Öffnungspolitik weiterfort und wird immer in Verbindung gebracht mit der rasanten wirtschaftlichen Entwicklung während der Jahrtausendwende. Das Haus seiner Vorfahren ließ erahnen welchen Einfluss bereits damals die Jiang Familie hatte: Eindrucksvolle Tore, Hallen und Seitenflügel zeugen von der ehemaligen Machtstellung des Clans. Selbst das Familienschild (im Prinzip das chin. Klingelschild) über dem Eingangstor ist von Lin Zexu, dem Held des Opiumkrieges höchstpersönlich, in Auftrag gegeben worden. Da Jiang Zemin aber nie selber hier lebte und ein paar Kilometer weiter geboren ist, gibt es nur einen kleinen netten Hinweis für die Touristen, die sich in das Hinterdorf verlaufen. Auch vom ehemalige Ruhm und Einfluss der Familie ist, zumindest in diesem Haus, nicht mehr viel übriggeblieben: Ein paar vergilbte Papiertafeln schildern die Dorfgeschichte; vor dem Eingangsbereich wurden Reiskörner und Auberginenfladen getrocknet.

Anschließend zurück ins Touridorf, 4 mal um den 1700 jährigen Glücksbaum rennen, ein paar hübsche Gassenfotos schießen und dann zurück zum Guesthouse. Herr Hong überraschte uns mit einem Abendprogramm der besonderen Art: An der Schule gab es heute ein Freiluftkino, organisiert von der Bezirksregierung, zur Aufwertung und Erfüllung des kulturellen Lebens der Dorfbewohner… so erklärte es uns einer der Veranstalter. Es lief natürlich ein Kriegsfilm über einen der vielen chinesisch-japanischen Kriege. So so… Erfüllung des kulturellen Lebens… Da haben wir Westler irgendwie eine andere Vorstellung von. Aber passt ja auch ins Bild, wenn man bedenkt, wie viel mediale Aufmerksamkeit die momentanen Streitigkeiten mit Japan um die Sentaku-Inseln in den Nachrichten zu sehen ist.

Die Enkelin von Herrn Hong war zu unserem Glück noch Klassensprecherin und damit Schlüsselverwalterin, sodass sie für uns auch noch eine Sonderführung durch die Schule machte und einen nächtlichen Einblick in ihr Klassenzimmer gewährte. Braves Mädchen! Kein Wunder, dass sie zur Klassensprecherin gewählt wurde.


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