Picknick bei Herrn Muzong

Auf den Spuren des Drachen, 08. bis 30.09.2012

„An besonders schönen Tagen ist der Himmel sozusagen wie aus blauem Porzellan.
Und die Federwolken gleichen weißen, zart getuschten Zeichen, wie wir sie auf Schalen sah’n“
*

Der heftige Gewitterregen von gestern Abend hat die Luft glasklar gewaschen, am Morgen weckt mich die Sonne, die in einem strahlend blauem Himmel steht: Kaiserwetter!

So muss es auch sein, denn heute wollen wir zu den Kaisern. Und zwar die der Ming-Dynastie.
Die Herrschaft der Ming liegt schon ein paar Jahre zurück, sie währte von 1368 bis 1644. Da selbst Kaiser nicht ewig leben (auch wenn sie das gerne täten) müssen wir uns also mit dem begnügen, was sie uns hinterlassen haben. Zum Beispiel ihre Gräber.

Davon gibt es in der Nähe von Beijing, genauer gesagt im „Tal der Kaiser“ wie meine Gruppe trocken feststellte, 13. Zwar regierten untern den Ming (die Südliche Ming nicht eingerechnet) insgesamt 16 Kaiser, aber zwei von ihnen wurden an einer anderen Stelle in China verschachert und einer gar nicht.
Das Grab eines Ming-Kaisers ist nicht etwa einfach Erdhaufen – Stein davor – fertig! Weit gefehlt, jedes Grab ist wie eine Palastanlage mit mehreren Gebäuden, einige Hektar groß und wie es sich für China gehört mit einer hohen Mauer drum herum. Dazu eine ausgezeichnete Lage mit bestem Feng Shui (zu Deutsch: unerschwingliche Immobilie) und reichlich Grabbeigaben für das Leben außerhalb dieser Welt: Gold und Geschmeide für den Wohlstand, Nippes und Kitsch für den täglichen Bedarf, Frauen und Konkubinen für… -äh- … zur Unterhaltung.

Von den 13 Gräbern der Ming-Kaiser sind im Laufe der Jahrhunderte die meisten verfallen, nur drei von ihnen wurden in den letzten Jahren aufwändig restauriert und sind nun öffentlich zugänglich.

Dies war mein Plan: Wir fahren mit den Rädern (natürlich, womit denn sonst?) um den Minggräber-Stausee, besichtigen zunächst den Seelenweg , decken uns darauf hin mit Proviant ein und machen ein zünftiges Picknick vor den Toren eines der nicht restaurierten und nicht zugänglichen Gräbern. Danach radeln wir weiter, besichtigen ein restauriertes Grab bevor es wieder um den Stausee zurück ins Hotel geht. Klingt doch gut, oder?

Natürlich kam es etwas anders. Schon auf dem Weg zum Seelenweg hatten wir uns kreativ verfahren. Und dabei ein schickes Seniorenheim entdeckt. Dann konnte ich das anvisierte „nicht restaurierte und nicht zugängliche“ Grab nicht finden. Dafür stießen wir auf die Grabanlage von Herrn Muzong (AKA Zhu Zaihou, AKA Zhuangdi, AKA Longqing, Kaiser von 1566 bis 1572). Nett restauriert, öffentlich zugänglich (gegen entsprechenden Eintritt) und noch besser: Tisch und Sitzgelegenheiten für ein zünftiges Picknick!

Also haben wir gepicknickt und besichtigt und den Rest meines Planes in den Wind geschossen. Zurück auf den Rädern haben wir somit die restlichen Gräber wortwörtlich links liegen gelassen und sind gemütlich zurück ins Hotel gefahren.

Fazit des Tages: Mit dem Fahrrad über Land!

* Erich Kästner


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Ein Tag der klugen Entscheidungen

Land von Fisch und Reis, 01.09. bis 24.09.2012

Lingbei nach Wuyi. Angedacht 106 km

Vorerst freuten wir uns über das heutige sonnige Wetter. Die Freude wich aber schon bald einem Stöhnen und Ächzen, als die ersten Steigungen kamen und man schweißgebadet froh war, wenn es wieder bergab ging. Bei km 40 beschlossen wir die Fahrt mit dem vollgepackten Drahteseln abzubrechen um anderweitig nach Wuyi zugelangen. Ein Brotauto (chin. Minivan) ließ sich schnell auftreiben. Die Ladeklappe weigerte sich aber unsere Räder mitzunehmen und ließ sich nicht öffnen. Nach ca. 45 min, als der Schlüssel dann den richtigen Grad der Verbiegung erreicht hatte, ging die Klappe dann doch noch auf und wir fanden geradeso genug platzt für alle Taschen, Fahrradteile und unsere Extremitäten. Das hat man sich irgendwie entspannter vorgestellt. Vermutlich passen da aber auch 20 Fahrräder plus 10 Mann rein, wenn man sieht, was und wie in China mit einem solchen Wagen transportiert wird. Die Fahrt dauerte dann aber doch länger als gedacht und Gelenke schonend, war die Fahrt schon gar nicht. Aber immerhin konnten wir mit Sicherheit davon ausgehen, dass wir heute alle ankommen. Es stellte sich heraus, dass unser Fahrer, ebenso wie Martin, ein ehemaliger Tischler war. Er kannte sich auch bestens aus und konnte die sonst recht langweilige Fahrt mit seinen Erläuterungen zumindest etwas interessanter machen.

Das Hotel in Wuyi war in einem Kaufhaus integriert und man riet uns, auf Grund von mangelnden Parkmöglichkeiten, die Fahrräder mit auf die Zimmer zu nehmen. Platz gab es genug. Sein tägliches Gefährt neben seinem Bett zu haben hatte auch eine gewisse beruhigende Wirkung.

Ausgehungert wie wir waren, machten wir uns direkt nach dem Einchecken auf die Suche nach was Essbarem. Es ließ sich schnell ein Wantan-Laden in der Altstadt-Gasse auftreiben. Wie wir so saßen und unsere Teigtaschen genüsslich verspeisten zog ein großes Gewitter auf. Zu unserem Glück aber saßen wir noch im Trockenen und konnten der Chefköchin beim Wantan-Kneten zu sehen. Dabei wirkten ihre Hände so flink wie die eines Hütchenspielers und wir baten sie, den Vorgang einmal in Zeitlupe vorzuführen, damit wir sicher gehen konnten, dass auch ja keine Trickserei mit im Spiel war.

Abends entschieden wir uns für einfache lokale Küche und probierten Frosch, Moosgemüse und Schlammfische. Die Schlammfische… naja… der Name ist wohl Programm. Frosch und Moosgemüse waren aber durchaus eine Entdeckung! Neben dem tollen Essen war besonders der Koch eine wirkliche Attraktion. Alle waren wir gefesselt von seiner hohen Kunst, wie er mit nur einer Kelle alles machen konnte, von Braten, Kochen, Würzen, Zutaten hinzufügen, Wasserhahn bedienen… Sie wirkte wie sein dritter Arm. Wie ein Pyromane beherrschte er die Flamme, die sich immer wieder meterhoch in die Luft schraubte. Dazu ein heftiges Gewitter – und die Kulisse für den jungen Showkoch war perfekt.


Wie ein Schwalbennest…

Transmongolia, 23.07. bis 23.09.2012

6 Kilometer zum Xuan Kong Si vor der Stadt, Besichtigung des Hängenden Klosters und Ruhetag bei zu kaltem, wolkigen Wetter und Sturmböen.

Über Nacht hat es sich merklich abgekühlt und am Morgen war noch etwas Sonne, aber der Himmel zieht schnell zu und bei höchstens 11 Grad kommen wir schnell ordentlich ins frieren. Dabei steht heute nur ein Abstecher auf dem Programm.

Weltberühmt ist das Schwebende/Hängende Kloster bei Hunyuan. Irgendwann in der Han Dynastie wollte ein Mönch seine Ruhe haben und hat sich mitten in einer steilen Felswand eine kleine Klause errichtet, einziger Zugang per Seil von oben, Versorgung über Seil nach unten. 600 Jahre hatte er dann seine Ruhe, dann wurde aus der Klause eine Anlage, die systematisch erweitert wurde. Akrobatisch, auf langen dünnen Holzbalken ruhend, „klebte“ man ein Tempelchen nach dem anderen an die Wand, verbunden mit steilen Treppchen und Leitern.

Heute ist es vorbei mit der Ruhe am Hängenden Kloster, denn als eine der Hauptattraktionen in der Provinz werden täglich mehrere tausend Touristen über die schmalen Treppen durch den Tempel gescheucht. Ab 11 Uhr herrscht überall Stau, blockiert von einigen Leuten, die sich aufgrund von Höhenangst partout keinen Schritt mehr vorwärts oder rückwärts bewegen wollen oder können. Sehenswert ist und bleibt der Tempel trotzdem immer noch und zwar aus allen Perspektiven, vom Taleingang in der Mitte der schroffen Steilwand oder von oben auf der, scheinbar, wackeligen Holzkonstruktion mit 45 Metern Luft unter den Füßen.

Leider war der Rundgang nichts zum Aufwärmen und so beschließen wir den Hengshan Berg, der sich ein paar Kilometer weiter befindet und ein daoistisches Heiligtum ist, auf den morgigen Tag zu verschieben.

Mir ist es ganz recht, denn bei der Abfahrt gestern habe ich mich ordentlich verkühlt und huste und spucke, wie ein richtiger Chinese um die Atemwege wieder frei zu bekommen. Martina und Wolfgang genießen die Atmosphäre in der quirligen kleinen Stadt, durch die Modernisierungswalze noch nicht hindurch gekommen ist. Abends enden wir dann in dem kleinen Lokal, in dem wir gestern schon sehr gut gegessen haben und im vergangenen Jahr auch, da waren wir an drei Tagen hintereinander nur in diesem Lokal und auch in diesem Jahr konnten die Wirtin und ihr Mann in der Küche wieder komplett überzeugen, deshalb werden die drei Sterne für chinesische Hausmannskost mit Begeisterung wieder vergeben.