Auf nach Yunnan

Die Oberen Schluchten des Yangzi, 15.09. bis 07.10.2012

Heute stand der Transittag in den Südwesten an. Nach zwei Flügen, einiger Verspätung und einem Zwischenstopp im brandneuen Kunming Airport kommen wir am späten Nachmittag in Lijiang an. Auf der Fahrt in die Stadt fahren wir vorbei an Reis- und Maisfeldern, Tabakanbau und vielen kleinen Dörfern. Die Autobahn ist in diesem Jahr auch fertig geworden, aber anscheinend benutzen die Einheimischen doch lieber die hier parallel verlaufende Landstraße. „Die Maut ist ganz schön teuer, und auf dem alten Weg sind wir fast genauso schnell da“ meint unser Fahrer. Den restlichen Tag verbringen wir damit, durch die Altstadtgässchen zu schlendern und zu staunen. Dazu mehr, wenn wir nach der Wanderung hier einen Ruhetag einlegen.

Auf der siebentägigen Wanderung, die morgen startet, bewegen wir uns hauptsächlich fernab jeglicher Zivilisation. Keine Hupen, keine Shops und rivalisierende Diskotheken, aber auch kein Internet. Der nächte Blogeintrag wird also etwas auf sich warten lassen. Was wir uns jetzt wünschen würden, ist wenig oder lieber gar kein Regenwetter, drückt uns mal die Daumen.

Dra Chanasan und eine unbekannte Stadt

Auf den Spuren des Drachen, 08. bis 30.09.2012

96 Kilometer von Jinshanling nach Chengde, schicker Schnitt von 17,1 km/h.

So sieht ein perfekter Arbeitstag aus: Am Vormittag schuften, um dann ab 11:30 Uhr von den Früchten der vormittäglichen Arbeit zu leben. Genau so haben wir es heute gemacht. Angesichts der fast 100 Kilometer langen Strecke legen wir die bisherige Morgenroutine kurzerhand um eine Stunde nach vorne. Also Frühstück schon um sieben, Abfahrt bereits um acht. Eine kurze Abfahrt bis zur Hauptstraße, dann geht es hoch zur höchsten Erhebung auf der heutigen Etappe. Den Pass, ich sagte es schon, erreichen wir um halb zwölf. Was dann folgte waren 40 Kilometer Abfahrt. Nicht steil, gerade so, dass wir die Landschaft noch genießen können und durch leichtes Mittreten locker immer um die 25 km/h erreichen. Den kleinen Zipfel bei Kilometer 80, den Sie da unten im Höhenprofil sehen, haben wir recht locker quasi durch ausrollen genommen. So fix wie heute waren wir auf der Tour noch nicht unterwegs. Und werden es auch nicht mehr sein.

Vor zwei Tagen ist uns eine Meute chinesischer Radtouristen entgegen gekommen. Das waren so an die 10 Radler. Heute treffen wir auf drei Herren gesetzten Alters, mit makellosem Outfit und schmucken Tourenräder, die ebenfalls auf ihrem Weg nach Chengde sind. Und noch weiter wollen, nämlich in den Nordosten, in die Mandschurei. Mal überholen wir sie, wenn sie ein Päuschen einlegen, mal überholen sie uns, wenn wir am Straßenrand verschnaufen. Immer wenn die drei mal (wieder) auf sich warten lassen fragt P ganz besorgt „Wo bleiben denn die dra Chanasen?

Um halb vier rollen wir in Chengde ein. Wäre da nicht der Fluss gewesen, an dem Chengde liegt, und hätte mein GPS-Empfänger nicht bestätigt, dass wir auf dem richtigen Kurs sind, ich hätte schwören können, dass wir uns verfahren haben.
In Chengde war ich das letzte Mal vor drei Jahren. Damals war die Einfahrt in die Stadt noch beschaulich und übersichtlich. Jetzt aber ragen fertige und halbfertige Wohntürme mit Baukränen bereits mehrere Kilometer vor dem Stadtzentrum in den Himmel und wollen scheinbar den umliegenden Bergen Konkurrenz in Sachen Höhe machen. In der Innenstadt wurden die Uferstraßen verschönert und begrünt. Der Boom ist enorm. Aber eigentlich hätte mich das nicht verwundern dürfen, schließlich verändert sich China überall rasend schnell.


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Tage in Beijing I

Transmongolia, 23.07. bis 23.09.2012

Besichtigungsprogramm in Beijing mit Himmelstempel, Kaufhaus des Großen Glücks, Platz des Himmlischen Friedens, Trommelturm und Hutongs.

Nun also der Ausklang in Beijing. Ich bin immer wieder gern hier, schließlich habe ich mehr als ein Jahr hier gelebt und kenne die Stadt recht gut. Allerdings gehe ich trotzdem immer mit dem Stadtplan los, denn wie das ganze Land, ist auch die Hauptstadt ständiger Veränderung unterworfen.
Wir haben uns heute noch einmal aufs Rad geschwungen und erobern die Stadt auf zwei Rädern. Im Vergleich zu anderen Metropolen lässt es sich hier sehr gut radeln, überall gibt es mehr oder weniger gut ausgebaute Radspuren und der Verkehr läuft zwar manchmal etwas disziplinlos, aber wesentlich langsamer als in Berlin.

Gewöhnen muss man sich vor allem daran, dass Autofahrer gnadenlos rechts abbiegen (dürfen), egal ob die Ampel rot oder grün ist. Dabei herrscht das Prinzip des Stärkeren. Als Wolfgang einem solchen Abbieger einen Klaps aufs Autodach versetzt, ist dieser ziemlich ungehalten und beendet sogar sein Telefonat, um wild zu gestikulieren. Womit der aber nicht gerechnet hat ist, ich kann auf richtig niedrigem Niveau zurück schimpfen, zur Freude einiger umstehender Chinesen, die grinsend beipflichten, während der Fahrer erbleicht und nach Worten ringt. Ich glaube zwar nicht, dass dies wesentlich zur Verkehrserziehung beiträgt, aber der eigene Frust lässt sich dabei hervorragend abbauen und das ist doch schon einmal was.

So erreichen wir den Tian Tan Tempel, dieser ist mit seinem runden blauen Dach das Wahrzeichen der Stadt und meine Lieblingssehenswürdigkeit. Vor allem wegen des Drumherums. In dem Park vor dem Tempel treffen sich nämlich die Rentner der Stadt zum Stricken, Häkeln, Tanzen, Sport treiben, Karten spielen, Dating und was weiß ich nicht alles. Und das ist wie immer sehr interessant anzusehen. Vor allem erstaunt, wie fit die Leute sind, an Kraftsportgeräten sieht man gestählte Körper, 65 Jahre alt, perfekt ausgebaute Muskulatur und kein Gramm Fett, die machen olympiareife Darbietungen am Reck und dazwischen Yoga. Spagat ist dabei nicht das Ziel, sondern der Ausgangspunkt der Übungen!
Interessant ist schon die Struktur der Tempelanlage, ein Kreis über einem Quadrat, der Himmel über der Erde, die Symbolik für das alte chinesische Weltbild.

Der schönste Tempel ist die Halle des Erntedanks, eben jener große runde dreistufige Tempel mit dem blauen Dach. Auf gewaltigen Säulen ruhend wurde der Tempel um 1420 vom Yongle Kaiser errichtet und natürlich später noch ein paar Male umgestaltet. Mit vielen Chinesen lassen wir uns natürlich auch hier wieder ablichten.
Vom akkustischen Effekt des zweiten Tempels, der von einem Echowall umgeben ist, lässt sich natürlich bei den Touristen nichts wahrnehmen. Wenn man auf der einen Seite gegen die Wand flüstert, soll man es auf der anderen Seite hören können. Das probieren die Chinesen natürlich zu Dutzenden gleichzeitig aus und der Effekt ist ähnlich. Wenn man auf der einen Seite gegen die Wand schreit, kann man es natürlich 50 Meter weiter auf der anderen Seite auch hören, es hat aber mit dem Echo-Effekt nix mehr zu tun.
Letzter Höhepunkt im Himmelstempel ist der Mittelpunkt der Erde. Der Mittelstein des Opferaltars ist deshalb bei den Chinesen besonders beliebt für ein Foto. Auch wir stellen uns an und machen uns einen Spaß daraus, einmal der Mittelpunkt der Welt zu sein. Wer sich fragt, wo denn der gegenüberliegende Mittelpunkt der Erde liegt, der bekommt hier die Antwort: In einer kleinen Stadt in Sachsen namens Pausa! Da guckt nämlich auf dem Bahnhofsvorplatz ein Teil der Erdachse aus dem Boden.

Nach einem Gourmetkaffee vor dem Großen Kaufhaus des Glücks, so habe ich den Hong Qiao Markt getauft, toben wir durch die vier Etagen. Hier gibt es alles zu kaufen, was man nur kopieren kann. Von der Unterhose bis zum i-Pad, vom Turnschuh bis zum Laserpointer, lediglich die Perlen in der Schmuckabteilung sollen echt sein, aber das kann ich nicht einschätzen. Aber das Kaufhaus ist ein Erlebnis, auch wenn ich nur mit einem Ersatz meiner zerbrochenen Sonnenbrille wieder herauskomme. Handeln ist natürlich ein MUSS und der Preis lässt sich mitunter um 70 Prozent herunterhandeln.

Auf dem Rückweg drehen wir dann unsere Runde mit dem Rad über den Platz des Himmlischen Friedens. Zum ersten Male will man uns nicht mit den Rädern unters Mao Porträt lassen, aber die Polizei lässt sich beschwatzen und ein Polizist höchstselbst macht unsere glorreichen Bilder! Gemütlich radeln wir dann um die Verbotene Stadt herum, am Kohlehügel und dem Beihai vorbei und dann durch die Hotongs, die alten Stadtviertel von Beijing, bis wir schließlich am Trommelturm ankommen. Viertel vor Fünf gibt es hier eine Vorführung auf den 18 großen Trommeln, die dauert zwar nur fünf Minuten, aber das kleine Konzert ist beeindruckend und immer wieder zu empfehlen.

Abends genießen wir dann eine scharfe Spezialität aus Sichuan, den Feuertopf. Wir sitzen schwitzend in dem engen Lokal über der scharfen Brühe und werfen viel Gemüse und Fleisch in den Topf, das Prinzip ist ähnlich wie beim Fondue. Die Einlagen garen in der superscharfen Brühe und werden mit einem Sesamdip gegessen. Weil es so schön scharf und heiß ist, braucht man dazu Unmengen kalten Biers.

Besuch bei der Präsidenten Familie

Land von Fisch und Reis, 01.09. bis 24.09.2012

Wuyuan nach Xiaoqi. 40 km

Für viele Leute klingt es schon skurril, wenn man sagt, dass man in seinem Urlaub ein Tag mit 40 km Fahrradfahren als einen Entspannungstag ansieht. So war es aber für uns. In knapp 3 Stunden waren die km weggestrampelt… auch inklusive eines Platten, wieder mal auf den letzten 6 km. Und schon kamen wir an in Xiaoqi, einem kleinen Museumsdorf, wo wir Eintrittskarten kaufen und Fingerabdrücke abgeben mussten. Da bekam ich doch ein bisschen Sorge, dass es nicht vielleicht wieder zu viel Museum und zu wenig Dorf ist, wie das neu hergerichtete Wuzhen. Die Fahrräder durften wir nicht mit durch das Haupttor nehmen, sondern mussten damit durch eine kleine Gasse quasi durch die Hintertür. Hier lauerte wieder an Mann mit einem Fingerscangerät. Hätte Andreas mich nicht vorgewarnt, so wäre ich vermutlich vom Fahrrad gefallen, so plötzlich wie er aus seinem Versteck geschossen kam und uns mit seinem futuristischen Gerät bedrohte. Die Befürchtung hatte sich aber keineswegs bewahrheitet. Klar waren Touristen hier und da. Das Dorf selber wirkte dennoch sehr authentisch und hatte durchaus seinen Charme.

Einige Gassen und verwinkelte Wege weiter kamen wir an unserer kleinen familiengeführte Unterkunft an. Frau Jiang und Herr Hong sorgten sich sofort um uns und bereiteten schon mal das Mittagessen vor. Ein Bier war auch schon kalt gestellt. Da haben die Vorgruppen mal wieder beste Arbeit geleistet. Im Museumsdorf tummelten sich einige Touristengruppen. Wir wollten daher lieber erst einmal das ruhigere Hinterdorf besichtigen. Frau Jiang hielt das für eine schlechte Idee bei der Hitze und versuchte uns das schnell wieder auszureden. Wir gingen trotzdem und wurden belohnt, erst mit einem netten kleinen Steinweg durch die Felder, und dann mit einem völlig Touristen-freien süßen Dorf entlang eines dahinplätschernden Baches. Hier hatten wir auch die Möglichkeit, unser erworbenes Wissen über die Tee-Herstellung auf die Maschinen älteren Baujahrs in einem kleinen Tee-Museum zu übertragen.

Wie gesagt… Heute ist Entspannungstag. Da kann man auch mal eine Tasse-Tee genießen und ein bisschen chinesisches Schach spielen. Allerdings waren Katharina und ich so schlecht, dass unsere Tutorin uns irgendwann kopfschüttelnd aufgegeben hatte.

Anschließend besuchten wir das Familienhaus der Vorfahren der wohlbekanntesten Persönlichkeit in der Gegend: Jiang Zemin. Der ehemalige Präsident setzte Deng Xiaopings Öffnungspolitik weiterfort und wird immer in Verbindung gebracht mit der rasanten wirtschaftlichen Entwicklung während der Jahrtausendwende. Das Haus seiner Vorfahren ließ erahnen welchen Einfluss bereits damals die Jiang Familie hatte: Eindrucksvolle Tore, Hallen und Seitenflügel zeugen von der ehemaligen Machtstellung des Clans. Selbst das Familienschild (im Prinzip das chin. Klingelschild) über dem Eingangstor ist von Lin Zexu, dem Held des Opiumkrieges höchstpersönlich, in Auftrag gegeben worden. Da Jiang Zemin aber nie selber hier lebte und ein paar Kilometer weiter geboren ist, gibt es nur einen kleinen netten Hinweis für die Touristen, die sich in das Hinterdorf verlaufen. Auch vom ehemalige Ruhm und Einfluss der Familie ist, zumindest in diesem Haus, nicht mehr viel übriggeblieben: Ein paar vergilbte Papiertafeln schildern die Dorfgeschichte; vor dem Eingangsbereich wurden Reiskörner und Auberginenfladen getrocknet.

Anschließend zurück ins Touridorf, 4 mal um den 1700 jährigen Glücksbaum rennen, ein paar hübsche Gassenfotos schießen und dann zurück zum Guesthouse. Herr Hong überraschte uns mit einem Abendprogramm der besonderen Art: An der Schule gab es heute ein Freiluftkino, organisiert von der Bezirksregierung, zur Aufwertung und Erfüllung des kulturellen Lebens der Dorfbewohner… so erklärte es uns einer der Veranstalter. Es lief natürlich ein Kriegsfilm über einen der vielen chinesisch-japanischen Kriege. So so… Erfüllung des kulturellen Lebens… Da haben wir Westler irgendwie eine andere Vorstellung von. Aber passt ja auch ins Bild, wenn man bedenkt, wie viel mediale Aufmerksamkeit die momentanen Streitigkeiten mit Japan um die Sentaku-Inseln in den Nachrichten zu sehen ist.

Die Enkelin von Herrn Hong war zu unserem Glück noch Klassensprecherin und damit Schlüsselverwalterin, sodass sie für uns auch noch eine Sonderführung durch die Schule machte und einen nächtlichen Einblick in ihr Klassenzimmer gewährte. Braves Mädchen! Kein Wunder, dass sie zur Klassensprecherin gewählt wurde.