Plantschen im Pilanha-Becken

Land von Fisch und Reis, 01.09. bis 24.09.2012

Suichang nach Hushan. 52 km

Wie heißt es so schön? „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen.“ Naja… sagen wir mal, wir mussten Kräfte tanken um die morgige Königsetappe angehen zu können. Dazu ging es zu den Heißen Quellen in Hushan. Bereits der Weg dorthin führte an Bergen und Seen vorbei und ließ einen ein wenig entspannen. Das Hotel war bald erreicht und nach einer kurzen Einführungsrunde von Frau Wu zu dem Quellenbad und schönsten Fotostellen Hushans zog es zumindest 3 von uns ins Wasser.

Das Bad war nicht schlecht, es gab ein großes Schwimmbecken und 3 zusätzliche Becken mit jeweils verschieden Kräutern, die verschiedene körperliche Defizite entgegenwirken sollten, wie etwa Magen- und Darmbeschwerden, Hautproblemen, aber natürlich auch Impotenz oder vorzeitige Ejakulation. Da schaut man lieber erst links und rechts schauen ob die Luft rein ist, bevor man hinein steigt. Der Hammer aber waren die 3 Becken mit Putzerfischen, die sobald man auch nur einen Fuß ins Wasser hielt angeschwommen kamen und einem die toten Hautschuppen vom Körper nagten. Vielleicht kennen einige diese sogenannte Fisch-Spa. Meistens beschränkt sich die Behandlung jedoch auf die Füße. Hier konnte man sich allerdings komplett reinlegen und sich von Kopf bis Fuß anknabbern lassen. Das kostete einiges an Überwindung, denn wer nicht kitzelfrei ist, der hielt es nicht lange mit den totes Menschenfleisch fressenden Fischen aus. Hat man sich jedoch ein wenig dran gewöhnt, wurde es recht angenehm. Zu angenehm möchte man meinen, denn Martin und Anke wurden, zwar nicht bis auf die Knochen, aber immerhin blutig genagt von den hungrigen Killer-Fischen.

Eine anschließende Desinfektion im Becken mit Zusätzen von Bambuskohle, dem hiesigen Wunderheilmittel, kam da grade gelegen. Zum Abschluss noch ein zwei Saunagänge und wir waren gerüstet für die Königsetappe.


Erster sein

Auf den Spuren des Drachen, 08. bis 30.09.2012

22 km mit dem Fahrrad vom Laqianshan Hotel zum Yunmeng Xianjing Hotel, 6 km Wanderung zum Bai-Fluss und zurück. Viel Sonne, aber morgens und abends könnte es gerne wärmer sein.

China ist das Land der Superlative. Damit meine ich jetzt nicht Bevölkerung, Fläche, Wirtschaft oder der gleichen. Ich meine die vielen kleinen Superlativen, von denen es fast in jedem Kreis eines gibt. Und zwar etwas, was es dort als erstes auf der Welt gibt. Auf Chinesisch heißt das dann 天下第一, also „der/die/das erste unter dem Himmel„. In Shanhaiguan zum Beispiel, wo unsere Radtour enden wird, gibt es den 天下第一关, den „Erster Pass unter dem Himmel“. Anderswo gibt es den ersten Berg, den ersten Wasserfall, den ersten See, den ersten… lassen Sie Ihrer Phantasie ruhig freien Lauf.

Wo wir heute gelandet sind ist man etwas bescheidener. Dort, am Bai Fluss bei Liulimiao, heißt es nur „Erste Raftingstelle von Beijing“ (北京第一漂). „Unter dem Himmel“ wäre auch sehr übertrieben gewesen, denn der Bai Fluss plätschert hier etwas müde vor sich hin, die abenteuerwilligen chinesischen Touristen werden mit Schwimmwesten und kleinen Stechpaddeln in Gummiboote aus der Spielwarenabteilung gesetzt und treiben dann hilflos den Fluss hinunter, weil ihnen niemand gezeigt hat wie man das Boot vernünftig steuert.

Leider habe ich das Spektakel regelrecht verschlafen, daher gibt es von mir auch keine Fotos davon.

Wir waren am Morgen mal wieder um neun Uhr gestartet, wie es inzwischen unsere Routine ist. Die 22 Kilometer haben wir gemächlich hinter uns gebracht, zumal wieder einige knackige Steigungen dabei waren. Zum Glück, denn wie schon gesagt ist es morgens immer recht frisch, und so wärmt jeder Antritt nach oben.

Hotel bezogen, Mittag gegessen und dann die Wanderung durch eine Schlucht zum Bai Fluss unternommen. Ganz nett sich mal wieder für rund 6 Kilometer die Füße vertreten zu können. Die Schlucht hat zwar nicht die Bezeichnung „Erste Schlucht unter dem Himmel“ verdient (und trägt sie auch nicht, die gibt es bestimmt irgendwo anders in China), aber das eine oder andere lauschige Plätzchen hat sie durchaus zu bieten.

Am Fluss angekommen habe ich mir besagtes Nickerchen gegönnt.


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Der lange Marsch

Transmongolia, 23.07. bis 23.09.2012

152 Kilometer von Yuxian nach Kangzhuang, 800 Höhenmeter bei optimalen Bedingungen und sonnigen 20 Grad

Da wir heute unseren letzten langen Tag haben brechen wir recht zeitig auf und lassen unser „kleines Paris“ hinter uns. Heute ist noch einmal ein optimaler Radeltag, die Sonne scheint, aber es sind nur angenehme 18 Grad. Obwohl die Straße fast eine Autobahn ist, gibt es nicht all zu viel Verkehr und man kommt gut voran.

Langsam kommen wir ja in die Umgebung der Hauptstadt, doch davon merkt man eigentlich recht wenig. Es gibt immer noch viele kleine Dörfer und die ganze Region ist sehr landwirtschaftlich. Vor allem wird Mais angebaut. Recht bergig ist es auch, aber die Straße verläuft nur gemütlich ansteigend im Tal entlang.

Zum Mittag hatte ich ein richtig mieses Lokal im Auge, zu dem es keine Alternative gibt und dort ziehen wir auch ein. Aber statt einer lausigen Nudelsuppe können wir drei oder vier richtig gute Gerichte ordern und sind mehr als zufrieden. Vielleicht hat das meckern im letzten Jahr geholfen.
Nach dem dicken Essen schleppen wir uns auf einen kleinen Pass noch einmal 300 Höhenmeter nach oben, danach geht es richtig bergab in einen weiten Talkessel. Die Temperatur steigt noch einmal ordentlich an und auch die Landwirtschaft hier ist viel abwechslungsreicher. Neben dem Mais wird auch sehr viel Obst angebaut, vor allem Wein. Und man versucht sich auch in der Produktion besserer Tropfen, einigen der Güter hat man französische Namen gegeben, na gut, wir sind ja auch nur einen Tagesritt von „Klein Paris“ entfernt.

Unten im Tal liegt dann der Guanting-Stausee, oder das was davon übrig geblieben ist. Viel Wasser plätschert nicht in dem einstmals recht großen See. Dafür hat der Bauwahnsinn aber zugeschlagen. Über mehrere Kilometer am See errichtet man Satellitenstädte und Siedlungen für Neureiche. Riesige Villenviertel werden aus dem Boden gestampft. Die gegend ist zwar nett, aber eigentlich kann man nicht viel machen, der See liegt ein oder zwei Kilometer weg, die Berge rundherum sind eher karg und laden auch nicht zu langen Wanderungen ein und die nächsten Städte liegen alle eine knappe Autostunde weg. Die Baustellen machen deshalb einen eher trostlosen Eindruck und würden mich eher abschrecken. Ich bin wirklich gespannt, wie sich die Gegend hier entwickelt.

Da unsere Übernachtung im letzten Jahr nicht so toll war, hatten wir beschlossen, in diesem Jahr einen neuen Platz zu suchen. In dem kleinen Ort in der Nähe des Sees sieht es aber gar nicht gut aus, das einzige Hotel am Ort wird umgebaut und hat deshalb geschlossen. Obwohl wir schon 140 Kilometer in den Beinen haben, fällt der Entschluss noch 15 Kilometer weiter bis in die nächste Stadt zu radeln, nicht zu schwer. Dort finden wir dann auch recht schnell eine passende Unterkunft und haben morgen dann einen kürzeren Tag vor uns.
Entgegen meiner Gewohnheit, nicht in Hotelrestaurants zu essen, tun wir das heute doch einmal, denn zu einem längeren Spaziergang haben wir keine Lust mehr. Und auch hier werden wir positiv überrascht, vor allem die Lammrippchen, gegrillt nach Art des Hauses, waren ein Traum.

Am Abend stelle ich fest, dass wir ganz nebenbei auch die längste Tagesetappe der Tour gefahren sind, wir haben die Ausfahrt aus Ulaan-Baatar in die Steppe noch um einen Kilometer getoppt.

La Tour Eiffel de petite Paris en Chine

Transmongolia, 23.07. bis 23.09.2012

96 Kilometer von Hunyuan nach Yuxian, 560 Höhenmeter bei sonnigen aber kühlen 16 bis 20 Grad

Rund um Beijing gibt es genug Landschaften für lange Fahrradtouren, die einen mehrere Wochen beschäftigen können. Touristisch wirklich erschlossen sind vor allem die Gebiete nördlich von Beijing, entlang der Großen Mauer bis hin zum Gelben Meer. („Kaiserliches China“). Doch landschaftlich ist es in die östliche Richtung ebenso schön, dafür hat man weniger Verkehr, wenige Touristen und so gut wie keine Ausländer. Dafür gibt es links und rechst der Straße schöne kleine Dörfer und ab und an steht auf den Hügeln noch der Lehmsockel eines alten Signalturms. Überall sind die Bäuerlein auf den Feldern, auf denen vor allem Mais angebaut wird und auf der Straße wird man ab und an von einem Eselskarren und dessen Lenker bestaunt. Ansonsten passiert nicht viel an diesem Tag durch die leichte Berglandschaft westlich von Beijing.
Eine Überraschung bietet dann unser Zielort. Schon von weitem erkennt man den Fernsehturm im Zentrum der Stadt, es ist wie ein Dejavu, diese Stahlkonstruktion habe ich doch schon einmal irgendwo gesehen, allerdings ein bisschen größer. Hinter diesem kleinen Eiffelturm befindet sich eine belebt Geschäftsstraße mit viel kleinem Handel und weiter hinten liegt eine nette kleine Altstadt mit richtig viel Leben. In zwei Dingen unterscheidet sich die Stadt vom „richtigen“ Paris, es gibt keine Baguettes und Käse und niemand spricht Französisch. Zurück von unserem Stadtbummel wird es langsam dunkel und der Turm ist mit bunten flackernden Neonlichtern erleuchtet, auf dem zentralen Platz erschallt laute Musik und es wird gesungen. Eine Gruppe in rot gekleidete Frauen singt neben chinesischen Volksliedern auch Hymnen an den Großen Vorsitzenden Mao Zedong. Das Interesse der vielleicht dreihundert Leute drumherum ist groß, uns reichen 10 Minuten des Gesangs in schrillsten Tönen. Pünktlich um 22 Uhr wird die Musik ausgeschaltet und die Bürgersteige werden hoch geklappt, dann ist es ruhig bis morgens um 6 Uhr, wenn die Beschallung für die zahlreichen Frühsportler auf dem Platz wieder hoch gefahren wird.

Lydia, das Seil hängt durch!

Auf den Spuren des Drachen, 08. bis 30.09.2012

51 Kilometer von Huanghua zur Ferienanlage Laqianshan bei Liulimiao, ganz viele Höhenmeter bei viel Sonne und ein paar Wolken.

1999 war die Geburtsstunde unserer Radtour Kaiserliches China, deren Verlauf wir noch ein paar Tage folgen werden, bevor es für uns dann weiter nach Osten geht. Die Reise hatten Volker und ich anhand schlechter chinesischer Karten ausgearbeitet (Google Maps, Google Earth und all die anderen Internet-Hilfsmittel gab es damals noch nicht!) und als Pilottour ausgeschrieben. Es fanden sich tatsächlich vier Teilnehmer, die sich auf das Abenteuer einlassen wollten.

Ein echtes Abenteuer, denn außer unserer groben Planung mit dem besagten Kartenmaterial wussten wir so gut wie nichts. Wir wussten nichts über die Beschaffenheit der Straßen, wussten nichts über die topografischen Verhältnisse und wussten nicht, wo wir übernachten würden. Wir wussten nicht mal, ob es in den von uns angedachten Übernachtungsorten ein Hotel gab. Keine Unterkunft war vorreserviert. In Fachkreisen nennt man eine solche Unternehmung Himmelfahrtskommando.

Unsere vier Teilnehmer 1999 (Lydia, Ulrich, Norbert und Renate) waren zum Glück darauf vorbereitet und eingestellt. Nun ja, Lydia war nicht so richtig darauf eingestellt, denn sie hatte zuvor noch nie eine Radreise unternommen, hatte davor ohnehin eher selten auf dem Rad gesessen. Ihr Freund Ulrich hatte sie zu der Reise überredet. Die beiden waren damals übrigens nicht im Sturm und Drang Alter, sondern Best Agers, wie man es heute sagen würde.

Lydia hatte also ihre Schwierigkeiten Steigungen mit dem Fahrrad zu bewältigen. Ulrich hingegen dafür das Hilfsmittel: Ein Seil. Verwendet als Abschleppseil verband er damit an steilen Abschnitten ihr und sein Fahrrad und er schob im Laufen beide Räder kräftig nach oben, während sie nur dafür sorgen musste, dass ihr Rad nicht das Gleichgewicht verlor. Manchmal jedoch schob Lydia mit, dann kam prompt von vorne der Ausruf „Lydia, das Seil hängt durch“. Besonders auf unserem heutigen Abschnitt. Aber ich schwelge schon wieder und schweife in Erinnerungen ab.

Dabei hatten wir heute eine phantastische Etappe! Meine Teilnehmer waren in jeder Hinsicht besser vorbereitet. Die Strecke war ausreichend bekannt und wurde entsprechend kommuniziert. Außerdem waren wir mit besseren Rädern unterwegs (damals von der Stange gekauft, heute eine Spezialanfertigung für China By Bike). Die rund 1.000 Höhenmeter haben wir zwar nicht mühelos erklommen, aber recht entspannt. Wir hatten (weiterhin) schweißtreibende Anstiege und rasante Abfahrten. Und nun überwiegend auf Flüsterasphalt. Das war 1999 noch anders. Geblieben hingegen ist der Verkehr mit nur sehr wenigen Kraftfahrzeugen auf der ganzen Strecke. So soll es bleiben!

Diesen Blogeintrag widme ich Lydia und Ulrich.


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Die deutsche Pumpe und der chinesische Tee

Land von Fisch und Reis, 01.09. bis 24.09.2012

Sonyang nach Suichang. 40 km

Radfahrtechnisch war heute eher entspanntes Füße austreten angesagt. Auf dem Tagesprogramm stand ein Besuch bei Tee-Bauer Fan. Er war einer der Wenigen in der Gegend, die in den Genuss kamen von Atmosfair eine hydraulische, ökologische Pumpe für die Irrigation seiner Tee-pflanzen eingebaut zu bekommen. Diese wollten wir uns ansehen… Jawohl… auf dem Besichtigungsprogramm stand eine Pumpe! Na gut… Wir übten schon mal vorher unsere Begeisterungsaufrufe: „Ohh… Ahh… Wooow!“.

Auf dem Weg zu Herrn Fan kamen wir aber noch bei einem Frisch-Tee-Markt vorbei und konnten zu sehen, wie die Bauer ihre Ernte in einer Gasse aufgestellt anpriesen und feilschten. Der Tee, so wie er hier angeboten wurde, war allerdings noch nicht trinkbar und musste erst noch einige Bearbeitungsprozesse durchlaufen, wie wir später dazulernten. Die Preise variierten zwischen 15 und 30 Yuan pro Kilo.

Herr Fan empfing uns gemeinsam mit seiner jüngeren Schwester, Frau Fan. Während er eher betreten daneben stand, erklärte uns seine Schwester detailliert und mit praktischer Vorführung die Ernte des Tees und beantwortete jede Frage, die wir ihr stellten. Doch plötzlich meldete sich Herr Fan zu Worte: „Wir haben hier noch was, das auch aus Deutschland kommt!“. Ach ja… Die Pumpe… Hätten wir schon fast vergessen. Wir bestaunten kurz die Pumpe und versuchten vergebens unsere Ohhs und Ahhs überzeugend rüberzubringen. Wen es interessiert: die Pumpe stammt von 2008 und wird angetrieben durch den Wasserdruck des kleinen Baches, der durch das Teefeld fließt. Damit hätten wir das auch abgehakt.

Zurück zum Tee… Frau Fan führte uns ins Dorf und zeigte uns, wie der Tee getrocknet und später dann verarbeitet wurde. Herr Fan hatte sich zwischenzeitlich verdrückt. Anscheinend schien er das Gefühl zu haben seine Pflicht sei mit der Pumpenführung erfüllt gewesen.

Nach all der Tee-Besichtigung, wollten wir diesen natürlich auch probieren. Frau Fan nahm uns hierzu mit zu sich nach Hause und ließ von ihrem Mann Bilouchun und weißen Tee aufkochen. Nach all der Besichtigung und dem Haufen an neuen Informationen bekamen wir jedoch langsam auch Hunger und konnten uns kaum wehren, als Frau Fan uns dann zum Essen einlud. Sie meinte, sie sei nicht vorbereitet und habe daher nicht viel anzubieten, tischte aber ein Gedeck auf, dass uns doch ein wenig schlechtes Gewissen aufkam. Aber jetzt war es auch zu spät. Die Nudeln waren gebraten, die 2 Flaschen Bier geöffnet. So erzählte Frau Fan aus ihrem Leben: unter anderem von ihrer Tochter, die mit 13 lernen musste alleine zu Leben und jetzt Schaufensterpuppendesignerin in Shanghai ist, wie sie aus Huzhou hierher gezogen ist und die Landluft genießt, wie sie im Winter, wenn es keine Arbeit gibt mit Karten und Mahjongspielen die Zeit tot schlägt, usw. Nach dem Essen holte sie ihre Fotoalben und Ansichtskarten ihrer Tochter hervor. Wir stauten und waren dankbar für die Einsicht in das chinesische bäuerliche Leben, die uns Frau Fan gewährte.

So nett es auch war, mussten wir dennoch weiter. Noch ein Abschiedsgruppenfoto, noch ein Versprechen, dass ich es ihr zukommen lassen werde und wir fuhren wieder aus den Feldern auf die Hauptstraße in Richtung Suichang. Die nichtssagende Beschreibung, die mir über dir Stadt mit auf den Weg gegeben wurde: „keine schöne aber interessante Stadt“ machte plötzlich Sinn. Suichang schien voller Leben und hatte trotz seiner rein modernen, meistens grauen Architektur einen gewissen Charme.

Es bleib uns endlich mal ein bisschen Zeit zum Trödeln, Uhrreparieren und anderen Dingen, für die man sonst auf ach so stressigen Fahrradreisen keine Zeit hat. Martin hatte heute die glorreiche Idee mal Billiarde zu spielen. Im Hotel gab es zwar die Möglichkeit dazu, draußen zwischen den Suichanger Teenies macht es aber gleich doppelt Spaß. Vor allem wenn Anke noch nie in ihrem Leben Billiarde gespielt hatte und Katherina ihre Karriere am Queue wegen Tischdemolierung aufgeben musste. Beide stellten sich aber als Naturtalente heraus und wir lieferten uns spannende Partien. Zuschauer hatten wir auch eine ganze Menge. Die waren aber vermutlich doch eher am Bild des Ausländers am chinesischen Biliardetisch interessiert als an unserer Kunst mit dem Queue. Der Duft vom benachbarten Stinketofustand verscheuchte uns dann aber doch noch irgendwann zurück ins Hotel.


Vom Regen in den Tunnel

Land von Fisch und Reis, 01.09. bis 24.09.2012

Wuyi nach Songyang. 72 km

Wenn bei Abfahrt es schon wie aus Kübeln regnet fällt es einem schwer die Taschen aufzuladen und loszuradeln. Aber wir sind ja hier um Fahrrad zu fahren… Mit dem nötigen Schuss Optimismus schwenkten wir uns auf unsere Sattel und starteten unsere Tagesetappe. Der Regen aber ließ vorerst nicht nach und wurde noch ein bisschen stärker. Nach 20 km suchten wir erstmal Unterschlupf in einer kleinen Garküche, wo ich mein Frühstück nachholen konnte, dass ich wegen Weckerüberhörens verpasst hatte. Doch Tee und Chili-Bohnen wärmen auch nur so lange man im Trockenen sitzt.

An solchen Tagen freut man sich auch mal ausnahmsweise, dass es eher leicht stetig bergauf ging und noch keine Abfahrt in Sicht war. Zum Mittag hatte der Regen zwischenzeitlich aufgehört. Die Kleidung hing aber immer noch leicht tropfend vom Körper. Als Erkältungsprofilaxe, so hat es meine weise Schwiegermutter mir beigebracht, bestellte ich chinesische Ingwer-Suppe. Das ist eigentlich das, was wir in Deutschland als Ingwer-Tee kennen. Nur wird hier nicht mit dem Ingwer gegeizt und statt 5-6 Scheibchen werden 5-6 ganze Stücke in den Topf geschmissen und mit Rohrzucker aufgekocht. Nach der chin. Ernährungslehre gibt es kaum etwas, was mehr Yang, bzw. Hitze, beinhaltet. Wenn wir nicht von außen durch den Regen gekühlt worden wären, wären wir vermutlich innerlich zerkocht worden.

Der Himmel hatte Gnade mit uns armen Freilufttouristen und ließ für einen Moment das Wasser abstellen. Doch bald schon ging es wieder los und wir ärgerten uns vor allem, dass man bei der schönen Landschaft auf Grund des Wetters sich nicht traute, sein Fotoapparat rauszunehmen.

Als wir nach der Auffahrt uns an der Spitze erholten wollen, konnten wir uns jedoch nicht recht entscheiden, ob wir lieber im Regen oder im Tunnel mit Windzug und grölenden Lastwagen-Monster stehen wollten. Als wir dann aber den Tunnel nach ca. 2 km Fahrt im Dunkeln hinter uns gelassen haben, war es plötzlich wieder trocken und wir rollten das letzte Stück fast bis zum Hotel hinab.

Vor dem Abendessen entschloss sich Martin nach solch einem Tag noch einen Masseur aufzusuchen. Dieser stellte sich jedoch mehr als Chiropraktiker heraus und wirkte dem ersten Eindruck nach zu urteilen mit seinem Muskelshirt und Goldkette, wie ein Handlanger der lokalen Mafiosi. Mit einem mulmigen Gefühl überließ ich Martin seinem Schicksal. Etwas gerädert kam er wieder aus der kleinen Seitengasse, meinte aber, dass der Mann wohl doch mehr vom Gelenke einrenken als vom Knochenbrechen verstehe.


The Great Wall Shooting

Auf den Spuren des Drachen, 08. bis 30.09.2012

33,8 Kilometer vom Minggräberstausee zur Großen Mauer bei Huanghua, fast trocken.

Den Vormittag bringen wir fix hinter uns. Der Tag beginnt mit einem abgeräumten Frühstücksbuffet im Hotel. Nicht wir haben es abgeräumt, das hat eine Reisegruppe vor uns erledigt. Wir dürfen uns lediglich mit den mageren Überresten begnügen. Egal, ein chinesisches Frühstück ist so oder so kein Feuerwerk der Gaumenfreude. Eigentlich erstaunlich wenn man bedenk, was die chinesische Küche sonst so zu bieten hat.

Also ein schnelles Frühstück und eine pünktliche Abfahrt kurz nach neun Uhr. Die ersten acht Kilometer waren uns wohl bekannt, die hatten wir gestern schon in anderer Richtung befahren. Danach ging es rechts ab, teilweise über Plattenwege aus der Ming-Zeit, vorbei am Chang Grab mit Fotostopp und dann hoch zu unserem ersten Pass. Eher ein Pässchen, nicht wirklich hoch und nicht wirklich lang, aber mit ein paar knackigen Steigungen. Den Pass haben wir einfach so mitgenommen, denn danach ging es auch gleich wieder runter und nach nur weiteren 18 km hatten wir unser Hotel erreicht.

Eine kurze Verschnaufpause, in der wir den einzigen Regen des heutigen Tages gewährten, dann stand unsere erste Begegnung mit der schmackhaften Chinesischen Mauer auf dem Programm. Für Astrid, Peter und mich endete die Begehung bereits nach ca. 20 Metern, denn die Mauer auf der westlichen Seite von Huanghua ist Anfangs verdammt steil und man muss ja auch immer den Abstieg im Hinterkopf behalten. Also sind wir, auch angesichts der Tatsache, dass wir im weiteren Verlauf der Reise noch mehr Gelegenheiten haben werden einen Fuß auf die Mauer zu setzen, diesmal einfach dort geblieben und haben auf Holger gewartet. Der ließ es sich nicht nehmen und ist locker-flockig mehrere Wachtürme nach oben getippelt.

Wir da unten hatten dafür ein anderes Highlight: Wir durften einem zukünftigen Ehepaar bei einem professionellen Fotoshooting auf der Mauer zusehen. Neben dem Paar selbst hatte noch ein Kameramann, sein Assistent und eine Visagistin über eine klapprige Holzleiter ein halbes Fotostudio sowie eine fünftel Garderobe auf die Mauer gewuchtet. Danach hieß es Umziehen – Maske – Aufstellung – Bitte lächeln!
Wir lächelten mit.


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Die gute Tat von Hunyuan

Transmongolia, 23.07. bis 23.09.2012

22 Kilometer zum taoistischen Hengshan-Berg und wieder zurück, 8 Kilometer Wanderung und 1000 Höhenmeter, die Hälfte davon zu Fuß, bei wechselhaftem Wetter und 20 Grad.

Heute nun der zweite Versuch zum taoistischen Heiligtum Hengshan, das Wetter sieht ein wenig besser aus als gestern und wir schwingen uns fröhlich aufs rad und strampeln wieder am Hängenden Kloster vorbei und dann ordentlich nach oben bis zum Eingang und Parkplatz des Hengshan Gebietes.

Obwohl einer der fünf heiligen Berge des Taoismus, hält sich der Andrang in Grenzen. Die meisten Touristengruppen werden nur zum Hängenden Kloster gescheucht und hetzen dann weiter zum Wutaishan, dabei gibt es hier auch genug zu sehen. Taoistische Kloster und Tempelanlagen sind in der Regel weniger spektakulär als buddhistische, dafür suchte man sich aber eher spektakuläre Landschaften und die unzugänglichsten Plätze zum Errichten der Tempel aus.

Die Ursprünge des Taoismus gehen zurück bis ins 4. Jahrhundert vor unserer Zeit, die ersten Gebäude hier am Hengshan sollen auch auf diese Zeit zurückgehen. Viele Schulen des Daoismus streben Unsterblichkeit an, dazu haben sich die Meister dann in die Berge zurückgezogen und an sich selbst herumexperimentiert. Bei einem solchen Experiment ist dann auch wohl der Tofu, mein so geliebtes Lebensmittel entstanden (siehe auch: www.tomtomtofu.com).

Der Weg zu den Tempel führ vorbei an an einer bildschönen Landschaft. Es gibt sie also wirklich und nicht nur auf mal mehr oder weniger kitschigen Bildern in Chinarestaurants auf der ganzen Welt (außer in China). Steile Berge, Gipfel in Wolken eingehüllt und knorrige Kiefer auf kargen Felsen. Vor allem letzteres bekommen wir reichlich zu sehen.

Die Tempel sind in Felsspalten eingekeilt und fast ebenso spektakulär wie das Hängende Kloster vom Vortag. Langsam kämpfen wir uns bis zum höchsten Aussichtspavillon vor, dann schlägt das Wetter langsam um und zwingt uns zur Rückkehrer. Bei leichtem Niesel erreichen wir die Stadt noch bevor es am Nachmittag richtig stark gewittert.

Eigentlich hatten wir heute einmal das Lokal wechseln wollen, doch wieder zieht es uns in unsere Stammkneipe. Kaum sitzen wir in dem kleinen Lokal, rumpelt es vor der Tür ein wenig. Ein Chinese war mit seinem großen koreanischen Geländewagen beim Rangieren über ein Kante gefahren. Nun hing das Fahrzeug hinten halb in der Luft und vorne im Graben mehr als einen Meter tiefer. Der Fahrer war total aufgelöst, seinen schönen teuren Wagen so in der Luft hängen zu sehen und schnell sammelt sich ein kleiner Auflauf von Leuten, aber so richtig helfen kann keiner. Man fummelt ein wenig mit dem Wagenheber herum, aber das bringt eigentlich nichts. Wir haben uns auch mit nach draußen begeben und plötzlich habe ich eine Idee und frage unser Autokenner Wolfgang: „Sach‘ mal, der hat doch Allrad, oder?“ Und damit war dann alles kinderleicht, ich lasse den Fahrer die Heckklappe öffnen und unser (dicklicher) Fahrer Zhang und ich steigen auf die Stoßstange. Schon im nächsten Augenblick neigt sich der Wagen wieder in die Waagerechte, der Fahrer fährt vorsichtig rückwärts und hat schnell wieder alle Räder auf dem Asphalt. Die Freude bei allen Beteiligten ist groß und hier schnell noch Grüße an meinen Physiklehrer!

Picknick bei Herrn Muzong

Auf den Spuren des Drachen, 08. bis 30.09.2012

„An besonders schönen Tagen ist der Himmel sozusagen wie aus blauem Porzellan.
Und die Federwolken gleichen weißen, zart getuschten Zeichen, wie wir sie auf Schalen sah’n“
*

Der heftige Gewitterregen von gestern Abend hat die Luft glasklar gewaschen, am Morgen weckt mich die Sonne, die in einem strahlend blauem Himmel steht: Kaiserwetter!

So muss es auch sein, denn heute wollen wir zu den Kaisern. Und zwar die der Ming-Dynastie.
Die Herrschaft der Ming liegt schon ein paar Jahre zurück, sie währte von 1368 bis 1644. Da selbst Kaiser nicht ewig leben (auch wenn sie das gerne täten) müssen wir uns also mit dem begnügen, was sie uns hinterlassen haben. Zum Beispiel ihre Gräber.

Davon gibt es in der Nähe von Beijing, genauer gesagt im „Tal der Kaiser“ wie meine Gruppe trocken feststellte, 13. Zwar regierten untern den Ming (die Südliche Ming nicht eingerechnet) insgesamt 16 Kaiser, aber zwei von ihnen wurden an einer anderen Stelle in China verschachert und einer gar nicht.
Das Grab eines Ming-Kaisers ist nicht etwa einfach Erdhaufen – Stein davor – fertig! Weit gefehlt, jedes Grab ist wie eine Palastanlage mit mehreren Gebäuden, einige Hektar groß und wie es sich für China gehört mit einer hohen Mauer drum herum. Dazu eine ausgezeichnete Lage mit bestem Feng Shui (zu Deutsch: unerschwingliche Immobilie) und reichlich Grabbeigaben für das Leben außerhalb dieser Welt: Gold und Geschmeide für den Wohlstand, Nippes und Kitsch für den täglichen Bedarf, Frauen und Konkubinen für… -äh- … zur Unterhaltung.

Von den 13 Gräbern der Ming-Kaiser sind im Laufe der Jahrhunderte die meisten verfallen, nur drei von ihnen wurden in den letzten Jahren aufwändig restauriert und sind nun öffentlich zugänglich.

Dies war mein Plan: Wir fahren mit den Rädern (natürlich, womit denn sonst?) um den Minggräber-Stausee, besichtigen zunächst den Seelenweg , decken uns darauf hin mit Proviant ein und machen ein zünftiges Picknick vor den Toren eines der nicht restaurierten und nicht zugänglichen Gräbern. Danach radeln wir weiter, besichtigen ein restauriertes Grab bevor es wieder um den Stausee zurück ins Hotel geht. Klingt doch gut, oder?

Natürlich kam es etwas anders. Schon auf dem Weg zum Seelenweg hatten wir uns kreativ verfahren. Und dabei ein schickes Seniorenheim entdeckt. Dann konnte ich das anvisierte „nicht restaurierte und nicht zugängliche“ Grab nicht finden. Dafür stießen wir auf die Grabanlage von Herrn Muzong (AKA Zhu Zaihou, AKA Zhuangdi, AKA Longqing, Kaiser von 1566 bis 1572). Nett restauriert, öffentlich zugänglich (gegen entsprechenden Eintritt) und noch besser: Tisch und Sitzgelegenheiten für ein zünftiges Picknick!

Also haben wir gepicknickt und besichtigt und den Rest meines Planes in den Wind geschossen. Zurück auf den Rädern haben wir somit die restlichen Gräber wortwörtlich links liegen gelassen und sind gemütlich zurück ins Hotel gefahren.

Fazit des Tages: Mit dem Fahrrad über Land!

* Erich Kästner


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