Ein Tag der klugen Entscheidungen

Land von Fisch und Reis, 01.09. bis 24.09.2012

Lingbei nach Wuyi. Angedacht 106 km

Vorerst freuten wir uns über das heutige sonnige Wetter. Die Freude wich aber schon bald einem Stöhnen und Ächzen, als die ersten Steigungen kamen und man schweißgebadet froh war, wenn es wieder bergab ging. Bei km 40 beschlossen wir die Fahrt mit dem vollgepackten Drahteseln abzubrechen um anderweitig nach Wuyi zugelangen. Ein Brotauto (chin. Minivan) ließ sich schnell auftreiben. Die Ladeklappe weigerte sich aber unsere Räder mitzunehmen und ließ sich nicht öffnen. Nach ca. 45 min, als der Schlüssel dann den richtigen Grad der Verbiegung erreicht hatte, ging die Klappe dann doch noch auf und wir fanden geradeso genug platzt für alle Taschen, Fahrradteile und unsere Extremitäten. Das hat man sich irgendwie entspannter vorgestellt. Vermutlich passen da aber auch 20 Fahrräder plus 10 Mann rein, wenn man sieht, was und wie in China mit einem solchen Wagen transportiert wird. Die Fahrt dauerte dann aber doch länger als gedacht und Gelenke schonend, war die Fahrt schon gar nicht. Aber immerhin konnten wir mit Sicherheit davon ausgehen, dass wir heute alle ankommen. Es stellte sich heraus, dass unser Fahrer, ebenso wie Martin, ein ehemaliger Tischler war. Er kannte sich auch bestens aus und konnte die sonst recht langweilige Fahrt mit seinen Erläuterungen zumindest etwas interessanter machen.

Das Hotel in Wuyi war in einem Kaufhaus integriert und man riet uns, auf Grund von mangelnden Parkmöglichkeiten, die Fahrräder mit auf die Zimmer zu nehmen. Platz gab es genug. Sein tägliches Gefährt neben seinem Bett zu haben hatte auch eine gewisse beruhigende Wirkung.

Ausgehungert wie wir waren, machten wir uns direkt nach dem Einchecken auf die Suche nach was Essbarem. Es ließ sich schnell ein Wantan-Laden in der Altstadt-Gasse auftreiben. Wie wir so saßen und unsere Teigtaschen genüsslich verspeisten zog ein großes Gewitter auf. Zu unserem Glück aber saßen wir noch im Trockenen und konnten der Chefköchin beim Wantan-Kneten zu sehen. Dabei wirkten ihre Hände so flink wie die eines Hütchenspielers und wir baten sie, den Vorgang einmal in Zeitlupe vorzuführen, damit wir sicher gehen konnten, dass auch ja keine Trickserei mit im Spiel war.

Abends entschieden wir uns für einfache lokale Küche und probierten Frosch, Moosgemüse und Schlammfische. Die Schlammfische… naja… der Name ist wohl Programm. Frosch und Moosgemüse waren aber durchaus eine Entdeckung! Neben dem tollen Essen war besonders der Koch eine wirkliche Attraktion. Alle waren wir gefesselt von seiner hohen Kunst, wie er mit nur einer Kelle alles machen konnte, von Braten, Kochen, Würzen, Zutaten hinzufügen, Wasserhahn bedienen… Sie wirkte wie sein dritter Arm. Wie ein Pyromane beherrschte er die Flamme, die sich immer wieder meterhoch in die Luft schraubte. Dazu ein heftiges Gewitter – und die Kulisse für den jungen Showkoch war perfekt.


Wie ein Schwalbennest…

Transmongolia, 23.07. bis 23.09.2012

6 Kilometer zum Xuan Kong Si vor der Stadt, Besichtigung des Hängenden Klosters und Ruhetag bei zu kaltem, wolkigen Wetter und Sturmböen.

Über Nacht hat es sich merklich abgekühlt und am Morgen war noch etwas Sonne, aber der Himmel zieht schnell zu und bei höchstens 11 Grad kommen wir schnell ordentlich ins frieren. Dabei steht heute nur ein Abstecher auf dem Programm.

Weltberühmt ist das Schwebende/Hängende Kloster bei Hunyuan. Irgendwann in der Han Dynastie wollte ein Mönch seine Ruhe haben und hat sich mitten in einer steilen Felswand eine kleine Klause errichtet, einziger Zugang per Seil von oben, Versorgung über Seil nach unten. 600 Jahre hatte er dann seine Ruhe, dann wurde aus der Klause eine Anlage, die systematisch erweitert wurde. Akrobatisch, auf langen dünnen Holzbalken ruhend, „klebte“ man ein Tempelchen nach dem anderen an die Wand, verbunden mit steilen Treppchen und Leitern.

Heute ist es vorbei mit der Ruhe am Hängenden Kloster, denn als eine der Hauptattraktionen in der Provinz werden täglich mehrere tausend Touristen über die schmalen Treppen durch den Tempel gescheucht. Ab 11 Uhr herrscht überall Stau, blockiert von einigen Leuten, die sich aufgrund von Höhenangst partout keinen Schritt mehr vorwärts oder rückwärts bewegen wollen oder können. Sehenswert ist und bleibt der Tempel trotzdem immer noch und zwar aus allen Perspektiven, vom Taleingang in der Mitte der schroffen Steilwand oder von oben auf der, scheinbar, wackeligen Holzkonstruktion mit 45 Metern Luft unter den Füßen.

Leider war der Rundgang nichts zum Aufwärmen und so beschließen wir den Hengshan Berg, der sich ein paar Kilometer weiter befindet und ein daoistisches Heiligtum ist, auf den morgigen Tag zu verschieben.

Mir ist es ganz recht, denn bei der Abfahrt gestern habe ich mich ordentlich verkühlt und huste und spucke, wie ein richtiger Chinese um die Atemwege wieder frei zu bekommen. Martina und Wolfgang genießen die Atmosphäre in der quirligen kleinen Stadt, durch die Modernisierungswalze noch nicht hindurch gekommen ist. Abends enden wir dann in dem kleinen Lokal, in dem wir gestern schon sehr gut gegessen haben und im vergangenen Jahr auch, da waren wir an drei Tagen hintereinander nur in diesem Lokal und auch in diesem Jahr konnten die Wirtin und ihr Mann in der Küche wieder komplett überzeugen, deshalb werden die drei Sterne für chinesische Hausmannskost mit Begeisterung wieder vergeben.


Auf neuen Wegen zum Ziel

Auf den Spuren des Drachen, 08. bis 30.09.2012

Von Beijing zum Minggräber Stausee , 65 km auf dem Rad und 6 km durch den Sommerpalast. Trocken aber trüb.
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Der Blogeintrag für diesen Tag ist eine Gemeinschaftsproduktion von APH. Vielen Dank dafür!
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Es ist gut, dass wir einen Reiseleiter dabei hatten, der mit modernster Ortungstechnik ausgestattet ist. Da wo laut Plan eine Dorfstraße sein sollte, fehlten sowohl das Dorf als auch die Straße. Stattdessen standen wir vor dem verschlossenen Tor einer Baustelle (siehe dazu die entsprechenden Bilder in der Galerie. Die Satellitenaufnahme zeigt noch das Dorf, die blaue Linie ist unsere gefahrene Strecke). Aber mit einem Blick auf das Navigationsgerät und in nur zwei Anläufen fanden wir eine Umgehung und somit zurück auf die geplante Strecke.

Auf dem Weg dahin hatten wir schon das Vogelnest und das Olympische Dorf gesehen und wir hatten uns aus dem Gewusel des Stadtkerns von Peking heraus gekämpft.

Ein Strecken-Highlight war der kaiserliche Sommerpalast mit zwei Pagoden, einem langen Korridor, einem überdachten Wandelgang am Ufer des Sees, und einem buddhistischen Tempel hoch oben über dem Park – ein dreistündiger Rundgang mit einer kurzen Verschnaufpause auf einem stilisierten Drachenboot.

Nach dem Rundgang ohne Fahrrad schlürfen wir unsere erste Nudelsuppe in einer klitzekleinen Imbissstube, die sonst nur Einheimische nutzen. Der Geschmack der Suppe konnte sich durch den mehrfach genutzten Wok bestens entfalten. Der Vorschlag der Gruppe, den Reiseleiter zukünftig auf ein Küchenfahrrad mit integrierter Feuerstelle und Wok umsteigen zu lassen, stieß auf hilfloses Unverständnis bei selbigem. Dabei gab es so viele duftende und dampfende Vorbilder solcher Räder (mit Maiskolben, Kastanien, Teigtaschen oder Honigmelonen) am Straßenrand.

Erholsam vom aufregenden Getümmel der Stadt ging es jetzt auf angenehmen Wegen an idyllischen Kanälen entlang. Am frühen Abend erreichten wir unsere ökologische Unterkunft „Nature Times Hotel“ und gönnten uns unser erstes schmutziges Bier. Abends speisten wir ein fünfgängiges Menü am gediegenen Holztisch.


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Kletterpartien

Transmongolia, 23.07. bis 23.09.2012

137 Kilometer vom Wutaishan über drei Pässe nach Hunyuan, 2000 Höhenmeter bei windigen und manchmal sonnigen 16 bis 22 Grad.

Über Nacht hat es ordentlich geregnet und nun ist die Sonne wieder da, dafür ist es recht frisch. Kein Problem, denn es geht von Beginn an straff bergan, wir müssen von 1600 Metern wieder über den Pass auf 2500 Meter. Da ist kühleres Wetter eher ein Vorteil. Nach etwas mehr als zwei Stunden ist der erste Kletterpart geschafft und wir stehen oben im Wind. Die Abfahrt gegen den Wind macht nicht den Spaß, den wir erwartet hatten, zum anderen hatte sich bei der Abfahrt ins Tal vor zwei Tagen an Wolfgangs hinterer Felge ein Riss gezeigt. Wir vermuten, dass der Riss entstanden ist, weil sich bei der langen Abfahrt die Felge überhitzt und zu sehr ausgedehnt hat, so dass an zwei Speichen sternförmige Risse entstanden. Es gelang Wolfgang das Rad ein wenig auszuzentrieren und die beiden angerissenen Speichen zu entlasten, aber mit kühnem Schwung möchte er natürlich nun keinen Berg mehr hinunterrauschen.

Unten im Städtchen essen wir relativ zeitig Mittag, dann geht es ein paar Kilometer über die Hauptstraße, bevor wir für den nächsten Pass wieder auf eine Nebenstraße abbiegen. Hier sind es nur 400 Höhenmeter, dafür ist die terrassierte Landschaft sehr schön und in den Dörfern gibt es wieder alte in den Löss gegrabene Wohnhöhlen. Viel Zeit zum genießen bleibt nicht, dann sind wir wieder auf der großen Straße im Tal. Dort waren wir wegen des chaotischen Verkehrs im letzten Jahr alle in den Bus gestiegen und den Rest der Strecke gefahren. Doch in diesem Jahr ist die parallel geführte Autobahn fertig gestellt und so steht dem dritten Pass nichts entgegen. Also noch einmal 500 Höhenmeter Kletterei, dann geht es in die letzte Abfahrt. Die ist landschaftlich eine Katastrophe, denn in den bergen rundherum wird Kohle abgebaut, aber nicht in Bergwerken, sondern im Tagebaubetrieb, dafür wurden ganze Berge weggebaggert und es entstand ein Mondlandschaft. Falls die Chinesen mal eine Mondlandung ihrer Taikonauten faken wollen, hier ist genau der richtige Ort dafür.

Erst kurz vor Hunyuan wird es wieder etwas schöner, schließlich befindet sich auch der Hengshan, ein buddhistischen heiliger Berg in der Nähe und den wollen wir morgen oder übermorgen besichtigen.

Abends geht es nur die Straße runter, im letzten Jahr hatten wir uns hier in ein kleines Lokal verliebt, die Wirtin erkennt mich wieder, die Freude ist groß und das Essen wieder so gut wie im Vorjahr, wir werden wohl wieder kaum eine Chance haben, andere Lokalitäten der Stadt kennen zu lernen.


Ab in die Berge

Land von Fisch und Reis, 01.09. bis 24.09.2012

Shaoxing nach Lingbei. 95 km

Wir verließen nur ungern unser 5-Sterne-Hotel und gingen immer wieder zum reichgedeckten Buffet des Speisesaals. Doch leider konnten wir nicht allzu lang bleiben, denn es standen heute noch gute 90 km auf hügelig bis bergigem Terrain auf dem Programm.

Je weiter wir in die Berge kamen desto mehr verdünnte sich der Verkehr und die Industrie. Nur noch vereinzelnd sah man mal kleine Webereien in Hauseingängen und die Landschaft wurde allmählich schöner. Der Weg war bestückt mit idyllischen Reisfeldern und kleinen Dörfern. Als wir dann nach einem kurz aber knackigen Anstieg an einem Stausee langfuhren, waren wir endgültig in der Natur angekommen. Ab und zu überholte uns noch ein Linienbus. Ansonsten waren wir aber fast nur für uns in dieser schönen Landschaft. Es entsprach ziemlich meinen Idealvorstellungen einer chinesischen Landschaft: kleine Berge, davor ein See und Bambuswälder soweit das Auge reicht… Ich muss Zugeben, dass ich ein kleines Faible für Bambuswälder entdeckt habe. Ich könnte hierzu ein Gedicht schreiben, denke aber, das der Pathos die Bildschirme zum Schmieren und Schleimen bringen würde.

Die Einfahrtstraße zur heutigen Übernachtungsstätte zwang einen allerdings noch mal alles zu geben, denn 700 m klingen zwar wenig, sind aber bei der Steigung, mit dem Gepäck, nach der Strecke und so kurz vor dem Ziel nicht ohne. Nach der Ankunft kam uns die Bedienung schon direkt mit gekühltem Bier entgegen. Da haben wohl unsere Vorgängergruppen schon gute Vorarbeit geleistet. Unsere Herberge ist heute mal zur Abwechslung ein kleines Bergresort, das abgelegen von allem vor allen dem Chinesen aus der Stadt als eine Zuflucht dienen soll. Man konnte an den Marken der parkenden Autos gut erkennen, dass es auch erfolgreiche chinesische Stadtbewohner hin und wieder mal in die Natur zieht. Hier sitzen sie dann am Ufer des Stausees und angeln selber ihr eigenes Abendessen.

Zur Stärkung nach der Etappe und Vorbereitung auf die morgige gab es ein Salzwasser-Hähnchen, das vorzüglich zubereitet war. Die Karnivoren unter uns rissen das tote Tier in kürzester Zeit in Einzelteile und nagten genüsslich an dem Kadaver. Kopf und Fuß wurden nicht verschont. Auch der Rest der Tafel war durchaus sehr schmackhaft. Die Müdigkeit setzte dann jedoch schnell ein, was vielleicht angesichts der morgigen Aufgabe auch ganz gut war.


32 Kilometer Sightseeing

Auf den Spuren des Drachen, 08. bis 30.09.2012

Besichtigungstag in Beijing.

Was steht denn heute auf dem Programm? Ah ja, Himmelstempel, Platz vor dem Tor des Himmlischen Friedens und Verbotene Stadt. Vielleicht noch den Kohlehügel und ein wenig Schlendern in der Schoppingmeile Wangfujing danach. Da fragt sich doch der erfahrene Pauschaltourist: Und was machen wir am Nachmittag?

Bei uns war das etwas anders. Wir haben uns nämlich irgendwann gefragt, ob wir es nach den ganzen Besichtigungen noch bis zum Abendessen schaffen, bevor alle Restaurants dicht sind.

Denn das stand so nicht im Programm:

  • 9 Kilometer mit dem Rad durch den regsamen (das ist ein Euphemismus!) Beijinger Verkehr bis zum Himmelstempel
  • 3 Kilometer zu Fuß durch den Himmelstempel, die Hälfte davon durch einen Teil der Anlage, den ich selbst bisher hoch nicht kannte
  • 4 Kilometer mit dem Rad zur brandneuen Altstadt
  • 54 Jiaozi (chinesische Teigtaschen mit diversen Füllungen) in einer Hintergasse
  • 8 Kilometer Fußmarsch über den Platz vor dem Tor des Himmlischen Friedens, durch die Verbotene Stadt, auf den Kohlehügel, über die Wangfujing und wieder zurück zu den Fahrrädern
  • Zwischendrin 2 Kilometer mit Bus 111 vom Kohlehügel zur Wangfujing. Ohne den kleinen Auffahrunfall wäre das die langweiligste Strecke des heutigen Tages geworden
  • 6 Kilometer auf zwei Rädern bei einsetzender Dämmerung und abschließender Dunkelheit von der brandneuen Altstadt zurück zum Hotel

Schnell mal zusammengerechnet: 9+3+4+54-54+8+2+6=32. Passt.

Der Ziel ist das Weg! Wir haben uns nicht nur für die vorgegebenen Besichtigungspunkte viel Zeit gelassen, sondern auch für die Wege dazwischen. Beijing besteht halt nicht nur aus Sehenswürdigkeiten und nicht nur die Sehenswürdigkeiten machen Beijing sehenswert.

Unser Abendessen haben wir übrigens pünktlich um 19 Uhr in einem kleinen Restaurant um die Ecke vom Hotel eingenommen. So spät wurde es dann also doch nicht.


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Im Schatten Manjushris

Transmongolia, 23.07. bis 23.09.2012

Weiterer Ruhetag am Wutaishan und Besichtigung weiterer Tempel und Klöster.

Der heutige Tag steht erst einmal im Schatten des Geldtausches. Gestern hatte ich hier kein Geld tauschen können, da am Vortag der Rechner abgestürzt ist, der Fehler war natürlich bis heute nicht behoben worden. Aber ich habe keine Lust mich wieder wegschicken zu lassen und erkläre, dass wir heute Abend in die Bank mit unseren Isomatten einrücken und es uns bequem machen würden und frage, ob es hinten wenigstens eine Dusche gebe. Das veranlasst dann die Managerin etwas zu mauscheln und nach -zig Telefonanrufen tauscht sie privat das Geld um und wir werden die Nacht nicht in der Bank zubringen müssen.

Der Shuttlebus bringt uns dann in den oberen, nördlichen Teil des Ortes, wo sich dutzende weiterer Tempel befinden. Wir beginnen am Dayuanta Tempel. In dessen Zentrum befindet sich ein großer weißer Stupa aus der Ming Dynastie. Dieser Stupa, Sarira Stupa genannt, was „buddhistische Religie“ bedeutet ist auch der Anziehungspunkt für „richtige“ Pilger, also nicht nur für Touristen oder/und Chinesen, die einmal ein Wochenende Buddhismus praktizieren wollen. So finden sich auch Gruppen aus Tibet, die Frauen erkennt man an den vom Wetter gegerbten Schürzen und den bunten Röcken, die Männer am etwas „wilderen“ Aussehen. Im Eingangsbereich kommt mir eine tibetische Nonne recht bekannt vor und ich frage sie, ob sie denn im letzten Jahr auch schon hier gewesen sei. Sie freut sich und erinnert sich, dass ich im letzten Jahr schon Fotos von ihr gemacht hätte. Für den Leser lässt sich das auch im Blog schön nachsehen.

Dem Leben in den Tempel ließe sich unendlich zusehen, ebenso könnte man hunderte von Hallen in diversen Baustielen bewundern und verschiedenste Buddhafiguren und Boddhisattvas. Wir tun dies auch gute zwei Stunden lang und streichen durch die Komplexe hier im Zentrum. Dann wechseln wir die Flussseite und steigen zu einem weiteren Tempel ganz nach oben, eigentlich hatten wir eine grandiose Aussicht erwartet, aber das Wetter hat sich ein wenig verschlechtert und so liegt das weite tal im trüben Dunst. Dieser obere Tempel ist dem Boddhisattva Manjushri gewidmet, wie auch das ganze Gebiet. Wutaishan, das bedeutet Fünf Gipfel Berg und jeder Gipfel bedeutet eine andere Manifestation des Boddhisattvas, so ist ein Gipfel für den jugendlichen Manjushri, einer für Majushri den Wissenschaftler, einer für M. den Weisen, und für M., den Löwen der Rede. Aber die Gipfel liegen heute auch im Dunst, aber wir werden sie morgen bei der Fahrt heraus aus dem Tal noch einmal sehen können.

In den Tempel wird Majushri mit einem flammenden Schwert in der linken Hand, der männlichen oder Methodenhand dargestellt. das hat nichts mit Gewaltbereitschaft zu tun, sondern mit dem Schwert wird die Unwissenheit zerschlagen. In der rechten Hand, der weiblichen oder Weisheitshand tragen die Darstellungen des Boddhisattvas in der Regel eine Schriftrolle, die Wissen symbolisiert. Mitunter kann auch Manjushri ziemlich weibliche Züge tragen und wird auch auf einem Löwen reitend dargestellt.

In diesem Zusammenhang habe ich auch noch einmal darüber nachgegrübelt, warum man z.B. den Avalokitesvara auch als weibliche Darstellung findet, aber als Buddha/ Boddhisattva hat ma ja alle Gegensätze überwunden und damit ist es völlig gleich in welcher Form der Boddhisattva wieder auftritt. Historisch gesehen hat es natürlich mit dem Pragmatismus des Buddhismus als Religion zu tun, nämlich feminine Gottheiten anderer Vorreligionen „einzugemeinden“, ebenso lässt sich natürlich ein „Gott“ der Barmherzigkeit in einer weiblichen Form besser „vermarkten“.

Bleibt dann wieder die Suche nach einem befriedigenden Restaurant, aber heute werden wir belohnt, etwas weg von der Hauptstraße, auf der anderen Seite des Flusses gibt es ein paar sehr schöne Familieguesthäuser. Die Unterkünfte dort sind zwar recht einfach, aber blitzsauber und gemütlich, hier könnt man sich mit einer großen Gruppe wunderbar in einem der Höfe einnisten. Zu den Herbergen gehört asuch ein restaurant und das ist richtig gut. Neben Wildpilzen und Wildkräuteren gibt es auch die üblichen gebratenen Gerichte und wir schlemmen uns hier fast zwei Stunden durch, incl. Kerzenlicht, denn zwischendrin ist der Strom einmal für eine halbe Stunde weg, was dem Genuss keinen Abbruch tat.

Happy Birthday to me to me…

Land von Fisch und Reis, 01.09. bis 24.09.2012

Hangzhou nach Shaoxing. 80 km

Heute ist mein Geburtstag und da meine Reiseteilnehmer so aufmerksam sind, ist es ihnen natürlich nicht entgangen und haben mir 2 Geburtstagstörtchen zum Frühstück hingestellt. Das war schon sehr rührend. Vielen Dank an dieser Stelle nochmal! Liebe zukünftige Teilnehmer: Ihr dürft euch gerne ein Beispiel hieran nehmen. Auch nicht fehlen durfte natürlich ein Ei. Jawohl, ein Ei! Der Brauch, zum Geburtstag ein Wachtel-Ei zu essen, da Wachtel auf Chinesisch so ähnlich klingt wie Sicherheit, wird nicht mehr so eng genommen und ein Hühnerei tut es da auch.

Unsere Strecke führte uns heute entlang der Qutang-Flusspromenade durch viele Neubau- und Industriegebiete. Der Übergang beider war dabei fließend versteht sich. Die Hochhäuser, die in den Randgebieten Hangzhous hochgezogen werden, sind bombastisch und haben durch die direkte Lage am Fluss bestimmt auch so ihren Wert… Also nur für die gehobene Klasse von Schwiegersöhnen vorgesehen. Gerade als ich bei einer Pause am Flussufer davon erzählte, dass Chinesen heutzutage häufig die Erziehung ihrer Kinder den Großeltern überlassen, auf Grund vom engen Terminkalender der arbeitstätigen Eltern, kam uns eine Horde Großeltern mit ihren Enkelkindern entgegen. Toll, wenn man direkt eine praktische Bestätigung bekommt. Wir folgten eine ganze Weile der Flusspromenade, die wirklich sehr interessante und unterschiedliche Einblicke in die Umgebung gab. Für Martin und mich eine sehr willkommene Abwechslung nach den Touren durch das engbebaute Gebiet der ersten Tage.

Schließlich kamen wir auch zu unserem ersten Hügel, an dem wir schon mal testen konnten, ob unsere Packtaschen nicht doch zu großzügig bepackt waren. Mittags lockte uns dann ein Lanzhou-Nudelhaus. Ebenfalls die perfekte Wahl für ein Geburtstagsessen, denn lange Nudeln symbolisieren ein langes Leben. Und die handgezogenen Nudeln sind im Grunde genommen ja eine einzige meterlange Nudel. Auf unserem Plan stand an sich noch ein zweiter Hügel. Aber entweder hatten wir uns verfahren oder er wurde vom Straßenbauamt platt gemacht. Vermisst hat ihn aber keiner von uns.

Relativ spät kamen wir in Shaoxing an, sodass wir erst zum Abendessen in die Stadt begaben. Shaoxing ist ebenfalls eine alte Kanalstadt, die allerdings nicht mehr zu dem System des Kaiserkanals vom 7. Jahrhundert gehörte. Dieser verlief von Peking bis nach Hangzhou und diente der Verfrachtung von Tee und Seide gen Norden. Später allerdings konnte auch das Kaiserhaus nicht mehr dem Ruf vom berüchtigten Shaoxing-Reiswein widerstehen und ließ eine Anbindung zu der Stadt erbauen.

Anders als in Wuzhen wird die Altstadt in Shaoxing abends kaum beleuchtet. Sodass nur noch die zentralen Straßen sich für den Besuch lohnen. Ein passendes Restaurant ließ sich jedoch nicht so schnell auftreiben und so folgten wir dem Rat eines Passanten, der uns empfiehl in die Nähe von Luxuns altem Haus zu fahren. So setzten wir alles auf eine Karte und fuhren mit dem Taxi hin. Das Glück war auf unserer Seite, denn ein Restaurant schräg gegenüber bot ein perfektes Ambiente mit einem Mix aus nett-am-Kanalufer-sitzen + riesen-Auswahl-an-frischen-Zutaten + lautes-chinesisches-Gegröle. Ein Volltreffer. Zum Abschluss meines Geburtstages lud ich daher die Gruppe zum Essen ein, inklusiver einer Verkostung des Shaoxing-Weins. Leider schien ich der Einzige zu sein, dem der Wein zusagte. Naja, er wird in erster Linie ja auch zum Kochen benutzt. In diesem Sinne… Prost!


Rein ins Gewusel!

Auf den Spuren des Drachen, 08. bis 30.09.2012

Ankunft der Gruppe in Beijing. Ein paar Meter zu Fuß, ein paar Meter mit dem Rad

Darf ich vorstellen: meine Gruppe!
Ok, es ist eher ein Grüppchen und besteht aus Astrid, Peter und Holger. Astrid und Peter kommen mit Air China aus Frankfurt an, Holger mit Lufthansa aus München. Holger will sich nach der Tour noch Hongkong antun, daher der Extraflug.

Ich sammele die drei am Flughafen in Beijing ein und ab mit ihnen in die Stadt, in unser Hotel. Während ich nach einer Anreise nach China immer ziemlich geplättet bin machen APH (=Astrid, Peter, Holger) eher den Eindruck, als wären sie eben erst aus der S-Bahn gestiegen und könnten sofort loslegen mit dem vollen Programm. Nun gut, das sollen sie haben!

Nur eine relativ kurze Verschnaufpause, dann Beijing pur: Aus dem Hotel rechts, einmal über die große Straße und hinein in die Hutongs, die kleinen Gassen in einem der nur noch wenigen Altstadtvierteln. Links ein restaurierter Tempel mit angeschlossener Grundschule (leider nicht zugänglich), rechts alte/neue/im Bau befindliche Häuser, von vorne und hinten ständig Motorräder, Lastendreiräder, Fahrräder, E-Bikes und Fußgänger. Wir treten oft zur Seite und uns manchmal gegenseitig auf die Füße. Oder wir stolpern über unsere eigenen Füße, denn es gibt so viel Neues zu sehen und zu entdecken, da will der Blick einfach nicht nach unten entwischen.

Geschafft! Wir sind wieder auf einer großen Straße und dort werden die Fahrräder in Empfang genommen. Bloß keine Atempause. Also rauf auf den Sattel und wir drehen eine erste Runde durch den Beijinger Straßenverkehr. Eine Runde ist etwa übertrieben, nach knapp 2 Kilometer sind wir bereits am Trommel- und Glockenturm. Wie immer bringe ich durcheinander welches der Trommel- und welches der Glockenturm ist. Irgendwie kann ich mir das nicht merken. Warum mussten die alten Chinesen die beiden Bauwerke auch so dicht beieinander errichten?

Egal, letztendlich haben wir die beiden Türme doch in der richtigen Reihenfolge erklommen. Nämlich erst den Glockenturm, um rechtzeitig für die Percussionperformance auf dem Trommelturm zu sein.

Dann der Houhai (Hintere See). Hier war es vor ein paar Jahren gemütlich-idyllisch. Das habe scheinbar nicht nur ich so empfunden, viele andere Reisende auch und es kam, was kommen musste: Nun ist es hektisch-touristisch. Na gut, dass muss man auch mal gesehen haben, entscheiden APH. Prima Team!

Also zurück zu den Rädern, eine kurze Tour auf der bereits bekannten und noch immer belebten Straße und das erste gemeinsame Abendessen: Sichuan Küche. Noch keine 24 Stunden in Beijing und schon ausländisches Essen!

PS: Bitte das erste Foto nicht beachten! Das Puzzle gehört meinem Sohn und ich will ihm damit nur zeigen, dass ich es aus Versehen mitgenommen habe.


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Der schwule Mönch vom Südbergkloster

Transmongolia, 23.07. bis 23.09.2012

Ruhetag in Wutaishan, Besichtigung zweier Klöster bei sonnigen 25 Grad.

Martina und Wolfgang waren mit ihrem Hotelzimmer im „Roten Oktober“ nicht zufrieden, so dass wir am Morgen in ein Nachbarhotel umziehen. Die Preise im ort und der Service, der dahinter stehen sind einfach unverschämt. „Roter Oktober“ hatte ich das Hotel im letzten Jahr getauft, weil alles auf Massenabfertigung hinaus lief, da waren aber die Zimmer noch einigermaßen in Ordnung, in diesem Jahr musste man die Handtücher reklamieren, der Fußboden war keimig und das Hotel hat in dem einen Jahr unter dem chinesischen Wochenendreisenden ordentlich gelitten. Die Dame an der Rezeption hat keinerlei Verständnis für die Beschwerden. Gestern Abend war es einfach zu spät und zu kalt, um noch etwas ändern zu können. Nebenan sieht es dagegen etwas besser aus und schon um 10 Uhr ist der Wechsel geglückt und wir können auf unseren Spaziergang gehen. Gleich über dem Tal erhebt sich das Kloster in den Südbergen. Das ist ein Tempelkomplex aus der Yuan Dynastie, der über sieben Stufen ausgebaut wurde. Der relativ lange Aufstieg hat den Vorteil, dass kaum Chinesen den Weg hinauf finden wollen, die sind schließlich zur Erholung hier. So haben wir unsere Ruhe, als wir durch das alte Gemäuer streichen. Beim näheren Hinsehen ist natürlich auch kaum etwas noch aus dem 14 Jahrhundert erhalten, es wurde in den folgenden Dynastien kräftig an und umgebaut, der unterste Komplex gar ist gerade einmal 100 Jahre alt und stammt aus der Republikzeit, doch dies tut der Schönheit der Anlage keinen Abbruch, zeigt aber, wie man in China gerne mit der Geschichte umgeht. Das Kloster ist wieder einmal der Guanyin gewidmet und es finden sich einige sehr schöne Figuren hier, einmal in Marmor gehauen und auch der Buddha in der Haupthalle trägt Gesichtszüge, wie sie in der frühen Qing-Dynastie üblich waren. In einem Nebenhof empfängt uns ein freundlicher Mönch, der einfach alles wissen will, woher wir kommen und was wir machen, was wir verdienen. Schnell ist er dann sogar bei der Schuhgröße und bestaunt meine „Teva“-Streifen an den Füßen, auch scheint ihn die Behaarung meiner Arme zu interessieren, jedenfalls zupft er sehr interessiert daran herum, als wir dann gehen wollen bekommen wir noch einen Apfel geschenkt und der Mönch kann sich nicht erwehren, blitzschnell noch einmal mein T-Shirt anzulupfen, um zu sehen, ob das auf der Brust auch ein solcher Wildwuchs wie an den Armen ist. Lachend suche ich dann das Weite, bevor er mir noch seine Pritsche im Kloster zum Kuscheln anbieten kann. Vielleicht sollte ich lieber mal ein Nonnenkloster ansehen.

Von den obersten beiden Ebenen hat man eine grandiose Aussicht über das ganze Tal und die angenehm grüne Bergwelt rundherum. Unten in der Talsohle wächst rasant die touristische Struktur, hier in Wutaishan war ich schon vor 15 Jahren, da bestand der Ort nur aus ein paar wenigen schäbigen Familienherbergen und ein paar Restaurants. Allerdings kann ich mich noch daran erinnern, dass auch damals schon alles recht teuer war.

Unten wieder angekommen trinken wir ein Bier und steigen in den Shuttlebus in den oberen teil des Ortes, dort befinden sich weitere Klöster. Einstmals gab es hier 150 Klöster weit in den Bergen verstreut, heute sind noch oder wieder 47 aktiv. Vor allem am Wochenende werden hunderttausend Touristen aus Datong und Taiyuan herangefahren, vor allem Chinesen, die ihre Religiosität, zumindest für ein Wochenende, wiederentdecken wollen und davon lebt die ganze Region.

Da das Shuxiang Kloster direkt an der Straße liegt, ist der Andrang entsprechend gut. Guten Absatz bringen die Räucherstäbchen, die von den Pilgern und Pseudopilgern in rauen Mengen in dem riesigen Brennofen angezündet werden. Im Vorhof des Kloster ist es vor Qualm kaum auszuhalten und mir fällt dazu spontan der Titel für ein Kurzgeschichte oder ein Gedicht im chinesischen Stil ein: „Wie die Rauchschwaden die Götter aus dem Himmel vertrieben“.

Hier im Kloster macht es eher Spaß, dem Treiben der Chinesen zuzusehen, andächtige Ruhe kann man hier eher nicht finden. Am Nachmittag geht es dann im Shuttlebus wieder zurück und es bleibt noch Zeit für ein Schläfchen, bevor wir uns zum Abendessen aufmachen.